TE OGH 2003/8/1 1Ob165/03a

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Veröffentlicht am 01.08.2003
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Stadtgemeinde M***** und 2. Stadtgemeinde B*****, beide vertreten durch G***** reg GenmbH, ***** vertreten durch Arnold Rechtsanwaltschafts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei W***** GmbH Wien, ***** vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung (Streitwert jeweils 34.156,23 EUR) infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2003, GZ 2 R 179/02m-18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. April 2002, GZ 33 Cg 50/01d-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, jeder der klagenden Parteien deren jeweils mit 930,60 EUR (darin 155,10 EUR an USt) bestimmte Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Republik Österreich ist mit mehr als 99 % des Stammkapitals Mehrheitsgesellschafterin der beklagten Partei; die beiden klagenden Stadtgemeinden waren Minderheitsgesellschafterinnen mit einem Geschäftsanteil von je 1.000,-- S.

Am 5. Jänner 2001 fand eine Aufsichtsratssitzung der beklagten Partei statt, in der über den Antrag der klagenden Parteien auf Genehmigung der Abtretung ihrer Geschäftsanteile an die G***** reg GenmbH abgestimmt wurde. Drei Aufsichtsratsmitglieder stimmten für den Antrag, eines - das mit einem nur von der Mehrheitsgesellschafterin unterfertigten Umlaufbeschluss zu einem Mitglied des Aufsichtsrats bestellt worden war - im eigenen Namen sowie als Vertreter zweier weiterer Aufsichtsratsmitglieder dagegen. Im Protokoll wurde das Abstimmungsergebnis mit 3 : 3 und damit die Ablehnung des Antrags festgehalten. Mit Notariatsakt vom 10. Jänner 2001 traten die klagenden Parteien ihre Geschäftsanteile an die genannte Genossenschaft ab. Die Landesregierung erteilte dazu ihre Zustimmung.

Am 23. Jänner 2001 fand eine außerordentliche Generalversammlung der beklagten Partei statt, deren (am 9. Jänner 2001 zur Post gegebene) Einladung folgende Tagesordnungspunkte enthielt:

"1. Änderung des § 14 des Gesellschaftsvertrages;

Übertragung von Geschäftsanteilen

2. Änderungen im Aufsichtsrat"

Bei der Generalversammlung wurde in Abwesenheit der Erstklägerin mit den Stimmen der Hauptgesellschafterin beschlossen,

A) dem § 14 des Gesellschaftsvertrages der beklagten Partei einen Abs 2 anzuschließen, wonach die Übertragung von Geschäftsanteilen an die Zustimmung der Generalversammlung gebunden ist;

B) 1. die Bestellung von Franz K*****, Godwin S***** und Otto S***** zu Aufsichtsräten der Gesellschaft zu widerrufen und dieselben als Aufsichtsräte abzuberufen;

2. Dr. Michael F***** auf die restliche Funktionsperiode als Aufsichtsrat in die Gesellschaft zu berufen;

3. Dr. Wilfried T***** mit Wirkung vom 4. Jänner 2001 auf die restliche Funktionsperiode als Aufsichtsrat in die Gesellschaft zu berufen.

Die anwesende Zweitklägerin erhob gegen alle diese Beschlüsse Widerspruch zu Protokoll. Das Protokoll der Generalversammlung wurde am 30. Jänner an die Klägerinnen versandt.

Mit ihren beim Erstgericht am 28. Februar 2001 (Erstklägerin) bzw am 23. Februar 2001 (Zweitklägerin) eingebrachten Klagen begehrten die Klägerinnen die Nichtigerklärung der Beschlüsse der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei in den Punkten A) und B) (Erstklägerin) bzw in den Punkten A) und B) 3. in der Wortfolge "mit Wirkung vom 4. Jänner 2001", in eventu im Punkt 3. zur Gänze, in eventu im gesamten Punkt B) (Zweitklägerin). Die beiden Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerinnen brachten vor, die Hauptgesellschafterin der Beklagten betreibe den gesellschaftsschädlichen Verlust der Gemeinnützigkeit aus eigennützigen Gründen. Der Aufsichtsrat habe der Abtretung der Gesellschaftsanteile durch die klagenden Parteien in der Sitzung vom 5. Jänner 2001 mit 3 : 0 Stimmen die Zustimmung erteilt. Die protokollierten drei Gegenstimmen seien unwirksam, weil die Bestellung eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds vor der Sitzung nicht wirksam geworden sei. Die in der außerordentlichen Generalversammlung am 23. Jänner 2001 erfolgte rückwirkende Bestellung von Dr. T***** und die personellen Änderungen im Aufsichtsrat seien mangels rechtzeitiger Ladung und mangelnder Bestimmtheit der Ladung ebensowenig wirksam geworden wie die nachträgliche Einführung des Erfordernisses der Zustimmung der Generalversammlung. Eine rückwirkende Bestellung zum Aufsichtsrat widerspreche zwingenden Vorschriften des Gesetzes. Die Vinkulierung von Geschäftsanteilen an die Zustimmung der Generalversammlung sei im Anwendungsbereich des WGG gesetzwidrig. Die Klägerinnen seien ungeachtet der erfolgten Geschäftsanteilsübertragungen im Firmenbuch weiterhin als Gesellschafterinnen eingetragen und daher zur Anfechtung berechtigt.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Abtretung der Gesellschaftsanteile sei nicht wirksam erfolgt. Der Aufsichtsrat habe die erforderliche Zustimmung nicht erteilt; der Bescheid der Landesregierung sei rechtswidrig und beim Verwaltungsgerichtshof angefochten worden. Der Verhandlungsgegenstand für die außerordentliche Generalversammlung am 23. Jänner 2001 sei fristgerecht und inhaltlich ausreichend bestimmt bekanntgegeben worden. Die in der Generalversammlung gefassten Beschlüsse seien gesetzeskonform.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Einberufung der Generalversammlung sei nicht fristgerecht erfolgt, die Tagesordnungspunkte seien in der Einberufung nicht ausreichend spezifiziert gewesen, weshalb es den klagenden Parteien nicht möglich gewesen sei, sich auf die Generalversammlung vorzubereiten. Im Versuch der Hauptgesellschafterin, das Merkmal der Gemeinnützigkeit zu eliminieren, liege ein treuwidriges Verhalten bei der Stimmabgabe. Die nachträgliche Einführung einer Vinkulierungsklausel bedürfe der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter; ein Aufsichtsratsmitglied könne nicht rückwirkend bestellt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Einberufung zur außerordentlichen Generalversammlung sei nicht fristgerecht und unter mangelhafter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte erfolgt. § 12 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten normiere, dass Generalversammlungen "mit einer Frist von mindestens zwei Wochen ... einberufen" werden. Dies bedeute, dass zwischen einem hier nicht bestimmt bezeichneten Anfangstermin und dem Tag der Generalversammlung zwei Wochen liegen müssten. Die notwendige Nachprüfbarkeit der Einhaltung der Frist erfordere eine Berechnung nach vollen Tagen, sodass man nicht etwa die Sekunde der Einberufung, der Postaufgabe oder des Empfangs der Sendung der Sekunde des Beginns der Generalversammlung gegenüberstellen müsse. Zutreffend habe daher das Erstgericht die Regelung des § 38 Abs 1 GmbHG analog angewendet, wonach zwischen dem Tage der letzten Verlautbarung oder der Aufgabe der Sendung zur Post und dem Tage der Versammlung mindestens ein Zeitraum (nach dem Gesetzeswortlaut von 7, hier laut Gesellschaftsvertrag) von 14 Tagen liegen müsse. Demgemäß sei aber die Einberufung nicht fristgerecht erfolgt.

Zum Inhalt der Einladung bestimme § 12 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages, dass die Generalversammlungen "unter Mitteilung der Tagesordnung" einberufen werden. Wie konkret und detailliert diese Tagesordnung mitgeteilt werden müsse, sei dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen. Auch diesbezüglich sei auf die ausführliche und zutreffende Darstellung des Erstgerichts verwiesen, dass die beklagte Partei ihrer Verpflichtung nach § 38 Abs 2 GmbHG, den Zweck der Versammlung (Tagesordnung) "möglichst bestimmt" zu bezeichnen, nicht nachgekommen sei. Aus der Formulierung der Einladung sei weder erkennbar gewesen, ob die (ins Auge gefasste) Änderung des § 14 des Gesellschaftsvertrags eine Abänderung des bestehenden Textes, eine Ergänzung oder eine Streichung bedeuten solle, noch ob mit Änderungen im Aufsichtsrat Zuwahlen, Abwahlen oder beides gemeint gewesen seien.

Eine Verkürzung der Rechte der Gesellschafter sei durch den Generalversammlungsbeschluss insofern eingetreten, als für die Übertragung eines Geschäftsanteiles auch die Zustimmung der Generalversammlung erforderlich gemacht wurde. Darin liege aber keine Verletzung eines einem einzelnen Gesellschafter vertragsmäßig zugestandenen Individualrechtes, weshalb Einstimmigkeit zur Beschlussfassung nicht erforderlich sei. Eine rückwirkende Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds sei hingegen nicht möglich, weil sich nachträglich Abstimmungsquoren ändern und damit nichtige Beschlüsse sanktioniert werden könnten.

Die ordentliche Revision sei zulässig, "weil sowohl zur Klagslegitimation des im Firmenbuch noch nicht gelöschten Altgesellschafters als auch zur Berücksichtigung nach der Generalversammlung mit rückwirkender Kraft geänderter Gesetze und der rückwirkenden Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern" keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin sind die Klägerinnen trotz der Abtretung ihrer Geschäftsanteile zur Klage legitimiert. Gemäß § 78 Abs 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheint; die Klägerinnen galten also gemäß § 78 Abs 1 GmbHG bis zur Löschung im Firmenbuch der Beklagten gegenüber als deren Gesellschafterinnen und sind damit auch zur Anfechtung legitimiert (4 Ob 71/03 z). Die Klägerinnen wurden zu der Generalversammlung am 23. Jänner 2001 geladen, die Zweitklägerin auch zur Stimmabgabe zugelassen, weshalb es sachwidrig wäre, sie später, ohne relevante Sachverhaltsänderung, als nicht anfechtungsbefugt anzusehen (vgl auch Koppensteiner, GmbH-Gesetz2 § 78 Rz 6; 4 Ob 71/03z), zumal die in § 41 Abs 2 GmbH angeführten Voraussetzungen (nur) auf die klagenden Parteien, nicht aber auf deren Rechtsnachfolgerin zureffen. Die Rechtsansicht der beklagten Partei liefe darauf hinaus, allen als Gesellschaftern in Betracht kommenden (nachteilig betroffenen) Personen - Rechtsvorgängern und Rechtsnachfolgerin - die Anfechtung zu versagen.Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin sind die Klägerinnen trotz der Abtretung ihrer Geschäftsanteile zur Klage legitimiert. Gemäß § 78 Abs 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheint; die Klägerinnen galten also gemäß § 78 Abs 1 GmbHG bis zur Löschung im Firmenbuch der Beklagten gegenüber als deren Gesellschafterinnen und sind damit auch zur Anfechtung legitimiert (4 Ob 71/03 z). Die Klägerinnen wurden zu der Generalversammlung am 23. Jänner 2001 geladen, die Zweitklägerin auch zur Stimmabgabe zugelassen, weshalb es sachwidrig wäre, sie später, ohne relevante Sachverhaltsänderung, als nicht anfechtungsbefugt anzusehen vergleiche auch Koppensteiner, GmbH-Gesetz2 § 78 Rz 6; 4 Ob 71/03z), zumal die in § 41 Abs 2 GmbH angeführten Voraussetzungen (nur) auf die klagenden Parteien, nicht aber auf deren Rechtsnachfolgerin zureffen. Die Rechtsansicht der beklagten Partei liefe darauf hinaus, allen als Gesellschaftern in Betracht kommenden (nachteilig betroffenen) Personen - Rechtsvorgängern und Rechtsnachfolgerin - die Anfechtung zu versagen.

Einberufungsmängel, wie die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Fristenregelungen oder mangelhafte Spezifizierung der Tagesordnungspunkte, begründen nach § 41 Abs 1 Z 1 GmbH die Anfechtbarkeit des Beschlusses (SZ 47/70). Dass diese Mängel auf das Zustandekommen der angefochtenen Beschlüsse keinen Einfluss gehabt hätten, hat die beklagte Partei, die dafür behauptungs- und beweispflichtig wäre (SZ 9/242, GesRZ 1991, 98 ua), selbst nicht behauptet.

Fragen der Vertragsauslegung, somit auch solche der Auslegung von Gesellschaftsverträgen, sind regelmäßig keine solchen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sofern dem Berufungsgericht nicht eine grobe Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, was hier nicht der Fall ist. Es liegt vielmehr durchaus nahe, die Regelung in § 12 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags, wonach "die Generalversammlungen mit einer Frist von mindestens zwei Wochen ... einberufen werden", gemeinsam mit § 38 Abs 1 GmbHG zu lesen, der anordnet, dass zwischen dem Tag der ... Aufgabe der Sendung zur Post und dem Tag der Versammlung ein Zeitraum von mindestens sieben Tagen liegen muss. Die gesetzliche Regelung bringt klar zum Ausdruck, dass der Tag der Absendung und der Versammlungstag in diese Frist nicht einzurechnen sind, sodass zwischen diesen beiden Tagen ein Zeitraum von sieben ganzen Kalendertagen liegen muss. Wird diese Frist nun zulässigerweise (SZ 54/15 ua) auf 14 Tage verlängert, so darf die Generalversammlung, rechnet man den Tag der Postaufgabe mit, erst am 16. Tag stattfinden. Im vorliegenden Fall wurde die Generalversammlung aber bereits zwei Tage früher abgehalten.

Auch bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der "möglichst bestimmten" Bezeichnung des Zwecks der Versammlung (Tagesordnung) im Sinne des § 38 Abs 2 GmbHG ist den Vorinstanzen keine grobe Fehlbeurteilung vorzuwerfen. Der Zweck der genannten Bestimmung liegt zweifellos darin, die Gesellschafter möglichst genau darüber zu informieren, was bei der Versammlung verhandelt oder beschlossen werden soll, damit er seine Vorbereitungen entsprechend einzurichten imstande ist. Das Gebot möglichst präziser Umschreibung der Tagesordnungspunkte ist, weil für einen geordneten Willensbildungsprozess unentbehrlich, insbesondere aber auch aus Gründen des Minderheitenschutzes, als zwingend aufzufassen (vgl dazu nur Koppensteiner, Kommentar zum GmbHG2, Rz 5 zu § 38 GmbHG mwN). Auch wenn es nicht erforderlich ist, allen Gesellschaftern den vollständigen Text allenfalls vorliegender Beschlussanträge bekanntzugeben, muss doch stets, der wesentliche Inhalt der Anträge (zu beabsichtigten Satzungsänderungen siehe etwa SZ 64/191 = EvBl 1992/103) offengelegt werden; regelmäßig reicht es daher nicht aus, bloß auf eine beabsichtigte Satzungsänderung hinzuweisen, auch wenn dabei die abzuändernde Bestimmung erwähnt wird. War nun im vorliegenden Fall eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in dem Sinn beabsichtigt, dass die Abtretung von Geschäftsanteilen künftig nur mit Zustimmung der Generalversammlung zulässig sein soll, so kann die Beurteilung der Vorinstanzen, die Schlagworte in der Einladung "Änderung des § 14 des Gesellschaftsvertrages; Übertragung von Geschäftsanteilen" stellten keine hinreichende Information dar, nicht als bedenklich angesehen werden. Gleiches gilt für eine rückwirkende Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, wenn der Tagesordnungspunkt lediglich "Änderungen im Aufsichtsrat" lautete, ohne dass auf die Absicht einer (ungewöhnlichen) Bestellung mit Wirkung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt hingewiesen wurde.Auch bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der "möglichst bestimmten" Bezeichnung des Zwecks der Versammlung (Tagesordnung) im Sinne des § 38 Abs 2 GmbHG ist den Vorinstanzen keine grobe Fehlbeurteilung vorzuwerfen. Der Zweck der genannten Bestimmung liegt zweifellos darin, die Gesellschafter möglichst genau darüber zu informieren, was bei der Versammlung verhandelt oder beschlossen werden soll, damit er seine Vorbereitungen entsprechend einzurichten imstande ist. Das Gebot möglichst präziser Umschreibung der Tagesordnungspunkte ist, weil für einen geordneten Willensbildungsprozess unentbehrlich, insbesondere aber auch aus Gründen des Minderheitenschutzes, als zwingend aufzufassen vergleiche dazu nur Koppensteiner, Kommentar zum GmbHG2, Rz 5 zu § 38 GmbHG mwN). Auch wenn es nicht erforderlich ist, allen Gesellschaftern den vollständigen Text allenfalls vorliegender Beschlussanträge bekanntzugeben, muss doch stets, der wesentliche Inhalt der Anträge (zu beabsichtigten Satzungsänderungen siehe etwa SZ 64/191 = EvBl 1992/103) offengelegt werden; regelmäßig reicht es daher nicht aus, bloß auf eine beabsichtigte Satzungsänderung hinzuweisen, auch wenn dabei die abzuändernde Bestimmung erwähnt wird. War nun im vorliegenden Fall eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in dem Sinn beabsichtigt, dass die Abtretung von Geschäftsanteilen künftig nur mit Zustimmung der Generalversammlung zulässig sein soll, so kann die Beurteilung der Vorinstanzen, die Schlagworte in der Einladung "Änderung des § 14 des Gesellschaftsvertrages; Übertragung von Geschäftsanteilen" stellten keine hinreichende Information dar, nicht als bedenklich angesehen werden. Gleiches gilt für eine rückwirkende Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, wenn der Tagesordnungspunkt lediglich "Änderungen im Aufsichtsrat" lautete, ohne dass auf die Absicht einer (ungewöhnlichen) Bestellung mit Wirkung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt hingewiesen wurde.

Da sich bereits aus den vorstehenden Erwägungen die Unzulässigkeit der Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ergibt, muss auf die weiteren in der Revision angesprochenen Fragen nicht mehr eingegangen werden. Ist nämlich die Auffassung, die angefochtenen Beschlüsse seien schon aus formellen Gründen unwirksam, unbeachtlich, stellen sich Fragen nach deren inhaltlicher Zulässigkeit nicht mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die klagenden Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision jeweils hingewiesen, sodass sich ihre Schriftsätze an sich als zweckmäßige Rechtsverfolgungsmaßnahmen darstellen. Die gesonderte Erstattung zweier weitgehend inhaltsgleicher Schriftsätze erscheint jedoch entbehrlich. Der gemeinsame Prozessvertreter der klagenden Parteien hätte den Kostenaufwand durch die Erstattung einer einzigen Revisionsbeantwortung ohne jeden Nachteil gering halten können. Dem Kostenzuspruch ist daher das (fiktive) Honorar für nur einen Schriftsatz nach TP 3C RATG zuzüglich 10 % Streitgenossenzuschlag zugrunde zu legen.

Textnummer

E70355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00165.03A.0801.000

Im RIS seit

31.08.2003

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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