Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Franz K*****, Dienstnehmer, *****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 36.336,41 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. März 2003, GZ 5 R 2/03h-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Oktober 2002, GZ 22 Cg 302/01p-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,82 (darin enthalten EUR 292,47, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Gesellschaft mbH hat zwei Gesellschafter mit einer Stammeinlage von je S 250.000,-- nämlich Melitta H***** und den Beklagten. Dieser war vor dem 18. 5. 2001 auch selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer, seither ist Mag. Günther K***** Geschäftsführer der klagenden Partei.
Mit der am 26. 11. 2001 eingebrachten Klage begehrt die klagende Gesellschaft vom Beklagten als ihrem vormaligen Geschäftsführer Schadenersatz in der Höhe des Klagsbetrages wegen mangelhafter, nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechender Geschäftsführertätigkeit.
Der Beklagte wendete ein, die Verfolgung von Ersatzansprüchen der klagenden Gesellschaft mbH gegen ihren Geschäftsführer aus dessen Geschäftsführertätigkeit setze als materiellrechtliches Anspruchserfordernis die Beschlussfassung der Gesellschafter nach § 35 Abs 1 Z 6 GmbH voraus; ein solcher Beschluss sei bislang nicht gefasst worden. Es sei ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden, in der Gesellschafterversammlung Widerspruch zu erheben und in weiterer Folge allenfalls eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses einzubringen.
Die klagende Partei erwiderte darauf, ein Gesellschafterbeschluss sei hier nicht erforderlich, er wäre eine bloße Formalität und sohin ein überflüssiger Umweg. Beim Beklagten, einem der zwei Gesellschafter der klagenden Partei, wäre das in § 39 Abs 4 GmbHG geregelte Stimmverbot zum Tragen gekommen, weshalb die weitere Gesellschafterin allein zur Beschlussfassung zur Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Beklagten berechtigt gewesen wäre. Die Klage sei mit Wissen und Willen der weiteren Gesellschafterin eingebracht worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass es der Beschlussfassung der Gesellschafter gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG bedürfe, um einen Ersatzanspruch wegen Verletzung der einen Geschäftsführer einer GmbH treffenden Obliegenheiten in einem gerichtlichen Verfahren geltend zu machen; ohne Beschlussfassung der Gesellschafter sei die GmbH nicht sachlegitimiert. Ein Gesellschafter sei bei der Beschlussfassung über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites zwischen ihm und der Gesellschaft vom Stimmrecht ausgeschlossen. Es bedürfe eines Gesellschafterbeschlusses auch in den Fällen einer Zweipersonengesellschaft, in der eine Person Gesellschafter-Geschäftsführer sei, weil nur durch die Durchführung der vom Gesetz geforderten Generalversammlung der vom Stimmrecht bei der Beschlussfassung über eine mögliche Klagsführung gegen ihn ausgeschlossene Gesellschafter (und ehemaliger Geschäftsführer) die Möglichkeit habe, sein Recht auf Anhörung zu verwirklichen, Einfluss auf die Mitgesellschafter auszuüben und seinen Standpunkt zu vertreten (2 Ob 328/01a).
Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
Es vertrat die Ansicht, dass auch bei der hier vorliegenden Zweipersonen-GmbH der stimmrechtslose Gesellschafter einen Anspruch auf die Teilnahme an der Generalversammlung habe, in der er über die Einleitung eines Rechtsstreites gegen ihn entschieden werde; nur auf diese Weise habe er die Möglichkeit, seine Ansicht vorzutragen, von den anderen gehört zu werden und argumentativ auf die Bildung des Gesellschafterwillens Einfluss zu nehmen. Im Hinblick darauf wäre die Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung vor Einbringung der Klage der hier klagenden Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer, den Beklagten, kein überflüssiger Formalismus gewesen, weshalb eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches durch die klagende Gesellschaft gegen den Beklagten fehle.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege und diese auch widersprüchlich erscheine (9 ObA 358/98g und 2 Ob 328/01a), weil es im Hinblick auf die durch die zwingende Bestimmung des § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG der Entscheidung der Gesellschafter vorbehaltene Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschafter aus der Geschäftsführung gegen die (ehemaligen) Geschäftsführer nach Auffassung des Berufungsgerichtes bei einer Zweipersonen-GmbH nicht darauf ankommen könne, dass der eine, der den anderen namens der Gesellschaft in Anspruch nehmen wolle, zugleich allein vertretungsbefugter Geschäftsführer sei, zumal wohl von einer fehlenden Unbefangenheit des (weiteren) Geschäftsführers auszugehen sei und die Kompetenz der Gesellschafter zur Entscheidung über Ersatzansprüche auch aus der zwingenden Zuständigkeit derselben, über die Entlastung der Geschäftsführung des Aufsichtsrates zu befinden, ableitbar sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, der Beklagte hätte auch im Falle der Abhaltung einer vorausgehenden Generalversammlung die Klagsführung nicht verhindern können, weil er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der klagenden Partei bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreites zwischen ihm und der klagenden Partei vom Stimmrecht ausgeschlossen und die Beschluss- und Mehrheitsfähigkeit der Generalversammlung schon allein durch die andere Gesellschafterin gegeben gewesen wäre. Der Umstand, dass die andere Gesellschafterin allein den Beschluss über die Einleitung des gegenständlichen Rechtsstreites hätte fassen könne, könne nur zur analogen Anwendung jener Judikatur führen, welche der Oberste Gerichtshof zur Frage der Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses im Falle einer Klage der durch den Alleingeschäftsführer vertretenen Gesellschaft entwickelt habe und welche eben keinen weiteren Formalakt (Gesellschafterbeschluss) vorsehe.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG unterliegen der Beschlussfassung der Gesellschafter die Geltendmachung der Ersatzansprüche, die der Gesellschaft aus der Errichtung oder Geschäftsführung gegen die Geschäftsführer, deren Stellvertreter oder den Aufsichtsrat zustehen. Dabei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches gegen einen Geschäftsführer, bei dessen Fehlen die Klage abzuweisen ist (2 Ob 328/01a, SZ 63/16 mwN). Der Gesellschafterbeschluss ist allerdings entbehrlich, wenn das Beschlusserfordernis eine bloße Formalität, ein überflüssiger Umweg wäre (9 ObA 358/98g = EvBl 1999/128 = RdW 1999, 529). Im vorliegenden Fall kann aber - so wie auch im Fall der Entscheidung 2 Ob 328/01a - nicht gesagt werden, die Beschlussfassung in der Generalversammlung wäre ein bloßer Formalismus und daher entbehrlich. Richtig ist zwar, dass der Beklagte bei dieser Generalversammlung von der Ausübung des Stimmrechtes ausgeschlossen gewesen wäre (§ 39 Abs 4 zweiter Satz GmbHG). Dies ändert aber nichts daran, dass er an dieser Generalversammlung teilnahmeberechtigt gewesen wäre; auch stimmrechtslose Gesellschafter haben einen Anspruch darauf, ihre Ansicht vortragen zu können und von den anderen gehört zu werden (2 Ob 328/01a mwN; weiters noch Karsten Schmidt in Scholz, Komm z GmbHG9 § 47 Rz 175 und § 48 Rz 12). Das Teilnahmerecht an der Generalversammlung umfasst das Recht auf Anwesenheit und das Recht auf Teilhabung an der Beratung der Versammlungsgegenstände (Hüfer in Hachenburg, Komm z GmbHG8, § 48 Rz 13). Der Beklagte hätte sohin bei Abhaltung einer Generalversammlung die Möglichkeit gehabt, seinen Standpunkt darzulegen und zu verlangen, von der anderen Gesellschafterin gehört zu werden. Der erkennende Senat hält daher bei neuerlicher Prüfung die schon in der Entscheidung 2 Ob 328/01a vertretenen Rechtsansicht, dass auch bei einer Zweimann-GmbH die Abhaltung einer förmlichen Generalversammlung keinen überflüssigen und daher entbehrlichen Formalismus darstellt, aufrecht.
Zutreffend sind daher die Vorinstanzen vom Fehlen einer materiellrechtlichen Voraussetzung für die Geltendmachung eines Anspruches durch die klagende Gesellschaft ausgegangen, weshalb deren Revision nicht Folge zu geben war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E70587European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00170.03V.0828.000Im RIS seit
27.09.2003Zuletzt aktualisiert am
19.04.2011