Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei T*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Landl, Edelmann & Thomasberger, Rechtsanwaltspartnerschaft in Vöcklabruck, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Zuhaltung eines Vertrages, Zahlung von EUR 56.274,25 und Feststellung, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. Juli 2003, GZ 6 R 130/03k-9, womit der Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 27. Juni 2003, GZ 5 Cg 150/03p-4, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichtes wird aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel der klagenden und gefährdeten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge nur mehr als klagende Partei bezeichnet) brachte vor, mit der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge nur als beklagte Partei bezeichnet) am 11. 4. 2001 einen Vertrag über die Errichtung und Aufschließung eines Betriebsbaugebietes abgeschlossen zu haben. Zur Absicherung dieses Projektes habe die beklagte Partei im Zeitraum Mai 2000 bis Juli 2000 mit den jeweiligen Liegenschaftseigentümern des geplantes Betriebsbaugebietes Optionsverträge zum Kauf abgeschlossen. In dem Vertrag vom 11. 4. 2001 habe sich die beklagte Partei verpflichtet, dass die klagende Partei bis zum 30. 6. 2003 ausschließlicher Vertragspartner hinsichtlich der östlichen Erweiterung des Betriebsbaugebietes "mit der Maßgabe der sichtbaren Vertragserfüllung" sei. Die klagende Partei habe den Vertrag durch Erfüllung der Hauptleistungspflichten "sichtbar" erfüllt. Sie sei daher "ausschließlicher Vertragspartner" der beklagten Partei bis zum 30. 6. 2003. Die Bestimmung des Vertrages über die ausschließliche Vertragspartnerschaft bis zum 30. 6. 2003 enthalte das Recht der klagenden Partei, die Übertragung der Optionen zu verlangen und die Verpflichtung der beklagten Partei zur Weitergabe der Kaufoptionen an die klagende Partei zur Schaffung des Eigentums. Die beklagte Partei sei ihrer Verpflichtung zur Weitergabe der Optionen aber trotz schriftlicher Aufforderung im Schreiben vom 22. 4. 2003 nicht nachgekommen. Die klagende Partei erkläre für den Fall der Klagsstattgebung bereits jetzt ausdrücklich, die jeweiligen Optionen auszuüben und die Grundstücke zu erwerben.
Die klagende Partei begehrt die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, sie als Optionsausübungsberechtigte schriftlich namhaft zu machen, wobei sie gleichzeitig die Optionen ausübt. Weiters begehrt sie die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, den Betrag von EUR 56.274,25 sA zu bezahlen und schließlich die Feststellung, dass die beklagte Partei für sämtliche Schäden hafte, die aus ihrer "Nicht - Namhaftung" aus den Optionsverträgen entstehen.
Weiters begehrte die klagende Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der beklagten Partei verboten werde, das Optionsrecht aus den näher bezeichneten Optionsverträgen auszuüben, oder Dritte als Optionsberechtigte namhaft zu machen. Dazu führte die klagende Partei unter Hinweis auf ihr Vorbringen in der Klage aus, sie habe einen Anspruch auf alleinige Vertragspartnerschaft gegenüber der beklagten Partei, der mit 30. 6. 2003 befristet sei; sie habe bis zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Weitergabe der jeweiligen Kaufoptionen. Sie sei ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen, weshalb ihr Anspruch auf Weitergabe der Optionen zu Recht bestehe. Die beklagte Partei habe aber die Weitergabe der Optionen verweigert. Es bestehe daher die evidente Gefahr, dass die beklagte Partei die Optionsrechte an dritte Personen weitergebe oder die Optionen für eine Eigenverwertung selbst ausübe. In beiden Fällen wäre ein Erwerb der Liegenschaften durch die klagende Partei endgültig vereitelt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mit der Begründung ab, die klagende Partei habe keine konkreten Tatsachen behauptet, aus denen sich eine konkrete objektive Gefährdung ergebe. Die bloße Erklärung der beklagten Partei, sich an einen Vertrag nicht gebunden zu erachten, reiche nicht aus. Der Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens sei nicht einmal behauptet worden.
Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht wies das Rechtsmittel zurück. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 20.000 übersteigend und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.
Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, es fehle der klagenden Partei an der notwendigen Beschwer. Die klagende Partei vertrete den Standpunkt, ihr Anspruch aus dem Vertrag vom 11. 4. 2001 sei bis zum 30. 6. 2003 befristet und habe sie bis zum 30. 6. 2003 einen Anspruch auf Weitergabe der jeweiligen Kaufoptionen. Ein Rechtsschutzinteresse der klagenden Partei an der Erlassung der einstweiligen Verfügung könne schon nach ihrem eigenen Vorbringen nur bis zum Ablauf des 30. 6. 2003 angenommen werden, da sie die vertragliche Bindung der beklagten Partei als bis zu diesem Zeitpunkt befristet erachte. Aus dem Vorbringen der klagenden Partei ergebe sich weder, dass die Terminisierung zum 30. 6. 2003 als Festsetzung eines Fälligkeitszeitpunktes zu verstehen wäre, noch, dass die Streitteile allenfalls vereinbart hätten, dass es der klagenden Partei frei stehe, durch eine einseitige Erklärung bis zum 30. 6. 2003 die Verpflichtung der beklagten Partei herbeizuführen, ihr die Ausübung der Kaufoptionen zu ermöglichen. In beiden Fällen wäre die beklagte Partei spätestens seit dem 1. 7. 2003 im Leistungsverzug und daher in der Verfügung über die Optionsrechte nicht frei. Behaupte aber die klagende Partei, ihr befristeter Anspruch gegenüber der beklagten Partei dann sei mit Ablauf des 30. 6. 2003 erloschen, dann sei die beklagte Partei nunmehr in der Verfügung über die ihr zustehenden Optionsrechte völlig frei. Schließlich sei auch der Umstand, dass die klagende Partei erklärt habe, die Kaufoptionen auszuüben, rechtlich unerheblich, denn, abgesehen davon, dass dies nicht gegenüber den Liegenschaftseigentümern geschehen sei, wäre Voraussetzung einer rechtswirksamen Ausübung der Optionen gewesen, dass die beklagte Partei die klagende Partei gegenüber den Liegenschaftseigentümern schriftlich als Optionsberechtigte namhaft mache, was zwar mit der Klage angestrebt werde, welcher Anspruch jedoch nach dem eigenen Vorbringen der klagenden Partei mit Ablauf des 30. 6. 2003 erloschen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen. Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zulässig und im Sinne seines Eventualantrags auf Aufhebung auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, sie habe - unter Einbeziehung des Vorbringens in der Klage - eindeutig vorgebracht, dass das ihr vertraglich eingeräumte Recht, die Übertragung der Optionen zu fordern, nach dem 30. 6. 2003 erlösche. Es sei aber weiters vorgebracht worden, dass sie gegenüber der beklagten Partei die Übertragung der Optionen rechtzeitig vor Fristende, nämlich am 22. 4. 2003 gefordert habe. Daraus ergebe sich in rechtlicher Hinsicht ein Leistungsverzug der beklagten Partei.
Hiezu wurde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Antragsvorbringen aus dem Klagevorbringen zu ergänzen ist (RIS-Justiz RS0005231), der Sicherungsantrag ist hinreichend begründet, wenn er sich auf das Klagevorbringen und auf die in der Klage angebotenen Beweismittel beruft (ÖBl 1965, 93).
Berücksichtigt man im vorliegenden Fall das Vorbringen der klagenden Partei in der Klage und im Provisorialantrag, ergibt sich daraus eindeutig die Behauptung, dass die Ansprüche der klagenden Partei (nach ihrem Vorbringen) nicht mit 30. 6. 2003 erloschen sind, sondern, dass ihr das Recht eingeräumt wurde, bis 30. 6. 2003 die Übertragung der Optionen zu fordern und dass sie von diesem Recht auch innerhalb der offenen Frist (nämlich am 22. 4. 2003) Gebrauch gemacht hat. Die klagende Partei hat unzweideutig geltend gemacht, dass sich die beklagte Partei in Leistungsverzug befinde, sie hat daher auch ein Klagebegehren auf Erfüllung des Vertrages vom 11. 4. 2001 gestellt. Weiters hat sie vorgebracht, dass die Gefahr bestehe, dass die beklagte Partei die Erfüllung des Vertrages vereitle, indem sie die Optionsrechte an Dritte weitergebe oder selbst ausübe. Sie hat daher die Erlassung der einstweiligen Verfügung begehrt, mit der der beklagten Partei untersagt werden soll, das jeweilige Optionsrecht auszuüben oder Dritte als Optionsberechtigte namhaft zu machen.
Es besteht daher nach dem Vorbringen der klagenden Partei durchaus ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten einstweiligen Verfügung, weshalb der Beschluss des Rekursgerichtes, mit dem das Rechtsmittel der klagenden Partei wegen fehlender Beschwer zurückgewiesen wurde, aufzuheben ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO, Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E70907 2Ob198.03mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0020OB00198.03M.0912.000Dokumentnummer
JJT_20030912_OGH0002_0020OB00198_03M0000_000