Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20-22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 49.760,57 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2003, GZ 1 R 511/02x-13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 19. August 2002, GZ 1 C 372/01i-9, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.791,05 EUR (darin 298,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist eine am 14. Mai 2001 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachte Verbandsklage nach § 55 Abs 4 JN. Die klagende Partei, ein Verband nach § 29 KSchG, macht in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende, von 32 Kreditnehmern ihr zur Geltendmachung gegen eine Bank abgetretene und jeweils 130.000 S nicht übersteigende Geldansprüche (aus Zinsanpassungsklauseln) geltend.Gegenstand des Verfahrens ist eine am 14. Mai 2001 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachte Verbandsklage nach Paragraph 55, Absatz 4, JN. Die klagende Partei, ein Verband nach Paragraph 29, KSchG, macht in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende, von 32 Kreditnehmern ihr zur Geltendmachung gegen eine Bank abgetretene und jeweils 130.000 S nicht übersteigende Geldansprüche (aus Zinsanpassungsklauseln) geltend.
Das Erstgericht wies nach Streitanhängigkeit über Einrede der beklagten Partei die Klage als "unzulässig" zurück; es scheine zwar zunächst der Fall des § 227 Abs 1 ZPO vorzuliegen, zumal für alle Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Verfahrensart zulässig sei. Würden die Kreditnehmer ohne Vornahme einer Abtretung an die klagende Partei eine gemeinsame Klageführung erwägen, wäre dies nicht zulässig, weil weder eine materielle (§ 11 Z 1 ZPO) noch eine formelle Streitgenossenschaft (§ 11 Z 2 ZPO) vorliege. Die einzelnen Kreditverhältnisse seien selbständige Rechtsverhältnisse, die durchaus unterschiedlich ausgestaltet seien, wie schon die Anzahl der verwendeten unterschiedlichen Klauseln und die Laufzeiträume deutlich zeigten. Im Licht des mit § 11 ZPO maßgeblich verfolgten Zwecks der Prozessökonomie könne man dann nicht mehr von gleichartigen Ansprüchen sprechen, wenn für die Prüfung jedes Anspruchs ein eigenes Beweisverfahren notwendig sei und zwischen allen Ansprüchen nur mehr eine ganz lockere Verbindung bestehe. Es liege nun auf der Hand, dass die dargestellten Erwägungen der Prozessökonomie auch dann gelten müssten, wenn die verschiedenen, nicht gleichartigen Ansprüche so wie hier im Weg der Abtretung auf einen Kläger übertragen würden, sodass rein formal kein Fall der subjektiven Klagenhäufung mehr vorliege. In diesem Sinn sei § 227 Abs 1 ZPO hier teleologisch einzuschränken.Das Erstgericht wies nach Streitanhängigkeit über Einrede der beklagten Partei die Klage als "unzulässig" zurück; es scheine zwar zunächst der Fall des Paragraph 227, Absatz eins, ZPO vorzuliegen, zumal für alle Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Verfahrensart zulässig sei. Würden die Kreditnehmer ohne Vornahme einer Abtretung an die klagende Partei eine gemeinsame Klageführung erwägen, wäre dies nicht zulässig, weil weder eine materielle (Paragraph 11, Ziffer eins, ZPO) noch eine formelle Streitgenossenschaft (Paragraph 11, Ziffer 2, ZPO) vorliege. Die einzelnen Kreditverhältnisse seien selbständige Rechtsverhältnisse, die durchaus unterschiedlich ausgestaltet seien, wie schon die Anzahl der verwendeten unterschiedlichen Klauseln und die Laufzeiträume deutlich zeigten. Im Licht des mit Paragraph 11, ZPO maßgeblich verfolgten Zwecks der Prozessökonomie könne man dann nicht mehr von gleichartigen Ansprüchen sprechen, wenn für die Prüfung jedes Anspruchs ein eigenes Beweisverfahren notwendig sei und zwischen allen Ansprüchen nur mehr eine ganz lockere Verbindung bestehe. Es liege nun auf der Hand, dass die dargestellten Erwägungen der Prozessökonomie auch dann gelten müssten, wenn die verschiedenen, nicht gleichartigen Ansprüche so wie hier im Weg der Abtretung auf einen Kläger übertragen würden, sodass rein formal kein Fall der subjektiven Klagenhäufung mehr vorliege. In diesem Sinn sei Paragraph 227, Absatz eins, ZPO hier teleologisch einzuschränken.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. In rechtlicher Hinsicht führte es im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall der objektiven Klagenhäufung iSd § 227 Abs 1 ZPO habe eine teleologische Einschränkung nicht zu erfolgen. § 227 ZPO differenziere nicht zwischen originären und abgetretenen Ansprüchen; es komme nur darauf an, dass das Prozessgericht für alle Ansprüche zuständig und dieselbe Verfahrensart anzuwenden sei. Die gemeinsame Geltendmachung mehrerer Ansprüche in einer Klage sei auch kostengünstiger als die getrennte Einklagung. Im Übrigen könne das Gericht unanfechtbar auch die Trennung der erhobenen Ansprüche verfügen.Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. In rechtlicher Hinsicht führte es im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall der objektiven Klagenhäufung iSd Paragraph 227, Absatz eins, ZPO habe eine teleologische Einschränkung nicht zu erfolgen. Paragraph 227, ZPO differenziere nicht zwischen originären und abgetretenen Ansprüchen; es komme nur darauf an, dass das Prozessgericht für alle Ansprüche zuständig und dieselbe Verfahrensart anzuwenden sei. Die gemeinsame Geltendmachung mehrerer Ansprüche in einer Klage sei auch kostengünstiger als die getrennte Einklagung. Im Übrigen könne das Gericht unanfechtbar auch die Trennung der erhobenen Ansprüche verfügen.
Rechtliche Beurteilung
Der von der zweiten Instanz - mit der Begründung, es fehle Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der Vorschriften über Klagenhäufungen in der vorliegenden Konstellation als "Sammelklagen" auf Grund zedierter Ansprüche - zugelassene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, aus folgenden Erwägungen nicht zulässig:
a) Der Erstrichter wies die Klage zurück, weil er die Rechtsansicht vertrat, die klagende Partei habe unzulässig mehrere Ansprüche in einer Klage geltend gemacht. Abgesehen davon, dass bei Zutreffen dieser Rechtsansicht, etwa wegen Verschiedenheit der Verfahrensart, in der die Ansprüche geltend zu machen sind, keinesfalls mit Klagezurückweisung vorzugehen ist, sondern das Prozessgericht amtswegig die Verfahren zu trennen und die getrennten Verfahren - mit allen geschäftsverteilungsmäßigen, geschäftsordnungsmäßigen und gebührenrechtlichen Folgen - so weiterzuführen hat, als wären mehrere Klagen angebracht worden (6 Ob 617/94 = SZ 67/184 = JBl 1995, 183; RIS-Justiz RS0037789), ist der die Zulässigkeit dieser Klageführung bejahende Beschluss des Rekursgerichts nicht anfechtbar.
b) Gemäß § 45 erster Halbsatz JN idFd ZVN 1983 sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar. Die Bestimmung des § 45 JN gilt unabhängig davon, ob die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit von einem Gericht erster oder zweiter Instanz erfolgt (Ballon in Fasching2 § 45 JN Rz 3 mit Nachweis der Rsp). Der Gesetzgeber der ZVN 1983 ist bei der Neuregelung des § 45 JN vor allem von der Überlegung ausgegangen, Zuständigkeitsstreitigkeiten über sachliche Zuständigkeit so weit wie möglich zu verhindern und Anfechtungsmöglichkeiten einzuschränken (vgl Ballon aaO § 45 JN Rz 1 und 2). Festzuhalten ist noch, dass der Rechtsmittelauschluss des § 45 JN uneingeschränkt gilt, unabhängig davon, mit welcher Begründung die Entscheidung erfolgte (stRsp, jüngst 3 Ob 266/02t mwN; RIS-Justiz RS01030687). Ein Rechtsmittel ist selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender Verfahrensverstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (3 Ob 266/02t mwN). Der Gesetzgeber hat eben das Interesse der Partei daran, welches von mehreren staatlichen Gerichten - an einem Ort (in casu: Wien) - zu entscheiden hat, gering bewertet. Zuletzt hat der 5. Senat in seiner E 5 Ob 292/02f (mwN aus Lehre und Rsp; RIS-Justiz RS0000140) ausgesprochen, bewirke die Bejahung einer individuellen Zuständigkeit auch eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit, so sei der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN nicht anwendbar; führe sie hingegen lediglich zu einer Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher Hinsicht, so gelte die Anfechtungsbeschränkung. Somit wurde auch dort eine Veränderung der sachlichen Zuständigkeit allein nicht als relevant beurteilt.b) Gemäß Paragraph 45, erster Halbsatz JN idFd ZVN 1983 sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar. Die Bestimmung des Paragraph 45, JN gilt unabhängig davon, ob die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit von einem Gericht erster oder zweiter Instanz erfolgt (Ballon in Fasching2 Paragraph 45, JN Rz 3 mit Nachweis der Rsp). Der Gesetzgeber der ZVN 1983 ist bei der Neuregelung des Paragraph 45, JN vor allem von der Überlegung ausgegangen, Zuständigkeitsstreitigkeiten über sachliche Zuständigkeit so weit wie möglich zu verhindern und Anfechtungsmöglichkeiten einzuschränken vergleiche Ballon aaO Paragraph 45, JN Rz 1 und 2). Festzuhalten ist noch, dass der Rechtsmittelauschluss des Paragraph 45, JN uneingeschränkt gilt, unabhängig davon, mit welcher Begründung die Entscheidung erfolgte (stRsp, jüngst 3 Ob 266/02t mwN; RIS-Justiz RS01030687). Ein Rechtsmittel ist selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender Verfahrensverstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (3 Ob 266/02t mwN). Der Gesetzgeber hat eben das Interesse der Partei daran, welches von mehreren staatlichen Gerichten - an einem Ort (in casu: Wien) - zu entscheiden hat, gering bewertet. Zuletzt hat der 5. Senat in seiner E 5 Ob 292/02f (mwN aus Lehre und Rsp; RIS-Justiz RS0000140) ausgesprochen, bewirke die Bejahung einer individuellen Zuständigkeit auch eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit, so sei der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 45, JN nicht anwendbar; führe sie hingegen lediglich zu einer Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher Hinsicht, so gelte die Anfechtungsbeschränkung. Somit wurde auch dort eine Veränderung der sachlichen Zuständigkeit allein nicht als relevant beurteilt.
Auch die Frage nach der Zulässigkeit einer objektiven Klagehäufung betrifft ausschließlich die sachliche und nicht die örtliche Zuständigkeit. Die nach Streitanhängigkeit ergangene Entscheidung des Rekursgerichts ist aber einer die sachliche Zuständigkeit bejahenden Entscheidung gleichzuhalten, weil damit schlüssig auch die sachliche Zuständigkeit des Prozessgerichts bejaht wird. Eine Zuständigkeitsentscheidung des Gerichts liegt auch dann vor, wenn es über eine erhobene Unzuständigkeitseinrede zwar nicht formell mit eigenem Beschluss entschieden, aber durch Entscheidung - etwa in der Hauptsache - seine Zuständigkeit implicite bejaht hat (RIS-Justiz RS0046339 ua). Das Vorliegen der örtlichen Zuständigkeit war hier nie strittig. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch die von der zweiten Instanz bejahte Zulässigkeit einer objektiven Klagenhäufung (in casu: an einen Verband nach § 29 KSchG abgetretene Ansprüche mehrerer Kreditnehmer gegen eine Bank) nach § 227 Abs 1 ZPO inhaltlich eine Entscheidung über die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit ist und sich daher zufolge § 45 erster Halbsatz JN einer Anfechtung entzieht.Auch die Frage nach der Zulässigkeit einer objektiven Klagehäufung betrifft ausschließlich die sachliche und nicht die örtliche Zuständigkeit. Die nach Streitanhängigkeit ergangene Entscheidung des Rekursgerichts ist aber einer die sachliche Zuständigkeit bejahenden Entscheidung gleichzuhalten, weil damit schlüssig auch die sachliche Zuständigkeit des Prozessgerichts bejaht wird. Eine Zuständigkeitsentscheidung des Gerichts liegt auch dann vor, wenn es über eine erhobene Unzuständigkeitseinrede zwar nicht formell mit eigenem Beschluss entschieden, aber durch Entscheidung - etwa in der Hauptsache - seine Zuständigkeit implicite bejaht hat (RIS-Justiz RS0046339 ua). Das Vorliegen der örtlichen Zuständigkeit war hier nie strittig. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch die von der zweiten Instanz bejahte Zulässigkeit einer objektiven Klagenhäufung (in casu: an einen Verband nach Paragraph 29, KSchG abgetretene Ansprüche mehrerer Kreditnehmer gegen eine Bank) nach Paragraph 227, Absatz eins, ZPO inhaltlich eine Entscheidung über die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit ist und sich daher zufolge Paragraph 45, erster Halbsatz JN einer Anfechtung entzieht.
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist demnach als absolut unzulässig zurückzuweisen. Fragen nach der Zulässigkeit einer objektiven Klagehäufung (§ 227 Abs 1 ZPO) können sich demnach nicht mehr stellen.Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist demnach als absolut unzulässig zurückzuweisen. Fragen nach der Zulässigkeit einer objektiven Klagehäufung (Paragraph 227, Absatz eins, ZPO) können sich demnach nicht mehr stellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des gegnerischen Revisionsrekurses.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des gegnerischen Revisionsrekurses.
Textnummer
E70643European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0030OB00133.03K.0821.000Im RIS seit
20.09.2003Zuletzt aktualisiert am
13.09.2012