TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/26 2007/04/0067

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2007
beobachten
merken

Index

16/02 Rundfunk;

Norm

ORF-G 2001 §3 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde der Antenne Steiermark Regionalradio GmbH & Co KG in Dobl, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 29. Jänner 2007, Zl. 611.956/0002-BKS/2007, betreffend Verletzung des ORF-Gesetzes (mitbeteiligte Partei: Österreichischer Rundfunk, Würzburggasse 30, 1136 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde eine auf § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. a und lit. d ORF-G gestützte Beschwerde ein. Darin wird ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe am 21. November 2006 in der Zeit zwischen 22.29 Uhr und 23.05 Uhr im Versorgungsgebiet Steiermark das bundesweite Hörfunkprogramm Ö3 sowohl auf der Frequenz von Ö3 als auch auf den der mitbeteiligten Partei zustehenden Frequenzen für das Regionalprogramm "Radio Steiermark" gesendet. Die mitbeteiligte Partei habe daher in der Steiermark im genannten Zeitraum entgegen § 3 Abs. 1 Z. 1 ORF-G kein bundeslandweites Hörfunkprogramm gesendet und somit den gesetzlichen Versorgungsauftrag verletzt. Die Bewohner des Bundesgebietes müssten nämlich gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G gleichmäßig und ständig mit jeweils einem bundeslandweit empfangbaren Programm des Hörfunks versorgt werden. Diese Verletzung des Versorgungsauftrages wirke sich zu Lasten der Beschwerdeführerin aus, weil diese als privater Hörfunkveranstalter in der Steiermark im direkten Wettbewerb mit der mitbeteiligten Partei stehe. Durch das beschriebene Verhalten der Mitbeteiligten würden Hörer, die zwischen den Programmen wechselten, in Richtung des Programms Ö3 abgeworben und es würde damit die Marktüberlegenheit der mitbeteiligten Partei ausgebaut werden. Außerdem habe sich die Mitbeteiligte durch die gesetzwidrige Durchschaltung Kosten erspart und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Die Beschwerdeführerin beantragte daher die Feststellung, dass die mitbeteiligte Partei das ORF-G verletzt habe und die Veröffentlichung dieser Entscheidung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, soweit er sich auf § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. a ORF-G stützt, zurück und im Übrigen gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. d iVm § 3 Abs. 1 ORF-G ab. In der Begründung gab sie die im Verwaltungsverfahren erstattete Stellungnahme der mitbeteiligten Partei wieder. Demnach sei am 21. November 2006 um

22.29 Uhr in der automatischen Nachtabwicklung des ORF-Regionalprogrammes ein technisches Problem aufgetreten, das Programm habe daher auf Grund dieses Fehlers unterbrochen werden müssen. Nach einer Sendepause von einer Minute hätte das Notfallsystem automatisch auf Ö3 umgeschaltet, damit ein längerer gänzlicher Programmausfall in der Steiermark vermieden werde. Um 23 Uhr des genannten Tages habe das Abwicklungssystem die regionalen Nachrichten wieder übernehmen können und das reguläre Nachtprogramm von Radio Steiermark fortgesetzt. Da die Programmunterbrechung somit durch einen technischen Störfall verursacht worden sei, der auch bei größter Sorgfalt nicht verhindert werden könne, liege nach Ansicht der mitbeteiligten Partei kein Verstoß gegen den Versorgungsauftrag vor.

In ihren Sachverhaltsfeststellungen folgte die belangte Behörde, nachdem sie in die Programmaufzeichnung des fraglichen Zeitraumes Einsicht genommen hatte, bezüglich des dargestellten Programmablaufs den Angaben der Beschwerdeführerin. Als Ursache des geschilderten Herganges nahm die belangte Behörde ein technisch bedingtes Problem der mitbeteiligten Partei an, zumal ein solches auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden sei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass § 3 Abs. 1 ORF-G keinen unbedingten Versorgungsauftrag erteile. Die mitbeteiligte Partei habe den Versorgungsauftrag nach dem letzten Satz dieser Bestimmung nämlich nur nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu erfüllen. Die Beschwerdeführerin habe zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei, dass ein technisches Problem den Programmwechsel erzwungen habe, im Verwaltungsverfahren repliziert, dass die mitbeteiligte Partei durch eine "redundante Sendetechnik" Vorsorge für das technische Problem hätte treffen müssen. Dem könne die belangte Behörde nicht beipflichten, weil auch die Anschaffung zusätzlicher Sendetechnik die Ausfallsicherheit nicht für alle möglichen Fälle gewährleisten könne und weil, wie die mitbeteiligte Partei vorgebracht habe, die Anschaffung weiterer Sendetechnik zur Erreichung einer noch höheren Ausfallsicherheit jenseits der wirtschaftlichen Tragbarkeit liege. Dem Gesetzgeber könne nach Ansicht der belangten Behörde jedenfalls nicht unterstellt werden, dass er der mitbeteiligten Partei eine "auf Grund technischer Unabwägbarkeiten nicht erfüllbare Aufgabe" gestellt habe. Im Übrigen habe der Gesetzgeber der mitbeteiligten Partei eine Programmübernahme nicht grundsätzlich verboten. Zusammenfassend stelle somit die in Rede stehende kurzzeitige Übernahme des Programms Ö3 in das Regionalprogramm des Landes Steiermark keinen Verstoß gegen den Versorgungsauftrag dar, sodass die auf § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. d ORF-G gestützte Beschwerde abzuweisen gewesen sei. Soweit die Beschwerde auf der lit. a der zuletzt genannten Bestimmung beruhe, sei sie zurückzuweisen gewesen, weil die Beschwerdeführerin die nach dieser Bestimmung geforderte unmittelbare Schädigung nicht überzeugend dargelegt habe.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der hierüber erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des ORF-G lauten:

"Versorgungsauftrag

§ 3. (1) Der Österreichische Rundfunk hat unter Mitwirkung aller Studios

1. für drei österreichweit und neun bundeslandweit empfangbare Programme des Hörfunks und

2. ...

zu sorgen.

Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit dafür zu sorgen, dass in Bezug auf Programm- und Empfangsqualität alle zum Betrieb eines Rundfunkempfangsgerätes (Hörfunk und Fernsehen) berechtigten Bewohner des Bundesgebietes gleichmäßig und ständig mit jeweils einem bundeslandweit und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Hörfunks und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Fernsehens versorgt werden.

...

Beschwerden und Anträge

§ 36. (1) Der Bundeskommunikationssenat entscheidet neben den in § 11a KOG genannten Fällen gemäß § 35 Abs. 1 - soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist - über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes

1. auf Grund von Beschwerden

a) einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;

...

d) eines Unternehmens, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch die behauptete Verletzung berührt werden. ...

Entscheidung

§ 37. (1) Die Entscheidung des Bundeskommunikationssenates besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist."

Die vorliegende, an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wendet sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen den abweisenden, somit nicht gegen den zurückweisenden Spruchteil des angefochtenen Bescheides.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe das von der mitbeteiligten Partei behauptete technische Problem als Ursache der Programmübernahme nicht außer Streit gestellt, sondern bloß als unerheblich bezeichnet, zeigt sie den behaupteten Feststellungsmangel nicht auf. Die Beschwerde legt nämlich nicht dar, aus welchen Gründen die auf einer Einsicht in die Programmaufzeichnungen beruhende Annahme der belangten Behörde, der genannte Vorfall sei durch ein technisches Problem verursacht worden, unschlüssig sei.

Das weitere Beschwerdevorbringen richtet sich gegen die Auslegung des § 3 Abs. 1 ORF-G im angefochtenen Bescheid. Der letzte Satz dieser Bestimmung relativiere nach Ansicht der Beschwerdeführerin den Versorgungsauftrag nur hinsichtlich "geographisch exponierter" und damit schwer zu versorgender Gebiete, jedoch nicht hinsichtlich eines ganzen Bundeslandes. Im Übrigen sei die von ihr erwähnte "redundante Sendetechnik", die derartige Sendeausfälle verhindere, "state of the art" und schon auf Grund des Versorgungsauftrages "wirtschaftlich zumutbar, weil rechtlich verpflichtend".

Diese Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin stehen mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 ORF-G nicht im Einklang, weil die Relativierung des Versorgungsauftrages "nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit" in dieser Bestimmung nicht bloß auf geographisch exponierte Gebiete eingeschränkt ist und weil diese Gesetzesstelle auch keine "redundante Sendetechnik" vorschreibt.

Der Beschwerde liegt die Auffassung zugrunde, die Mitbeteiligte hätte, um auch in Ausnahmesituationen wie der vorliegenden den Versorgungsauftrag erfüllen zu können, zusätzliche ("redundante") Sendetechnik schaffen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. Jänner 2006, Zl. 2004/04/0219, im Zusammenhang mit der Doppelversorgung eines Versorgungsgebietes ausgesprochen, dass zwar die Unterschreitung der Mindestqualität von Hörfunkprogrammen, nicht aber bloße geringfügige Verschlechterungen der Empfangsqualität eine Überversorgung zum Zwecke der Erfüllung des Versorgungsauftrages gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G rechtfertige. Dieser Rechtsgedanke bedeutet übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall, dass aus dem Ausfall des regionalen Hörfunkprogrammes am 21. November 2006, der lediglich eine halbe Stunde dauerte und nur eine geringfügige Verschlechterung der Hörfunkversorgung bewirkte (so bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es gehäuft zu solchen technischen Gebrechen kommt) noch nicht abgeleitet werden kann, die mitbeteiligte Partei habe den Versorgungsauftrag gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G verletzt, weil sie für einen solchen Fall keine Vorsorge durch eine Zusatzversorgung (redundante Sendetechnik) getroffen hat. Da somit für Fälle wie den gegenständlichen schon die Notwendigkeit der Erweiterung der Sendetechnik zum Zwecke der Erfüllung des Versorgungsauftrages fehlt, wäre ein Ausbau der Sendetechnik bloß zu dem Zweck, singuläre Vorfälle wie den gegenständlichen zu vermeiden, nicht wirtschaftlich zumutbar im Sinne des § 3 Abs. 1 ORF-G.

Soweit die beschwerdeführende Partei als privater Hörfunkveranstalter schließlich eine Ungleichbehandlung gegenüber der mitbeteiligten Partei zu erkennen vermeint, weil § 17 Abs. 2 Privatradiogesetz für private Hörfunkveranstalter eine zeitgleiche Programmübernahme bundesweiter Sendungen (wie sie nach dem Gesagten am 21. November 2006 von der Mitbeteiligten durchgeführt wurde) verbietet, ist sie zunächst darauf hinzuweisen, dass § 17 Abs. 1 Privatradiogesetz die zeitgleiche Übernahme anderer (allerdings nicht bundesweiter) Sendungen ausdrücklich gestattet. Im Übrigen käme eine Anfechtung des § 17 Abs. 2 Privatradiogesetz durch den Verwaltungsgerichtshof gegenständlich schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Bestimmung im Beschwerdefall nicht präjudiziell ist.

Da sich nach dem Gesagten ergibt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007040067.X00

Im RIS seit

30.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten