TE OGH 2003/7/9 9Ob59/03x

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Veröffentlicht am 09.07.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Dr. Schramm und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian S*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Brigitte S*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 87.809,17 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Februar 2003, GZ 11 R 8/03g-19, mit dem das Teilurteil (richtig: Teilzwischenurteil) des Landesgerichts Korneuburg vom 8. Mai 2002, 6 Cg 238/01g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

In dem zwischen den Streitteilen (geschiedene Ehegatten) geführten Aufteilungsverfahren war der nunmehrigen Beklagten unter anderem die Liegenschaft mit dem Einfamilienhaus zugewiesen worden. Darüber hinaus wurde dort ausgesprochen, dass die Beklagte sämtliche mit dem Einfamilienhaus im Zusammenhang stehenden "offenen Verbindlichkeiten" (beim Land N*****, bei der C***** und der B*****) zur Alleinzahlung zu übernehmen und den Antragsgegner schad- und klaglos zu halten hat. Die Entscheidung der ersten Instanz im Aufteilungsverfahren stammt vom 28. 6. 2000; die letzte mündliche Verhandlung hatte am 13. 3. 2000 stattgefunden. Die getroffenen Feststellungen über positive Vermögenswerte bzw Verbindlichkeiten beziehen sich auf die Vermögenslage der Streitteile im Mai 1996 - offenbar dem Zeitpunkt der Beendigung der häuslichen Gemeinschaft -; darunter befand sich auch eine Darlehensverbindlichkeit bei der C***** in Höhe von S 1,205.528,53.

Der Kläger begehrt nun den Ersatz des zuletzt genannten Betrages samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass er diesen "mittlerweile" zur Gänze zurückgezahlt habe, sodass ihn die Beklagte schadlos zu halten habe.

Die Beklagte wandte unter anderem ein, der genannte Kredit sei von der spruchmäßigen Entscheidung im Aufteilungsverfahren gar nicht erfasst. Zum einen handle es sich um keine im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehende Verbindlichkeit, sondern vielmehr um eine Geschäftsverbindlichkeit des Klägers. Zum anderen sei die Tilgung der Verbindlichkeit bereits vor der Entscheidung im Aufteilungsverfahren, ja sogar noch vor der letzten Tagsatzung im damaligen Verfahren, erfolgt. Darüber hinaus wurde eine Anfechtungseinrede erhoben. Der Kläger bestritt dieses Vorbringen generell und ging weder auf die Frage des Zusammenhangs der genannten Verbindlichkeit mit der Liegenschaft noch auf jene des Zeitpunkts der Tilgung der Schulden ein. Er vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die Klage sei schon deshalb berechtigt, weil sich aus der Begründung der Entscheidung im Aufteilungsverfahren ergebe, dass das Gericht auch diese Verbindlichkeit der Beklagten zur Rückzahlung zuweisen wollte. Das Erstgericht sprach nur über die Kapitalforderung, nicht aber auch über das Zinsenbegehren, ab und erkannte diese als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Durch den rechtskräftigen Aufteilungsbeschluss sei eine endgültige Aufteilung des ehelichen Vermögens der Streitteile "zum Stichtag Mai 1996" erfolgt. Das zu diesem Zeitpunkt vorhandene eheliche Vermögen sei mit diesem Beschluss ebenso zwischen den Streitteilen aufgeteilt worden wie die damals vorhandenen ehelichen Schulden. Dass bei dieser Aufteilung auch der klagegegenständliche Kredit berücksichtigt worden sei, ergebe sich aus dem Spruch des Aufteilungsbeschlusses im Zusammenhalt mit dessen Begründung und auch aus der Entscheidung des Rekursgerichts. Zur Beurteilung des Umfangs der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung seien nicht nur der Spruch heranzuziehen, sondern auch die Entscheidungsgründe. Die Entscheidung im Aufteilungsverfahren führe bei der Feststellung des zum Stichtag Mai 1996 vorhandenen Vermögens auch die nunmehr klagegegenständliche Kreditverbindlichkeit an, sodass auch diese eindeutig vom Aufteilungsbeschluss und von dessen materieller Rechtskraft umfasst sei. Auch der Einwand, diese Kreditverbindlichkeit stehe nicht im Zusammenhang mit der der Beklagten zugewiesenen Liegenschaft könne damit nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Ebenso sei auf Grund des dem Aufteilungsverfahren einvernehmlich zu Grunde gelegten Stichtags unerheblich, ob der Kredit bei Beendigung dieses Verfahrens noch offen war oder nicht. Eine Neuaufrollung des nachehelichen Aufteilungsverfahrens sei keinesfalls zulässig. Der Beklagten wäre es freigestanden, den Aufteilungsbeschluss zu bekämpfen und sich gegen die Einbeziehung des Kredits in die Aufteilung zu wehren. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Eine unrichtige Interpretation der Entscheidungen im Aufteilungsverfahren könne dem Erstgericht nicht vorgeworfen werden. Wenn einerseits die die Liegenschaft betreffenden Verbindlichkeiten für den Mai 1996 festgestellt worden seien und andererseits die Beklagte verpflichtet worden sei, alle mit dem ehelichen Haus in Verbindung stehenden offenen Verbindlichkeiten zu übernehmen, sei ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung nicht erkennbar. Gegenstand der Rechtskraft könnte zwar immer nur der Urteilsspruch sein; zu seiner Auslegung seien aber auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen, weil der Spruch allein den Entscheidungsgegenstand nur ganz ausnahmsweise rechtlich und tatsächlich zu individualisieren vermöge. Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsbeantwortung erweist sich hingegen als verspätet, weil die vierwöchige Frist bereits am 23. 6. 2003 endete (Zustellung der Gleichschrift der Revision am 26. 5. 2003) und der Schriftsatz erst am 24. 6. 2003 zur Post gegeben wurde.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des Klägers besteht keine Veranlassung, die Entscheidung im Aufteilungsverfahren dahin zu interpretieren, dass die Beklagte dem Kläger Zahlungen auf die im Mai 1996 offenen Verbindlichkeiten ohne Rücksicht darauf zu vergüten hätte, ob diese vor oder nach dem für die Entscheidung im Aufteilungsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt - dem Schluss der Verhandlung in der Tagsatzung vom 13. 3. 2000 - geleistet wurden. Auch wenn es zutrifft, dass die Entscheidungsgründe in gewissem Umfang zur Auslegung des Tenors herangezogen werden können (vgl dazu nur Rechberger in Rechberger2, Rz 10 zu § 411 ZPO mwN), so kann dies doch nie dazu führen, dass dadurch die Entscheidung einen Inhalt bekommt, der mit der Formulierung des Spruchs geradezu im Widerspruch steht.Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des Klägers besteht keine Veranlassung, die Entscheidung im Aufteilungsverfahren dahin zu interpretieren, dass die Beklagte dem Kläger Zahlungen auf die im Mai 1996 offenen Verbindlichkeiten ohne Rücksicht darauf zu vergüten hätte, ob diese vor oder nach dem für die Entscheidung im Aufteilungsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt - dem Schluss der Verhandlung in der Tagsatzung vom 13. 3. 2000 - geleistet wurden. Auch wenn es zutrifft, dass die Entscheidungsgründe in gewissem Umfang zur Auslegung des Tenors herangezogen werden können vergleiche dazu nur Rechberger in Rechberger2, Rz 10 zu Paragraph 411, ZPO mwN), so kann dies doch nie dazu führen, dass dadurch die Entscheidung einen Inhalt bekommt, der mit der Formulierung des Spruchs geradezu im Widerspruch steht.

Im vorliegenden Fall wurde ausgesprochen, dass die Beklagte sämtliche mit der Liegenschaft in Zusammenhang stehenden "offenen" Verbindlichkeiten bei bestimmten Gläubigern zu übernehmen und den Antragsgegner klag- und schadlos zu halten hat. Dies kann sich vernünftigerweise nur auf die zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt noch bestehenden Verbindlichkeiten beziehen, zumal es sinnwidrig wäre, die Beklagte auch im Hinblick auf Verbindlichkeiten zur Klag- und Schadloshaltung zu verpflichten, die gar nicht mehr bestehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Gerichte im Aufteilungsverfahren grundsätzlich vom Vermögensstatus zu einem bestimmten Stichtag ausgegangen sind und den Vermögens- bzw Schuldenstand zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht eigens festgestellt haben. Dies beruht ersichtlich auf der Feststellung im Aufteilungsverfahren, dass der Kläger nach dem Mai 1996 seine Zahlungen an die C***** eingestellt und danach nur noch die Beklagte (regelmäßig) Kreditraten zurückgezahlt hat. Ausgehend davon war es nicht erforderlich, den genauen Stand der von der Beklagten zu übernehmenden Verbindlichkeiten - insbesondere auch des nunmehr strittigen Kredits - festzustellen, da der Beklagten die Begleichung der noch offenen Verbindlichkeiten aufgetragen wurde und es für die Rechtsposition des Klägers unerheblich war, in welchem Ausmaß in der Zwischenzeit Rückzahlungen durch die Beklagte erfolgten. Sollte der Kläger die im Aufteilungsverfahren getroffene Feststellung darüber, dass er nach Mai 1996 keine Rückzahlungen mehr an die genannte Bank geleistet hat, als unrichtig ansehen, wäre es an ihm gelegen, diese bereits damals zu bekämpfen. Veranlassung dazu hätte er auch im Hinblick darauf gehabt, dass die Beklagte im Aufteilungsverfahren in der Tagsatzung vom 13. 3. 2000 Urkunden über die aktuellen Kontostände vorlegte, deren Richtigkeit der Kläger zugestand (AS 279 f im Akt 9 F 20/97f des Bezirksgerichts Schwechat). Sollte der hier strittige Kredit im Sinne der Behauptungen der Beklagten bereits bei Schluss der Verhandlung im Aufteilungsverfahren zurückgezahlt gewesen sein, liefe die Rechtsauffassung des Klägers darauf hinaus, die Entscheidung im Aufteilungsverfahren insoweit "umzudeuten", als der Beklagten eine Ausgleichszahlung in Höhe des im Mai 1996 offenen Kreditbetrags auferlegt worden wäre. Dies ginge jedoch weit über eine Auslegung des Beschlusstenors durch Berücksichtigung der Entscheidungsgründe hinaus und käme auch deshalb nicht in Betracht, weil im Aufteilungsverfahren der Antrag des Klägers, der Beklagten eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen, verworfen wurde.

Der Kläger hat im bisherigen Verfahren die Behauptung der Beklagten, der fragliche Kredit sei bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung im Aufteilungsverfahren zur Gänze zurückgezahlt gewesen, nur pauschal bestritten und sich auf das unscharfe Vorbringen zurückgezogen, er habe die Verbindlichkeit "mittlerweile" zur Gänze zurückgezahlt. Die Frage, ob bzw inwieweit die Rückzahlung vor oder nach dem für die Entscheidung im Aufteilungsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt erfolgte, wird mit den Streitteilen zu erörtern und allenfalls in einem Beweisverfahren zu klären sein. Soweit Rückzahlungen vor dem maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt sind, kommt ein Anspruch des Klägers nicht in Betracht, da sich der im Aufteilungsverfahren an die Beklagte ergangene Befehl, die "offenen Verbindlichkeiten" zur Alleinzahlung zu übernehmen und den Kläger klag- und schadlos zu halten, nur auf jene Schulden beziehen kann, die zu jenem Zeitpunkt noch bestanden haben. Bereits getilgte Verbindlichkeiten können nicht Gegenstand eines Beschlusses über die Zuweisung von Schulden im ehelichen Aufteilungsverfahren sein. Auf die weitere Einwendung, die Verbindlichkeit stehe nicht im Zusammenhang mit der vormals ehelichen Liegenschaft, wäre nur einzugehen, wenn ihr keine bindenden Tatsachenfeststellungen im Aufteilungsverfahren entgegenstehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E70217 9Ob59.03x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0090OB00059.03X.0709.000

Dokumentnummer

JJT_20030709_OGH0002_0090OB00059_03X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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