TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2005/20/0391

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Veröffentlicht am 25.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des J K O (geboren 1986) in W, vertreten durch Mag. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. März 2005, Zl. 258.292/0-XIV/08/05, betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gelangte am 3. April 2003 in das Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 2. April 2004 gab er zusammengefasst an, dass er die Stellung eines Oberpriesters in seinem Heimatdorf hätte annehmen sollen. Da er sich geweigert habe, werde er von den Dorfbewohnern gesucht und befürchte, von diesen geopfert zu werden. Er habe sich auch an die Polizei gewandt, diese habe ihn aber wieder an die Dorfbewohner "übergeben". Obwohl er schließlich aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei, hätte man ihn "in Nigeria überall finden können". Auch als er nach Lagos gegangen sei, hätten ihn die Dorfbewohner dort gefunden, in Nigeria könnten sie ihn "überall finden".

Das Bundesasylamt hat den Asylantrag mit Bescheid vom 8. Februar 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und zugleich festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) zulässig sei (Spruchpunkt II.). Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Das Bundesasylamt traf einerseits Feststellungen zur allgemeinen Situation in Nigeria, führte aber andererseits aus, das "Vorbringen des Antragstellers" werde "dem Verfahren als zu beurteilender Sachverhalt zu Grunde gelegt". Der Beschwerdeführer habe vom Staat nicht geduldete Übergriffe bzw. Bedrohungen durch Privatpersonen behauptet, eine generelle Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit des nigerianischen Staates liege nicht vor und es bestehe überdies die Möglichkeit, "durch einen Umzug innerhalb Nigerias Nachstellungen privater Personen zu entgehen".

Der Beschwerdeführer erhob gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung.

Diese wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde "gem. §§ 7, 8 (1) und (2) AsylG" abgewiesen.

Über die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat die Berufung des Beschwerdeführers ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung abgewiesen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, das Bundesasylamt sei "aufgrund schlüssiger Beweiswürdigung zum Ergebnis (gekommen), dass dem Vorbringen des (Beschwerdeführers) keine Asylrelevanz zukommt, da die Bedrohung durch Private nicht als individuelle Verfolgung durch staatliche Gewalt im Sinne der GFK gewertet werden kann". Eine individuelle, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung des Staates oder eine Bedrohung im Sinne des § 57 FrG habe dieser jedoch "im gesamten Verfahren nicht aufzeigen können". Die belangte Behörde schließe sich daher den Ausführungen des Bundesasylamtes an und erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

Die belangte Behörde hat damit, soweit sie auf das Ergebnis der "Beweiswürdigung" des Bundesasylamtes Bezug nimmt, verkannt, dass das Bundesasylamt keine Beweiswürdigung vorgenommen, sondern vielmehr ausgeführt hat, das "Vorbringen des Antragstellers" werde "dem Verfahren als zu beurteilender Sachverhalt zu Grunde gelegt".

Darüber hinaus widerspricht die Ansicht der belangten Behörde, zur Asylgewährung bedürfe es einer "Verfolgungshandlung des Staates", dem Gesetz (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0483 (Punkt 3. der Entscheidungsgründe), und vom 26. Juli 2005, Zl. 2005/20/0278). Dies ist im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer von nichtstaatlichen Akteuren gesetzte Handlungen als Fluchtgründe geltend macht, auch nicht bedeutungslos. Überdies hat die belangte Behörde übersehen, dass der Beschwerdeführer - dessen Vorbringen das Bundesasylamt dem erstinstanzlichen Bescheid vorgeblich zu Grunde gelegt hat - auch behauptet hatte, er sei von der Polizei, an die er sich um Hilfe gewandt habe, den ihn verfolgenden Dorfbewohnern wieder "übergeben" worden.

Überdies widerspricht die unveränderte Bestätigung des erstinstanzlichen Ausspruches über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) dem Gesetz, weil die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den hinsichtlich § 8 Abs. 1 AsylG in Prüfung gezogenen Staat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das - nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangene - hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Da auch in Bezug auf den Asylteil des angefochtenen Bescheides eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vorliegt, war dieser zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. April 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005200391.X00

Im RIS seit

26.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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