TE OGH 2003/7/1 10ObS165/03t

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Veröffentlicht am 01.07.2003
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Daniel E*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2003, GZ 11 Rs 19/03y-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Oktober 2002, GZ 6 Cgs 58/02a-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 14. 12. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag des am 7. 9. 1962 geborenen Klägers auf Invaliditätspension mangels Invalidität ab.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene und auf Gewährung der beantragten Leistung ab 1. 11. 2001 gerichtete Klagebegehren ab. Nach seinen wesentlichen Feststellungen hat der Kläger den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt. Im maßgebenden Zeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag hat er 11 Monate als kaufmännischer Angestellter und 85 Monate als Hilfsarbeiter in verschiedenen Tätigkeiten gearbeitet. Im Vordergrund seines Leidenszustandes steht ein epileptisches Anfallsleiden, dessen Ursache in einem zurückliegenden Alkoholkonsum und einem Schädel-Hirn-Trauma liegt.

Beim Kläger treten drei verschiedene Typen von Anfällen auf:

Der erste schwere Typ verursacht eine Bewusstlosigkeit mit anschließender Orientierungslosigkeit. Dadurch ist der Kläger etwa zwei Stunden arbeitsunfähig. Dieser Typ tritt durchschnittlich zwischen zwei- und dreimal monatlich auf.

Beim zweiten mittleren Typ ist der Kläger kurz weggetreten und hat Erinnerungslücken. Daraus resultiert eine Arbeitsunfähigkeit von etwa 15 Minuten. Die durchschnittliche Häufigkeit beträgt fünfmal pro Monat.

Der dritte leichte Anfallstyp äußert sich in einem unguten Gefühl in der Magengegend, wobei die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls etwa 15 Minuten beträgt. Dieser Typ tritt im Durchschnitt zwischen drei- und viermal monatlich auf.

Die Anfälle ereignen sich zu keinen bestimmten Tageszeiten. Sie treten an jedem Wochentag auf, unabhängig davon, ob der Kläger arbeitet oder nicht. Die Häufigkeit der drei Anfallstypen bezieht sich auf die wache Phase. Von Februar bis August 2002 erlitt der Kläger insgesamt 77 Anfälle. Die Anzahl der Anfälle variiert von Monat zu Monat, lediglich bei den schweren Anfällen ist eine Zunahme derselben gegeben.

Bei Einhaltung des näher beschriebenen Leistungskalküls ist mit keinen Krankenständen zu rechnen. Die Leistungsfähigkeit des Klägers reicht für die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend vorhandenen Tätigkeiten als Kontrollarbeiter in der Brillenerzeugung, Handentgrater in der Kunststofferzeugung, Finisharbeiter in der Leichtindustrie oder als Portier aus.

Wegen dieser Verweisungsmöglichkeiten erachtete das Erstgericht den Kläger nicht als invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG. Die epileptischen Anfälle würden keine Invalidität bewirken, da die festgestellte Anfallshäufigkeit den Kläger nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließe. Der Kläger benötige aufgrund seines Anfallsleidens während der Arbeitszeit durchschnittlich nur sieben Minuten an zusätzlichen Pausen pro Arbeitstag, weshalb er auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers angewiesen sei.Wegen dieser Verweisungsmöglichkeiten erachtete das Erstgericht den Kläger nicht als invalid im Sinn des Paragraph 255, Absatz 3, ASVG. Die epileptischen Anfälle würden keine Invalidität bewirken, da die festgestellte Anfallshäufigkeit den Kläger nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließe. Der Kläger benötige aufgrund seines Anfallsleidens während der Arbeitszeit durchschnittlich nur sieben Minuten an zusätzlichen Pausen pro Arbeitstag, weshalb er auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf ein besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers angewiesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verwies insbesondere darauf, dass sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals mit epileptischen Zustandsbildern und der daraus resultierenden Frage des Ausschlusses des Versicherten vom Arbeitsmarkt befasst habe. Die beim Kläger festgestellte Anfallshäufigkeit entspreche der Anfallshäufigkeit in den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes behandelten Fällen, in denen ein Ausschluss vom Arbeitsmarkt verneint worden sei. Bei den angeführten Verweisungstätigkeiten sei auch keine besondere Gefährdung des Klägers gegeben.

Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur Fälle mit schweren Anfällen, nicht aber Kombinationen von mehreren Typen von Anfällen zugrunde gelegen seien.Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zulässig sei, weil der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur Fälle mit schweren Anfällen, nicht aber Kombinationen von mehreren Typen von Anfällen zugrunde gelegen seien.

In der (ordentlichen) Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht nach § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Im vorliegenden Fall fehlt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.Nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht nach Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO nicht gebunden. Im vorliegenden Fall fehlt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO.

Die Entscheidung hängt von der Lösung der Rechtsfrage des materiellen Rechts ab, ob der Kläger im Hinblick auf sein epileptisches Anfallsleiden vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach in veröffentlichten Entscheidungen mit epileptischen Zustandsbildern und der damit verbundenen Frage des Ausschlusses vom Arbeitsmarkt befasst. Danach stellt Epilepsie grundsätzlich kein absolutes Hindernis für eine geregelte Beschäftigung dar. Ein Versicherter ist nur dann nicht mehr fähig, einen ihm zumutbaren Beruf auszuüben, wenn die Anfälle - bezogen auf ihre Häufigkeit und/oder Dauer - ein solches Ausmaß erreichen, dass der Versicherte in das Arbeitsleben überhaupt nicht mehr eingegliedert werden kann. Maßgebend dafür, ob eine Epilepsie im Einzelfall tatsächlich Invalidität begründet, ist somit der Grad der Erkrankung, die dadurch bewirkte Art und Häufigkeit der Anfälle sowie deren allfällige Folgeerscheinungen und die dadurch bedingten Auswirkungen auf Eingliederbarkeit ins Berufsleben. So schließen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beispielsweise durchschnittlich zwei (große) epileptische Anfälle pro Monat, die mit einer Arbeitsunfähigkeit von jeweils vier Stunden verbunden sind, den Versicherten nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt aus (SSV-NF 10/69, 5/82, 4/168 ua).

Berücksichtigt man, dass beim Kläger nach den Feststellungen im Monat durchschnittlich zwei bis drei große Anfälle mit einer damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit von jeweils ca zwei Stunden, fünf mittlere und drei bis vier kleine Anfälle mit einer daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit von jeweils ca 15 Minuten auftreten, so zeigt sich, dass das dadurch bedingte zeitliche Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit des Klägers durchaus mit dem den Entscheidungen SSV-NF 4/168 und 5/82 zugrunde liegenden Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit vergleichbar ist. Berücksichtigt man weiters, dass diese Anfälle auch während des Urlaubes, an anderen arbeitsfreien Tagen (insbesondere Sonn- und Feiertagen, meist auch Samstagen), aber auch an Arbeitstagen außerhalb der Arbeitszeit auftreten, so zeigt sich auch, dass die Beurteilung der Frage eines möglichen Ausschlusses des Klägers vom Arbeitsmarkt durch die Vorinstanzen im konkreten Fall den Grundsätzen der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes entspricht.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist bei diesem Sachverhalt nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht dargetan. Soweit in den Revisionsausführungen darauf verwiesen wird, dass die epileptischen Anfälle des Klägers nicht vorhersehbar seien und der Kläger auf dem angespannten Arbeitsmarkt keine freie Arbeitsstelle finden werde, ist darauf zu verweisen, dass Anfallsleiden und auch sonstige Erkrankungen eines Dienstnehmers in der Regel unvorhergesehen auftreten und die Frage, ob der Kläger in den ihm zumutbaren Verweisungsberufen tatsächlich eine offene Stelle finden wird, für die Beurteilung seiner Invalidität nicht entscheidend ist (stRsp seit SSV-NF 1/23 und 68). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war daher die Revision zurückzuweisen.Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ist bei diesem Sachverhalt nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht dargetan. Soweit in den Revisionsausführungen darauf verwiesen wird, dass die epileptischen Anfälle des Klägers nicht vorhersehbar seien und der Kläger auf dem angespannten Arbeitsmarkt keine freie Arbeitsstelle finden werde, ist darauf zu verweisen, dass Anfallsleiden und auch sonstige Erkrankungen eines Dienstnehmers in der Regel unvorhergesehen auftreten und die Frage, ob der Kläger in den ihm zumutbaren Verweisungsberufen tatsächlich eine offene Stelle finden wird, für die Beurteilung seiner Invalidität nicht entscheidend ist (stRsp seit SSV-NF 1/23 und 68). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war daher die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E70160 10ObS165.03t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:010OBS00165.03T.0701.000

Dokumentnummer

JJT_20030701_OGH0002_010OBS00165_03T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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