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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des AN in W, geboren 1979, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. November 2004, Zl. SD 545/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. November 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Dem Beschwerdeführer sei erstmals am 4. November 2002 eine bis 4. November 2003 befristete Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatangehöriger erteilt worden. Sein Aufenthaltsrecht habe er von seinem Vater und seiner Stiefmutter, die österreichische Staatsbürgerin sei, abgeleitet. Es sei nicht aktenkundig, dass der Beschwerdeführer eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt habe.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (richtig: Graz) vom 17. Dezember 2003 sei der Beschwerdeführer gemäß § 15 StGB, § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Er habe gemeinsam mit drei Mitbeschuldigten am 27. Mai 2003 einem verdeckten Ermittler (des Bundesministeriums für Inneres) 209 Gramm Kokain zu verkaufen versucht sowie im PKW eines der Mitbeschuldigten 13 Gramm Kokain zum weiteren Verkauf bereit gehalten. Im Frühjahr 2003 habe er in Wien und Graz zwei Abnehmern eine nicht bekannte Menge Marihuana, zumindest aber 30 Gramm verkauft. Die Straftaten habe er begangen, um sich seinen Lebensunterhalt aufzubessern. Die Verurteilung erfülle den in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Tatbestand, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien. Da der Beschwerdeführer nach Ablauf seines Aufenthaltstitels keinen Verlängerungsantrag eingebracht habe und sich auch im gegenständlichen Verfahren nicht auf eine Unterhaltsgewährung durch seine Stiefmutter berufen habe, sei die Erstbehörde auch zu Recht nicht davon ausgegangen, dass er begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des 4. Hauptstückes des FrG sei. Dies sei auch in der Berufung nicht geltend gemacht worden.
Der Beschwerdeführer sei ledig und für ein Kind sorgepflichtig. Er lebe mit der Mutter des Kindes im gemeinsamen Haushalt. Familiäre Bindungen bestünden weiters zu seinem Vater und zu seiner Stiefmutter. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch iSd § 37 Abs. 1 FrG zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer, der erst kurze Zeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei und sich schwerwiegend strafbar gemacht habe, lasse eine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich geltender Rechtsvorschriften erkennen. Der Suchtgiftkriminalität hafte eine hohe Sozialschädlichkeit und eine überaus hohe Wiederholungsgefahr an. Die für den Beschwerdeführer anzustellende Verhaltensprognose falle zu seinen Ungunsten aus. Daran könne auch sein Vorbringen, er hätte einen Therapieantrag iSd § 39 SMG iVm § 6 StVG eingebracht, nichts zu ändern. Es sei aktenkundig, dass der Beschwerdeführer den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafe bereits verbüßt habe. Er habe nicht einmal behauptet, dass ihm ein von der Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen abhängiger Strafaufschub im Sinn des § 39 Abs. 1 SMG gewährt worden wäre.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken, dass der Beschwerdeführer keine gewichtige Integration im Bundesgebiet aufweise. Er habe für die Dauer von einem Jahr über einen Aufenthaltstitel verfügt, habe sich ein Jahr in Haft befunden und sei derzeit unrechtmäßig in Österreich aufhältig. Auch sei die jeglicher Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch sein schwerwiegendes strafbares Verhalten erheblich an Gewicht gemindert. Auch in Anbetracht der geltend gemachten privaten und familiären Bindungen sei das ihm insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zwar nicht gering, jedoch keinesfalls besonders ausgeprägt. Weder die aktenkundige Lebensgemeinschaft noch die Existenz eines Kindes hätten ihn von der Begehung seiner strafbaren Handlungen abhalten können. Den insgesamt nicht besonders schwer wiegenden persönlichen Interessen sei das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber gestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Den Kontakt zu seinen Familienangehörigen könne er - wenn auch eingeschränkt - vom Ausland aus aufrecht erhalten. Von dort könne er auch allfälligen Sorgepflichten nachkommen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Die durch die Erstbehörde festgesetzte unbefristete Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots sei gerechtfertigt. In Hinblick auf sein Gesamtfehlverhalten einerseits und seine private und familiäre Lebenssituation andererseits könne nicht vorhergesehen werden, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen seiner rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung nicht. Die Annahme der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, begegnet keinen Bedenken.
2.1. Unter dem Blickwinkel des § 36 Abs. 1 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe keine konkrete, auf die Person des Beschwerdeführers bezogene Gefährlichkeitsprognose erstellt, sondern sich "auf die Judikatur des VwGH beschränkt".
2.2. Die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 2003 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren erfolgte wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall SMG. Er hat gemeinsam mit drei Mitbeschuldigten am 27. Mai 2003 einem verdeckten Ermittler eine große Menge (209 Gramm) Kokain zu verkaufen versucht sowie im PKW eines der Mitbeschuldigten 13 Gramm Kokain zum weiteren Verkauf bereit gehalten. Im Frühjahr 2003 hat er in Wien und Graz zwei Abnehmern eine nicht bekannte Menge Marihuana, zumindest aber 30 Gramm verkauft. Er hat diese Straftaten begangen, um sich seinen Lebensunterhalt aufzubessern. Angesichts dieses Verhaltens kann der Ansicht der belangten Behörde, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht, nicht entgegen getreten werden, zumal der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt gewerbsmäßig begangen hat und bei solchen Delikten erfahrungsgemäß eine großen Wiederholungsgefahr besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0151). Wenn der Beschwerdeführer auch bis zur Verübung dieses Suchtgiftverbrechens in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, so zeigt das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten doch seine Gleichgültigkeit und die von ihm ausgehende massive Gefahr in Bezug auf das Leben und die Gesundheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Sein gravierendes Fehlverhalten nach dem SMG lag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auch noch nicht so lange zurück, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Verminderung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte. Die Beurteilung der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG, begegnet daher keinem Einwand. Daran können weder das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Strafbemessungsgründe im Strafurteil noch der Beschwerdehinweis, das Oberlandesgericht Graz habe mit Beschluss vom 11. März 2004 zur Gewährung eines Strafaufschubes gemäß § 39 SMG ausgeführt, dass von einer besonderen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers iSd § 6 Abs. 1 StVG nicht auszugehen wäre, etwas zu ändern, weil die Behörde das Fehlverhalten des Fremden und die Gefahrenprognose eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0419).
3.1. Bei der Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Vater und zu seiner Stiefmutter sowie den Umstand, dass er mit seinem Kind und der Mutter des gemeinsamen Kindes im gemeinsamen Haushalt lebt, berücksichtigt und daraus zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde jedoch auch den Standpunkt vertreten, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, manifestiert sich doch in der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat nach dem SMG die von ihm ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit, zumal es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt. Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, kann wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbots (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) keine Berücksichtigung finden.
3.2. Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die aus dem Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2002 ableitbare Integration des Beschwerdeführers wird in ihrer sozialen Komponente durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt deutlich beeinträchtigt. Von daher hat die belangte Behörde zu Recht den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen sei, macht doch die Beschwerde keine besonderen Umstände geltend, die unter Berücksichtigung des wiederholten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers eine Ermessensübung zu seinen Gunsten geboten hätten.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. April 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004180418.X00Im RIS seit
23.05.2007Zuletzt aktualisiert am
19.10.2011