Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litbLeitsatz
Zulässigkeit des - auf Grund der Anzeige eines positiven Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und einem Oberlandesgericht iSd Art138 Abs1 litb B-VG - von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des §43 VfGG zur Gänze; keine Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten bei verfassungskonformer Interpretation; keine übermäßige oder unsachliche Einschränkung der Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung von positiven Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten durch das Erfordernis der Anzeige noch vor einer rechtskräftigen Entscheidung auf Grund der Verpflichtung der Gerichte zur Anzeige und des subsidiären Anzeigerechts der ParteienSpruch
Ein Verfahren zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem Verwaltungsgerichtshof wird nicht eingeleitet.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Beschluß vom 22. Mai 2001 zeigte das Oberlandesgericht Innsbruck dem Verfassungsgerichtshof einen Kompetenzkonflikt zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Landesgericht/Oberlandesgericht Innsbruck gemäß Art138 Abs1 litb B-VG iVm §43 Abs1 VfGG "zum Zwecke der allfälligen Einleitung des Verfahrens gemäß §43 Abs3 VfGG an" und legte die Bezug habenden Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vor.
2. Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt:
a) Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. März 1999, ZVa 999-11.568/15-1999, wurde E. Ö. aufgrund seines Antrages vom 12. Oktober 1998 gemäß §§2, 3, 4 und 6 Tiroler Pflegegeldgesetz, LGBl. Nr. 8/1997 (im folgenden: TPGG) ab 1. November 1998 Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt; über seinen Antrag vom 28. Jänner 1999 auf Erhöhung des Pflegegeldes sollte gesondert entschieden werden.
E. Ö. verstarb noch vor Anweisung des fälligen Betrages und vor Entscheidung über den zuletzt genannten Antrag.
Nach Einantwortung seines Nachlasses an die Intestaterbin stellte diese am 17. Februar 2000 an die Tiroler Landesregierung (verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) den Antrag "auf Fortsetzung des Verfahrens beim Amt der Tiroler Landesregierung zur Zahl Va 999-11.568/15-1999 und bescheidmäßiger Erledigung des Antrages vom 28.1.1999 sowie Auszahlung des bis zum Tod des Pflegebefohlenen angewachsenen Pflegegelder".
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 2000 wurde mit Spruchpunkt 1 dem Wiedereinsetzungsantrag der Erbin stattgegeben und mit Spruchpunkt 2 der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens auf Gewährung bzw. Erhöhung des Pflegegeldes mit der Begründung abgewiesen, daß die in den §§12 und 23 TPGG normierten Voraussetzungen hiefür nicht erfüllt seien. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt hinsichtlich des Spruchpunktes 1 den Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts und hinsichtlich des Spruchpunktes 2 den Hinweis auf die Klagsmöglichkeit vor dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht.
b) Gegen diesen Bescheid erhob die Erbin zum einen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, zum anderen brachte sie beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht Klage ein.
aa) Vor dem Verwaltungsgerichtshof machte sie geltend, daß sie zu Unrecht als nicht zur Fortsetzung des Verfahrens "auf Gewährung bzw. Erhöhung" des Pflegegeldes iS des §12 iVm §23 TPGG berechtigt qualifiziert worden sei; auch im Hinblick auf ihre Rechtsstellung als Alleinerbin bestehe der von ihr begehrte Anspruch im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge des §531 ABGB. Bei rechtsrichtiger Entscheidung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, daß die Beschwerdeführerin als Partei zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt sei "und ihr auch die Geldleistungen bis zum Tod des E. Ö. ... zustehen und aus[zu]zahlen" seien.
Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit (den Parteien des dg. Verfahrens am 23. März 2001 zugestelltem) Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Z2000/11/0277, ab. Er begründete seine Zuständigkeit mit der Feststellung, daß mit dem angefochtenen Bescheid darüber entschieden worden sei, ob die Erbin zur Fortsetzung des von E. Ö. eingeleiteten Verfahrens berechtigt sei. Dies sei eine verfahrensrechtliche Frage, deren Lösung nicht im Wege der sukzessiven Zuständigkeit mit Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht gebracht werden könne.
bb) In ihrer Klage beantragte die Erbin, die beklagte Partei (das Land Tirol) schuldig zu erkennen, ab dem Tag der Antragstellung bis einschließlich des Todestages des E. Ö. Pflegegeld zu bezahlen. Dazu brachte sie im wesentlichen vor, daß sie gemäß §§12 und 23 TPGG als zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigte Partei anzusehen sei; sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, seien sämtliche Ansprüche des E. Ö. nach dem TPGG auf sie als Alleinerbin im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge des §531 ABGB übergegangen.
Das Landesgericht Innsbruck erkannte als Arbeits- und Sozialgericht mit (den Parteien des dg. Verfahrens am 6. März 2001 zugestelltem) Urteil vom 8. Februar 2001 das beklagte Land Tirol dem Grunde nach schuldig, Pflegegeld (ab Antragstellung bis zum Todestag des E. Ö.) an die klagende Erbin zu bezahlen; begründend führte es insbesondere aus, daß die Klägerin als Erbin zur Fortsetzung des Verfahrens und damit auch zur Klage gegen den die Fortsetzungsberechtigung verneinenden Bescheid berechtigt sei.
Dieses Urteil wurde vom beklagten Land Tirol mit Berufung bekämpft; dieses Berufungsverfahren behängt nunmehr beim Oberlandesgericht Innsbruck, das die eingangs erwähnte Anzeige beim Verfassungsgerichtshof erstattet hat.
3. Die Einleitung eines Verfahrens zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes ist unzulässig:
3.1. Gem. Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten.
3.2. Ist ein Kompetenzkonflikt dadurch entstanden, daß der Verwaltungsgerichtshof und ein anderes Gericht die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen haben, so hat der Verfassungsgerichtshof gem. §43 Abs1 VfGG nur dann ein Erkenntnis zu fällen, wenn von dem Gericht oder von einem der genannten Gerichtshöfe ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht gefällt ist (vgl. VfSlg. 1720/1948 [S 313]). Hat aber ein Gericht bereits einen rechtskräftigen Spruch in der Hauptsache gefällt, so bleibt die alleinige Zuständigkeit dieses Gerichtes gem. §43 Abs2 VfGG aufrecht (zum - verfassungskonformen - Verständnis des §43 VfGG s. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2002, G330/01).
3.3. Es kann aus folgenden Gründen offen bleiben, ob überhaupt eine Entscheidung in derselben Sache und daher ein bejahender Kompetenzkonflikt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen vorliegt:
Selbst wenn nämlich ein solcher positiver Kompetenzkonflikt vorläge, wäre dessen Entscheidung im vorliegenden Fall nicht möglich, da der Verwaltungsgerichtshof bereits eine Sachentscheidung getroffen hat. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes unterliegen keinem weiteren Rechtszug und sind daher mit ihrer Zustellung formell und materiell rechtskräftig.
3.4. Auf Grund des Vorliegens eines rechtskräftigen Spruches des Verwaltungsgerichtshofes ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, ein Verfahren zur Klärung eines etwaigen positiven Kompetenzkonfliktes einzuleiten (vgl. VfSlg. 2956/1956; Zellenberg, rt138 Abs1 B-VG Rz 54 f, 60, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht).
4. Dies konnte gem. §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Präjudizialität, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:KI3.2001Dokumentnummer
JFT_09978991_01K00I03_00