TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2004/08/0042

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Veröffentlicht am 25.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §412;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §47;
VwGG §48;
VwGG §49;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/08/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard sowie Senatspräsident Dr. Müller und Hofrat Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden der O - W Gesellschaft mbH in N, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich a) vom 12. Jänner 2004, Zl. SV(SanR)-410737/6-2004-Bb/May (hg. Zl. 2004/08/0042), sowie b) vom 12. Jänner 2004, Zl. SV(SanR)- 410737/7-2004-Bb/May (hg. Zl. 2004/08/0043), jeweils betreffend Beitragsnachverrechnung und Vorschreibung eines Beitragszuschlages (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde zu Zl. 2004/08/0042 wird als unbegründet abgewiesen.

Der zu Zl. 2004/08/0043 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 829,57 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. November 2000 wurden dem Beschwerdeführer zur hg. Zl. 2004/08/0040, Roman O (R.O.), (vgl. das Erkenntnis vom 21. Februar 2007) als Ergebnis einer Beitragsprüfung allgemeine Beiträge in der Höhe von S 599.917,50 sowie ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 80.300,--, sohin gesamt S 680.217,50 (EUR 49.433,33), vorgeschrieben. Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass R.O. als Dienstgeber Pflichtversicherte nicht, unrichtig oder mit einem zu niedrigen Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet habe. Die Namen der Pflichtversicherten, die Zeiträume der Pflichtversicherung sowie die Höhe der Beitragsgrundlagen waren auf einer dem Bescheid angeschlossenen Beitragsrechnung im Detail angeführt.

R.O. erhob - vertreten durch eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft - Einspruch gegen diesen Bescheid, den er wie folgt begründete:

"Bei der Betriebsprüfung handelt es sich, wie auch bei der Beitragsprüfung, nur um geschätzte Beträge. Da das Betriebsprüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, ersuchen wir um aufschiebende Wirkung bis zum Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens."

Der Einspruch des R.O. wurde von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemeinsam mit einem Einspruch der in diesem Verfahren als Beschwerdeführerin auftretenden Gesellschaft (in der nach den Verwaltungsakten R.O. Gesellschafter und Geschäftsführer war) sowie einem Einspruch von "Roman O und Karl-Heinz W", jeweils gegen Bescheide vom selben Tag, in denen diese als Dienstgeber auf Grund einer gemeinsamen Betriebsprüfung ebenfalls zu Beitragsnachzahlungen und zur Zahlung von Beitragszuschlägen verpflichtet wurden, an die belangte Behörde übermittelt.

Die belangte Behörde hat in der Folge das Vorlageschreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse (nur) der beschwerdeführenden Gesellschaft zugestellt. Dabei hat die belangte Behörde ausdrücklich auf alle drei am selben Tag erlassenen Bescheide unter Angabe der Dienstgeber-Kontonummer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Bezug genommen und die beschwerdeführende Gesellschaft eingeladen, sich innerhalb einer Frist von vier Wochen zur Einspruchsbeantwortung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu äußern.

In der Folge hat die Wirtschaftstreuhandgesellschaft, welche alle drei Dienstgeber im Verfahren vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sowie vor der belangten Behörde vertreten hat - wiederum unter Bezugnahme auf alle drei Kontonummern, jedoch unter der ausschließlichen Absenderangabe der beschwerdeführenden Gesellschaft "O-W GmbH", in der Sache dahingehend Stellung genommen, dass mit der Finanzverwaltung eine Besprechung bezüglich der Umsatzzuschätzungen stattfinden werde, wobei "mit Sicherheit die zugeschätzten Umsätze herabgesetzt" würden. Mit Schreiben vom 15. April 2002 legte die von der Wirtschaftstreuhandgesellschaft vertretene beschwerdeführende Gesellschaft eine von der Finanzverwaltung mit R.O. aufgenommene Niederschrift vom 14. März 2002 vor, in der unter anderem die von der Finanzverwaltung vorgenommenen Schätzungen teilweise als unstrittig bezeichnet wurden. Im Schreiben an die belangte Behörde hielt die beschwerdeführende Gesellschaft dazu fest, dass die zugeschätzten Beträge erheblich reduziert worden seien, "sodass beispielsweise die Steuernachzahlung bei der Einzelfirma (R.O.) statt EUR 617.000,-- nur mehr EUR 35.000,-- beträgt".

Mit Schreiben vom 9. September 2003 nahm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu den vorgelegten Unterlagen Stellung.

Mit Bescheid vom 12. Jänner 2004 hat die belangte Behörde den Einspruch des R.O. abgewiesen und den ihn betreffenden Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Sie hielt die Schätzung der Gebietskrankenkasse für rechtmäßig. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 2007, Zl. 2004/08/0040, als unbegründet abgewiesen.

Ferner erliess der Landeshauptmann zwei weitere mit 12. Jänner 2004 datierte Einspruchsbescheide, mit denen Einsprüche gegen die weiteren erstinstanzlichen Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgewiesen wurden: In einem Bescheid geschah dies unter Bezugnahme auf den an die beschwerdeführende Gesellschaft gerichteten Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. November 2000, worin die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen in der Höhe von S 731.449,10 und eines Beitragszuschlages von S 89.800,-- ausgesprochen worden war; gegen diesen Einspruchsbescheid richtet sich die zu Zl. 2004/08/0042 protokollierte, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

In einem weiteren Bescheid wurde der Einspruch gegen einen (vermeintlich ebenfalls) an die beschwerdeführende Partei gerichteten Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. November 2000 abgewiesen, mit welchem - so die belangte Behörde - diese als Dienstgeber verpflichtet worden sei, allgemeine Beiträge von S 438.171,30 und einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 83.100,-- zu entrichten; gegen diesen Einspruchsbescheid richtet sich die zu Zl. 2004/08/0043 protokollierte, "Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften", der Sache nach jedoch in erster Linie auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine gemeinsame Gegenschrift zu den vorliegenden Beschwerde sowie zur Beschwerde des R.O. zu Zl. 2004/08/0040, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte. Auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine gemeinsame Gegenschrift in diesen drei Verfahren mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der zu hg. Zl. 2004/08/0042 angefochtene Bescheid und die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gleichen jeweils in Sachverhalt und Begründung dem zu Zl. 2004/08/0040 betreffend R.O. bereits entschiedenen Beschwerdefall. Diese Beschwerde ist daher aus den im Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2004/08/0040, genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen; auf die Entscheidungsgründe jenes Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

2. Die Beschwerde zu hg. Zl. 2004/08/0043 ist hingegen hinsichtlich ihrer Rechtsrüge, die belangte Behörde habe den falschen Dienstgeber zur Zahlung verpflichtet, begründet:

Die belangte Behörde hat nämlich in der Tat übersehen, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 28. November 2000 die allgemeinen Beiträge von S 438.171,30 und den Beitragszuschlag von S 83.100,-- nicht der beschwerdeführenden Gesellschaft (einer GmbH), sondern an Roman O und Karl-Heinz W als Gesellschafter (und damit Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG) einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der (Etablissement-) Bezeichnung "L-V" - so wird sie jedenfalls im Kopf des erstinstanzlichen Bescheides bezeichnet - vorgeschrieben hat, die nach der Aktenlage (vertreten durch dieselbe Wirtschaftstreuhandgesellschaft) auch Einspruch erhoben haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt ein Berufungsbescheid zur Gänze an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 66 AVG, E 321 ff wiedergegebene Rechtsprechung); diese von der Rechtsprechung aus der Anordnung des § 66 Abs. 4 AVG abgeleitete Rechtsfolge tritt auch bei der Erledigung von Einsprüchen im Sinne des § 412 ASVG in ganz gleicher Weise ein, zumal auch der Landeshauptmann § 66 Abs. 4 AVG anzuwenden hat.

Dadurch dass die belangte Behörde im angefochtenen Einspruchsbescheid den erstinstanzlichen Bescheid als gegen die beschwerdeführende Gesellschaft gerichtet bezeichnet und diesen Bescheid sowohl im Kopf als auch in der Zustellverfügung ausdrücklich an diese adressiert hat, verpflichtete sie - in Ersetzung des erstinstanzlichen Bescheides - die beschwerdeführende Partei nicht nur zur Zahlung von Beiträgen, die (zumindest nach Auffassung der Gebietskrankenkasse, welcher die belangte Behörde aber in der Begründung des zu Zl. 2004/08/0043 angefochtenen Bescheides mit keinem Wort entgegentritt) andere Dienstgeber schulden, sondern sie hat zu Lasten der beschwerdeführenden Partei im Einspruchsverfahren unzulässigerweise die zur Zahlung der genannten Beiträge und Zuschläge verpflichtete Partei ausgewechselt und damit überdies die Sache des Einspruchsverfahrens überschritten.

Dies räumt auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift ein, meint aber, dass "dieser formale Fehler ... bereinigt" sei, da sämtliche drei Bescheide an dieselbe (vertretungsweise für alle Dienstgeber eingeschrittene) Wirtschaftstreuhandgesellschaft übermittelt worden seien und daher "die Zuordnung durchaus möglich war". Es genügt, dieser Auffassung entgegenzuhalten, dass ein Bescheid nur gegen seinen Adressaten vollstreckt werden kann und dass es daher für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides darauf ankommt, dass dieser Adressat im Bescheid ausdrücklich und richtig bezeichnet wird. Der Umstand, dass zwei Parteien vom selben Parteienvertreter vertreten werden, mag die Zustellung erleichtern, bedeutet aber nicht, dass es wegen des gemeinsamen Parteienvertreters auf den Adressaten der im Bescheid enthaltenen normativen Anordnung nicht mehr ankäme.

Der zu Zl. 2004/08/0043 angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, wobei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Kosten nicht verzeichnet hat. Der Aufwand für die Erstattung der Gegenschrift der belangten Behörde war in Ansehung der gemeinsam erstatteten Gegenschrift auf die jeweils davon betroffenen Verfahren aufzuteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2003, Zl. 2002/17/0104; und jenes vom 21. Februar 2007, Zl. 2004/08/0040). Die beschwerdeführende Partei war daher aufgrund der Abweisung ihrer Beschwerde zu Zl. 2004/08/0042 nur zu verpflichten, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 161,63 (für anteiligen Schriftsatzaufwand und für die Aktenvorlage) zu ersetzen, wohingegen der Bund zu verpflichten war, der beschwerdeführenden Gesellschaft im Verfahren Zl. 2004/08/0043 Ersatz für Schriftsatzaufwand in der Höhe von EUR 991,20 zu leisten. Der beschwerdeführenden Partei war daher insgesamt ein Aufwandersatz von EUR 829,57 zuzusprechen. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei war wegen der sachlichen Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 25. April 2007

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004080042.X00

Im RIS seit

23.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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