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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Berger und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des B O in W, geboren 1982, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Oktober 2005, Zl. 252.663/3-II/04/05, betreffend §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insoweit damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 23. Dezember 2002 einen Asylantrag. Zu seinen Fluchtgründen brachte er in dem von ihm anlässlich der Stellung des Asylantrages ausgefüllten Formular vor, "muslim people" wollten ihn töten. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11. August 2004 sagte er aus, seine Mutter, die im Norden Nigerias gelebt habe, sei bei Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen wahrscheinlich umgebracht worden. Er selbst habe sich nie im Norden Nigerias aufgehalten, sondern in Aba (im Süden Nigerias) gelebt und dort auf dem Markt gearbeitet. Im "Februar oder März 2000" bzw. "März oder April 2000" habe die Polizei nach ihm sowie anderen Jugendlichen gesucht, weil diesen vorgeworfen worden sei, Angehörige der Haussa umgebracht und eine Moschee zerstört zu haben. Er sei damals von Aba nach Lagos gegangen und habe sich dort bis zu seiner Ausreise Ende November 2002 aufgehalten, wo er "von Mitgliedern der Kirchengemeinde betreut" worden sei. Auf die Frage, warum er Lagos nach einem Aufenthalt von über zwei Jahren verlassen habe, brachte der Beschwerdeführer vor: "Leute der Polizei kamen zur Kirche und haben nach mir gefragt. (...) Ich war zum Glück nicht in der Kirche aufhältig, sondern in einem Nachbarhaus. Der Mann, bei dem ich gewohnt habe, sagte zu mir, dass ich das Land verlassen solle".
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. August 2004 wurde der Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. idF der AsylG-Novelle 2003 (AsylG) für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AslyG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt qualifizierte das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig.
Die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 7 "bzw. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG" ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es könne "jede nähere Auseinandersetzung mit dem Gefährdungsvorbringen des Berufungswerbers schon auf der Basis von dessen Vorbringen, sich von April 2000 bis November 2002 in Lagos aufgehalten zu haben, unterbleiben". Schon auf Grundlage des Vorbringens seien daher keine Anhaltspunkte für ein Zutreffen der Befürchtungen des Beschwerdeführers, in Nigeria inhaftiert zu werden, gegeben. An jenem Ort, an dem seine Mutter getötet worden sein könnte, habe sich der Beschwerdeführer "niemals aufgehalten", sodass dort bestehende Probleme auf ihn "nicht durchschlagen" könnten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die belangte Behörde ist - anders als die Behörde erster Instanz - nicht von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ausgegangen, sondern hat ausgeführt, es könne "jede nähere Auseinandersetzung mit dem Gefährdungsvorbringen des (Beschwerdeführers) schon auf der Basis von dessen Vorbringen, sich von April 2000 bis November 2002 in Lagos aufgehalten zu haben, unterbleiben", weil sich daraus ergebe, "dass die von ihm für den davor liegenden Zeitraum geschilderte Nachforschung der Polizei in Aba (...) jedenfalls in Lagos keine nachteiligen Konsequenzen gehabt habe". Dabei hat die belangte Behörde aber übersehen, dass der Beschwerdeführer vorgebracht hat, dass eine polizeiliche Suche nicht nur in Aba stattgefunden habe, sondern dass auch in Lagos "Leute der Polizei" zur Kirche gekommen seien und nach ihm "gefragt" hätten, worauf er beschlossen habe, zu flüchten.
Die belangte Behörde ist somit nur vorgeblich vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen und hat bei ihrer rechtlichen Beurteilung den zuvor genannten Vorbringensteil ausgeblendet, ohne diesen - entweder auf Grund eigener Beweiswürdigung oder auf Grund einer Übernahme der Feststellungen des Bundesasylamtes - als unglaubwürdig qualifiziert zu haben. Indem die belangte Behörde auf diesen Vorfall, der nach den Behauptungen des Beschwerdeführers der unmittelbare Anlass seiner Flucht gewesen sein soll, nicht eingegangen ist, ist die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig.
Soweit die Berufung gegen die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde, war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2. Bei der unveränderten Bestätigung des erstinstanzlichen Ausspruches über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den hinsichtlich § 8 Abs. 1 AsylG in Prüfung gezogenen Staat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Es war daher die Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 25. April 2007
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005200571.X00Im RIS seit
26.06.2007