Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Manuela Majeranowski (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Mijo D*****, 2. Karl D*****, und 3. Andreas S*****, alle vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinde Wien Magistratsdirektion der Stadt Wien, ***** vertreten durch Dr. Georg Mittermayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2002, GZ 7 Ra 232/01p-40, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. April 2001, GZ 30 Cga 135/00t-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.529,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Urteile zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß Paragraph 510, Absatz 3, ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Urteile zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:
Die Revisionswerber ziehen nicht mehr in Zweifel, dass das festgestellte Verhalten der als Kontrollore tätigen Kläger (jeweils mehr als 20 bewusste Falscheintragungen in den Tagesmeldungen an vier bis sechs Kontrolltagen; wobei der Zweitkläger an zwei Kontrolltagen sämtliche Eintragungen ab zweieinhalb bzw drei Stunden vor Dienstende fälschte und während dieses Zeitraumes nur eine äußerst geringe bzw keine Kontrolltätigkeit vornahm) die Kündigungsgründe des § 42 Abs 2 Z 1 und 5 der hier anzuwendenden Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 verwirklicht.Die Revisionswerber ziehen nicht mehr in Zweifel, dass das festgestellte Verhalten der als Kontrollore tätigen Kläger (jeweils mehr als 20 bewusste Falscheintragungen in den Tagesmeldungen an vier bis sechs Kontrolltagen; wobei der Zweitkläger an zwei Kontrolltagen sämtliche Eintragungen ab zweieinhalb bzw drei Stunden vor Dienstende fälschte und während dieses Zeitraumes nur eine äußerst geringe bzw keine Kontrolltätigkeit vornahm) die Kündigungsgründe des Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins und 5 der hier anzuwendenden Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 verwirklicht.
Die Revisionswerber wollen allerdings aus den Feststellungen der Vorinstanzen ableiten, dass die Beklagte entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, die Kläger vor Ausspruch der Kündigung zu ermahnen, weil sich die Beklagte jahrelang großzügig bei Kontrolle der Tagesmeldungen gegeben habe und die Kläger daher darauf hätten vertrauen dürfen, dass vom Dienstgeber fehlerhafte Tagesmeldungen geduldet würden.
Dabei lässt die Revision jedoch außer Acht, dass sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen die nun behauptete "Toleranz" des Dienstgebers bezüglich bewusster Falscheintragungen gerade nicht ergibt: Das Erstgericht stellte ausdrücklich fest (S 12 und 13 der Urteilsausfertigung), dass nicht festgestellt werden könne, dass Vorgesetzte der Kläger erklärt hätten, es sei gleichgültig, welche Wagennummern eingetragen würden oder man werde Kontrolloren nichts tun, die genug Gebühren brächten. Das Erstgericht erachtete auch nicht feststellen zu können, dass Toleranzzeiten für die Eintragung der Absteigzeiten ausgegeben worden wären. Toleriert wurde vom unmittelbaren Vorgesetzten der Kläger lediglich (S 14 ua), dass kurze Kaffee- oder Rauchpausen nicht in die Tagesmeldungen eingetragen wurden, solange der strikt vorgegebene 20-Minuten-Raster eingehalten würde. Dass die festgestellten Falscheintragungen nicht mit in der Vergangenheit möglicherweise tolerierten kurzen Kaffee- oder Rauchpausen erklärt werden können, hob bereits das Erstgericht zutreffend hervor.
Die Geltendmachung der Kündigungsgründe nach § 42 Abs 2 Z 1 und 5 der Wiener VBO setzt - ebenso wie die Geltendmachung der vergleichbaren Kündigungsgründe nach § 32 Abs 2 Z 1 und 6 VBG - eine vorangehende Ermahnung nicht zwingend voraus. Unter bestimmten Umständen kann jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers es verlangen, dass dieser eine solche Ermahnung vornimmt. Dies muss auf jene Fälle beschränkt werden, in denen dem Dienstnehmer die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens nicht bewusst sein musste, etwa weil der Arbeitgeber durch längere Zeit hindurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten widerspruchslos hingenommen hat und dadurch sein Einverständnis oder doch seine Gleichgültigkeit dokumentiert hat (vgl 8 ObA 23/03w; 9 ObA 211/98i = tw veröffentlicht in ASoK 1999, 175). Davon kann aber aus den dargelegten Gründen nicht die Rede sein.Die Geltendmachung der Kündigungsgründe nach Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins und 5 der Wiener VBO setzt - ebenso wie die Geltendmachung der vergleichbaren Kündigungsgründe nach Paragraph 32, Absatz 2, Ziffer eins und 6 VBG - eine vorangehende Ermahnung nicht zwingend voraus. Unter bestimmten Umständen kann jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers es verlangen, dass dieser eine solche Ermahnung vornimmt. Dies muss auf jene Fälle beschränkt werden, in denen dem Dienstnehmer die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens nicht bewusst sein musste, etwa weil der Arbeitgeber durch längere Zeit hindurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten widerspruchslos hingenommen hat und dadurch sein Einverständnis oder doch seine Gleichgültigkeit dokumentiert hat vergleiche 8 ObA 23/03w; 9 ObA 211/98i = tw veröffentlicht in ASoK 1999, 175). Davon kann aber aus den dargelegten Gründen nicht die Rede sein.
Aber auch die Behauptung, die Kündigung sei verspätet erfolgt, ist unbegründet: Richtig ist, dass der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Geltendmachung auch bei einer auf wichtige Gründe beschränkten Kündigung anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0029273; RS0028543; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht9 630). Danach ist der Dienstgeber gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhaltes Gebrauch zu machen. Hatte aber - wie hier - der Dienstgeber die zum Personalschutz berufenen Organe der Personalvertretung einzuschalten, darf der Unverzüglichkeitsgrundsatz nicht überspannt werden (vgl dazu ebenfalls 9 ObA 211/98i mwN). Unter Berücksichtigung der festgestellten Dauer der Überprüfung der Vorfälle in den beiden für die Revision zuständigen Abteilungen der Wiener Linien in Verbindung damit, dass die Kläger am 20. bzw 21. 6. 2000 zu den Vorwürfen befragt wurden, der Antrag auf Kündigung der drei Kläger am 21. 6. 2000 gestellt und am 6. 7. 2000 der Personalvertretung zur Kenntnis gebracht wurde, sind die - mangels Einspruches der Personalvertretung - ausgesprochenen Kündigungen vom 28. 7. 2000 (Erst- und Drittkläger) und vom 3. 8. 2000 (Zweitkläger) nicht als verspätet zu beurteilen.Aber auch die Behauptung, die Kündigung sei verspätet erfolgt, ist unbegründet: Richtig ist, dass der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Geltendmachung auch bei einer auf wichtige Gründe beschränkten Kündigung anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0029273; RS0028543; SchwarzLöschnigg Arbeitsrecht9 630). Danach ist der Dienstgeber gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhaltes Gebrauch zu machen. Hatte aber - wie hier - der Dienstgeber die zum Personalschutz berufenen Organe der Personalvertretung einzuschalten, darf der Unverzüglichkeitsgrundsatz nicht überspannt werden vergleiche dazu ebenfalls 9 ObA 211/98i mwN). Unter Berücksichtigung der festgestellten Dauer der Überprüfung der Vorfälle in den beiden für die Revision zuständigen Abteilungen der Wiener Linien in Verbindung damit, dass die Kläger am 20. bzw 21. 6. 2000 zu den Vorwürfen befragt wurden, der Antrag auf Kündigung der drei Kläger am 21. 6. 2000 gestellt und am 6. 7. 2000 der Personalvertretung zur Kenntnis gebracht wurde, sind die - mangels Einspruches der Personalvertretung - ausgesprochenen Kündigungen vom 28. 7. 2000 (Erst- und Drittkläger) und vom 3. 8. 2000 (Zweitkläger) nicht als verspätet zu beurteilen.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 46 Abs 1 und 41 ZPO (zur Bemessungsgrundlage vgl 8 ObA 86/98z).Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 50,, 46 Absatz eins und 41 ZPO (zur Bemessungsgrundlage vergleiche 8 ObA 86/98z).
Textnummer
E70617European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:008OBA00083.03V.0828.000Im RIS seit
27.09.2003Zuletzt aktualisiert am
27.11.2012