TE OGH 2003/8/28 2Ob171/03s

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Veröffentlicht am 28.08.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Veronika H*****, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei ***** S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Vavrovsky Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, wegen Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 30. April 2003, GZ 4 R 74/03k-9, womit der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 26. März 2003, GZ 5 Cg 34/03a-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen und ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 933,70 (darin enthalten USt von EUR 155,62, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung der in der Generalversammlung der beklagten Partei vom 17. 7. 1988 gefassten Beschlüsse, mit welchen

a) die bisher gemeinsam zeichnungsberechtigten Geschäftsführer zu selbständig zeichnungsbefugten Geschäftsführern bestellt wurden,

b) das Geschäftsjahr geändert wurde und

c) der Gesellschaftsvertrag dahingehend ergänzt wurde, dass die Generalversammlung eine vom Beteiligungsschlüssel abweichende Gewinnausschüttung beschließen kann.

In eventu wird begehrt, diese Beschlüsse für unwirksam zu erklären. Sie brachte vor, die Generalversammlung sei nicht ordnungsgemäß einberufen und deren Zweck nicht in der Tagesordnung angekündigt worden. Ihr Vertreter habe nicht mit einer Spezialvollmacht, sondern auf Grund einer von ihr erteilten allgemeinen zivilrechtlichen Vollmacht der Abänderung des Gesellschaftsvertrages zugestimmt. Trotz dieses Vollmachtsmangels habe das Firmenbuchgericht die Eintragung vorgenommen.

Die beklagte Partei bestritt und beantragte, der Klägerin eine Sicherheitsleistung nach § 42 Abs 3 GmbHG in der Höhe von EUR 15.000,-- aufzuerlegen. Die Klagsführung sei offenkundig unbegründet, weil die Satzungsänderung in einer Vollversammlung, für welche die gesellschaftsvertragliche Einladungsform nicht einzuhalten sei, beschlossen worden sei. Ein Beurkundungsmangel heile mit der Eintragung in das Firmenbuch; die Heilung von Einberufungs- und Inhaltsmängeln erfolge, wenn seit der Eintragung in das Firmenbuch drei Jahre verstrichen seien. Überdies handle die Klägerin rechtsmissbräuchlich.

Der Gesellschaft drohe durch die - offenbar "kategorisch" eingebrachten - Anfechtungsklagen ein enormer Schaden. Dieser Schaden bestehe insbesondere in einer Beeinträchtigung des Ansehens der Gesellschaft. Das Begehren auf Aufhebung von Generalversammlungsbeschlüssen aus dem Jahr 1998, welche bereits im August 1998 in das Firmenbuch eingetragen worden seien, wirke sich eindeutig negativ auf die Gesellschaft aus. Ein weiterer potentieller Schaden drohe der Gesellschaft in Form von Prozesskosten. All dieser Schaden drohe jedenfalls aus einem Verschulden der Klägerin.

Das Erstgericht legte der Klägerin die beantragte Sicherheitsleistung von EUR 15.000,-- auf. Es führte aus, Bedenken gegen das Klagsvorbringen zu haben, weil der Beschluss vom 17. 7. 1998 einstimmig gefasst worden sei. Ein drohender Nachteil erwachse der beklagten Partei in Anbetracht der allgemeinen Lebenserfahrung schon allein auf Grund der Rufschädigung. Dazu komme, dass bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 70.000,-- sowohl die Tarifansätze nach dem RATG als auch die Pauschalkosten des Gerichtes dementsprechend hoch seien, also ein hoher Betrag an Prozesskosten zu erwarten sei, sodass die Höhe der Sicherheitsleistung von EUR 15.000,-- jedenfalls angemessen sei.

Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluss dahin, dass der Antrag der beklagten Partei auf Erlag einer Sicherheitsleistung abgewiesen wurde; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige EUR 20.000,--, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Das Rekursgericht führte aus, nach § 39 Abs 3 GmbHG sei die Ausübung des Stimmrechtes durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn dieser eine schriftliche, auf die Ausübung dieses Rechtes lautende Vollmacht habe. Die dem Notariatsakt angeheftete allgemeine zivilrechtliche Vollmacht der Klägerin entspreche nicht der genannten Bestimmung. Es sei daher die Unbegründetheit der Nichtigkeitsklage nicht bescheinigt, weshalb für das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin nicht offenkundig unbegründet sei.

Allerdings heilten nach § 200 Abs 1 AktG Beurkundungsmängel mit der Eintragung in das Firmenbuch, Einberufungs- und Inhaltsmängel, wenn seit der Eintragung in das Firmenbuch drei Jahre verstrichen seien (§ 200 Abs 2 AktG). Eine gleichwertige Regelung fehle im GmbH-Gesetz, in der Lehre werde die analoge Anwendung dieser Bestimmung im GmbH-Recht vertreten. In der Entscheidung SZ 57/174 sei zur Anwendung dieser Bestimmung im GmbH-Recht ausgeführt worden, es sei die Interessenlage gleich, weshalb auch für den Rechtsbereich der GmbH nicht anderes gelten könne.

Die Klägerin bekämpfe als Gesellschafterin der beklagten Partei mit ihrer Nichtigkeitsklage den Gesellschafterbeschluss über die Umbestellung von zwei gemeinsam zeichnungsberechtigten Personen zu jeweils selbständig zeichnungsberechtigten Geschäftsführer. Ein Gesellschafter habe aber sehr wohl Interesse daran, wer seine Gesellschaft nach außen vertreten dürfe, sodass eine Anwendung der genannten Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres möglich erscheine. Außerdem liege nicht ein Beurkundungs-, Inhalts- oder Einberufungsmangel, sondern ein Vollmachtsmangel vor.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage, nämlich der Anwendung des § 200 AktG im GmbH-Recht abhänge und eine Rechtsprechung zu einem gleichartigen Fall fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Klägerin wiederum eine Sicherheitsleistung von EUR 15.000,-- auferlegt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Ansicht des Rekursgerichtes, das Vorbringen der Klägerin sei nicht offenkundig unbegründet, sei unzutreffend. Selbst wenn man davon ausgehe, dass eine schriftliche allgemeine zivilrechtliche Vollmacht dem Erfordernis des § 39 Abs 3 GmbHG nicht entspreche, sei zu beachten, dass die Schriftlichkeit der Vollmacht nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung aufzufassen sei. Die Klägerin habe gegen die Generalversammlungsbeschlüsse keinen Widerspruch erhoben, vielmehr habe sie bereits im Vorfeld der Generalversammlung ausdrücklich zugestimmt. Die Klage sei auch wegen Heilung allfälliger Mängel durch Eintragung im Firmenbuch offenkundig unbegründet. § 200 Abs 1 und 2 AktG sei analog auf Gesellschaften mbH anzuwenden. Die Eintragung der angefochtenen Beschlüsse sei am 6. 8. 1998 erfolgt, die Klage aber erst am 10. 2. 2003 eingebracht worden. Die behaupteten Nichtigkeitsgründe seien somit längst geheilt und die Klage offenkundig unbegründet.

Zutreffend habe das Erstgericht das Drohen eines Schadens als bescheinigt angenommen.

Hiezu wurde erwogen:

Die (strittige) Frage, ob § 200 Abs 2 AktG auch auf andere als die dort angeführten Nichtigkeitsgründe anzuwenden ist und ob die dort geregelte Heilung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen analog auf Beschlüsse der Gesellschafter einer GmbH heranzuziehen ist, braucht hier nicht beurteilt zu werden.

Gemäß § 42 Abs 3 GmbHG kann das Gericht (im Falle einer Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses der Gesellschafter) auf Antrag anordnen, dass der Kläger wegen des der Gesellschaft drohenden Nachteiles eine von dem Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmende Sicherheit zu leisten habe. Dazu vertreten Koppensteiner (Komm z GmbHG2 § 42 Rz 7) und Feil/Gellis (Komm z GmbHG4 § 42 Rz 3) unter Berufung auf die Entscheidung JBl 1972, 432 die Ansicht, dass der drohende Nachteil im Sinne des § 42 Abs 3 GmbHG auch in den Prozesskosten bestehen könne. In dieser zum AktG ergangenen Entscheidung wurde aber ausgeführt, dass das Anfechtungsrecht eines Aktionärs dem Schutz der Minderheit diene, weshalb die Bestimmungen über die Auferlegung einer Sicherheit streng geprüft werden müssten, da es sonst praktisch zu einer Verhinderung dieses Schutzes kommen könne. Die Entscheidung nimmt im Übrigen zu dem Nachteil, der in den Prozesskosten bestehen kann, nicht Stellung.

Der erkennende Senat schließt sich vielmehr den Ausführungen von Reich-Rohrwig (Das öster. GmbH-Recht, 398) an, wonach die Sicherheitsleistung nach § 42 Abs 3 GmbHG nicht der Abdeckung der Prozesskosten dient. Der Ersatzanspruch für Prozesskosten ist ein ausschließlich aus dem Prozessrecht selbst abzuleitender Nebenanspruch, für dessen Geltendmachung das in den §§ 41 ff ZPO vorgesehene Verfahren zu beachten ist (M. Bydlinski in Fasching2, Komm, Vor §§ 40 ff ZPO Rz 1). Grundsätzlich ist dem österreichischen Recht eine Sicherheitsleistung für Prozesskosten nur in besonderen Fällen vorgesehen, so etwa wenn Ausländer als Kläger auftreten (§§ 57 ff ZPO). Die Ansicht, dass die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten nicht haftet, entspricht auch der herrschenden Lehre zu § 197 AktG (Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, Komm z AktG4 § 197 Rz 14). Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass bei nahezu jeder Klage nach § 41 f GmbHG eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen wäre, weil grundsätzlich immer Prozesskosten entstehen können.Der erkennende Senat schließt sich vielmehr den Ausführungen von Reich-Rohrwig (Das öster. GmbH-Recht, 398) an, wonach die Sicherheitsleistung nach § 42 Abs 3 GmbHG nicht der Abdeckung der Prozesskosten dient. Der Ersatzanspruch für Prozesskosten ist ein ausschließlich aus dem Prozessrecht selbst abzuleitender Nebenanspruch, für dessen Geltendmachung das in den §§ 41 ff ZPO vorgesehene Verfahren zu beachten ist (M. Bydlinski in Fasching2, Komm, Vor §§ 40 ff ZPO Rz 1). Grundsätzlich ist dem österreichischen Recht eine Sicherheitsleistung für Prozesskosten nur in besonderen Fällen vorgesehen, so etwa wenn Ausländer als Kläger auftreten (§§ 57 ff ZPO). Die Ansicht, dass die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten nicht haftet, entspricht auch der herrschenden Lehre zu § 197 AktG (Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, Komm z AktG4 § 197 Rz 14). Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass bei nahezu jeder Klage nach Paragraph 41 &, #, 160 ;, f, GmbHG eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen wäre, weil grundsätzlich immer Prozesskosten entstehen können.

Die drohenden Prozesskosten rechtfertigen daher eine Sicherheitsleistung nach § 42 Abs 3 GmbHG nicht. Im Übrigen hat die klagende Partei aber keine konkreten Gründe dargelegt, aus denen sich ein drohender Nachteil ableiten ließe. Weshalb die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen über die Änderung der Zeichnungsbefugnis, Änderung des Geschäftsjahres und Änderung des Gesellschaftsvertrages betreffend die Gewinnausschüttung das Ansehen der beklagten Gesellschaft beeinträchtigen soll, ist nicht ohne weiteres einsichtig.Die drohenden Prozesskosten rechtfertigen daher eine Sicherheitsleistung nach § 42 Absatz 3, GmbHG nicht. Im Übrigen hat die klagende Partei aber keine konkreten Gründe dargelegt, aus denen sich ein drohender Nachteil ableiten ließe. Weshalb die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen über die Änderung der Zeichnungsbefugnis, Änderung des Geschäftsjahres und Änderung des Gesellschaftsvertrages betreffend die Gewinnausschüttung das Ansehen der beklagten Gesellschaft beeinträchtigen soll, ist nicht ohne weiteres einsichtig.

Es war daher dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit; die im Zwischenstreit unterlegene beklagte Partei hat ihre Kosten im Zwischenstreit selbst zu tragen (§ 40, 50 ZPO) und der Klägerin die Kosten der erfolgreichen Revisionsrekursbeantwortung (auf der Basis des Streitwertes des Zwischenstreites, nämlich EUR 15.000,--) zu ersetzen (3 Ob 123/88 mwN). Auf die Kosten des Rekursverfahrens ist nicht einzugehen, weil darüber noch nicht entschieden wurde.

Textnummer

E70588

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00171.03S.0828.000

Im RIS seit

27.09.2003

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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