TE OGH 2003/9/16 10ObS229/03d

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Veröffentlicht am 16.09.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Susanne M*****, vertreten durch DDr. Christa Fries, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2003, GZ 9 Rs 79/03h-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Dezember 2002, GZ 2 Cgs 5/02h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht hat gemäß § 87 Abs 1 ASGG sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen; der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist allerdings in Sozialrechtssachen nicht anzuwenden (SZ 62/157 = SSV-NF 3/115; RIS-Justiz RS0103347). Die Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme besteht hinsichtlich von Umständen, für deren Vorliegen sich aus den Ergebnissen des Verfahrens Anhaltspunkte ergeben. Nur dann, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Aktes Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen (SSV-NF 8/92; RIS-Justiz RS0086455). Umgekehrt gesprochen besteht kein Anlass für das Gericht, das Verfahren auf alle denkbaren gesundheitlichen Einschränkungen zu erstrecken, für deren Vorliegen keine ausreichenden Hinweise bestehen (RIS-Justiz RS0042477 [T4] und [T7]).Das Gericht hat gemäß Paragraph 87, Absatz eins, ASGG sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen; der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist allerdings in Sozialrechtssachen nicht anzuwenden (SZ 62/157 = SSV-NF 3/115; RIS-Justiz RS0103347). Die Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme besteht hinsichtlich von Umständen, für deren Vorliegen sich aus den Ergebnissen des Verfahrens Anhaltspunkte ergeben. Nur dann, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Aktes Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen (SSV-NF 8/92; RIS-Justiz RS0086455). Umgekehrt gesprochen besteht kein Anlass für das Gericht, das Verfahren auf alle denkbaren gesundheitlichen Einschränkungen zu erstrecken, für deren Vorliegen keine ausreichenden Hinweise bestehen (RIS-Justiz RS0042477 [T4] und [T7]).

Im erstinstanzlichen Verfahren wurden Gutachten von Sachverständigen aus dem Bereich der inneren Medizin, der Orthopädie und der Urologie eingeholt. Auf dieser Grundlage hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin der Betreuung und Hilfe bei folgenden Verrichtungen bedarf: bei der täglichen und gründlichen Körperreinigung (Zehen, Beine, Genitale), beim Aus- und Anziehen von Strümpfen und Schuhen, bei der Zubereitung von Mahlzeiten aus Frischprodukten, bei der oberflächlichen und gründlichen Wohnungsreinigung, bei der Pflege der Leib- und Bettwäsche, bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, bei Behördenwegen und Arztbesuchen. Da die Stehfähigkeit nur im Sekundenbereich für Transferleistungen möglich ist, ist die Klägerin ständig auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen.

Unter Zugrundelegung der Richt-, Mindest- und Fixwerte nach §§ 1 und 2 der EinstV zum BPGG ist das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zu folgendem monatlichen Pflegebedarf gelangt:Unter Zugrundelegung der Richt-, Mindest- und Fixwerte nach Paragraphen eins und 2 der EinstV zum BPGG ist das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zu folgendem monatlichen Pflegebedarf gelangt:

An- und Auskleiden (Richtwert)               20 Stunden/Monat

Mobilitätshilfe im engeren Sinn (Richtwert)  15 Stunden/Monat

Tägliche Körperpflege (Mindestwert)          25 Stunden/Monat

Zubereitung von Mahlzeiten (Mindestwert)     30 Stunden/Monat

Herbeischaffen von Lebens- und Arzneimitteln

(Fixwert)                                    10 Stunden/Monat

Wohnungsreinigung (Fixwert)                  10 Stunden/Monat

Wäschepflege (Fixwert)                       10 Stunden/Monat

Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (Fixwert)   10 Stunden/Monat

                                            130 Stunden/Monat

Abweichungen von Mindestwerten sind nach der Rechtsprechung nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Pflegeaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet (RIS-Justiz RS0058292 [T2]). Auch Abweichungen von Richtwerten bedürfen einer Begründung dahingehend, warum in einem Einzelfall ein spezifischer Betreuungsaufwand an- oder wegfällt, sodass eben ein Abweichen in einem konkret zu bestimmenden Ausmaß geboten ist (vgl RIS-Justiz RS0053147).Abweichungen von Mindestwerten sind nach der Rechtsprechung nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Pflegeaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet (RIS-Justiz RS0058292 [T2]). Auch Abweichungen von Richtwerten bedürfen einer Begründung dahingehend, warum in einem Einzelfall ein spezifischer Betreuungsaufwand an- oder wegfällt, sodass eben ein Abweichen in einem konkret zu bestimmenden Ausmaß geboten ist vergleiche RIS-Justiz RS0053147).

Für das Erfordernis eines Abweichens von Mindest- und Richtwerten haben sich aber im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens keine konkreten Gründe für ein solches Abweichen aufgezeigt, sieht man von der Behauptung ab, dass ihr Pflegebedarf eben durchschnittlich über 160 Stunden pro Monat betragen soll. In diesem Sinn hat sich das Berufungsgericht ausreichend mit der Mängelrüge der Berufung auseinandergesetzt. Es ist nicht zu erkennen, dass eine "Außerstreitstellung" zu Lasten der daran nicht beteiligten Klägerin verwertet worden wäre. Vielmehr wäre es an der Klägerin gelegen darzutun, aus welchen Gründen der aufgrund von Richtwerten, Mindestwerten und Fixwerten errechnete durchschnittliche Pflegebedarf (den die beklagte Partei gar nicht bestritten hat) nicht ausreichend sei.

Hat das Berufungsgericht angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz verneint (SSV-NF 5/116, 7/74, 11/15 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061; weitere Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO2 § 503 Rz 3 Abs 2), können diese - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Dies gilt auch für eine unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht (RIS-Justiz RS0043172 [T2]).Hat das Berufungsgericht angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz verneint (SSV-NF 5/116, 7/74, 11/15 ua; RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061; weitere Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO2 Paragraph 503, Rz 3 Absatz 2,), können diese - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Dies gilt auch für eine unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht (RIS-Justiz RS0043172 [T2]).

Die in § 482 Abs 2 ZPO enthaltene Ausnahme vom Neuerungsverbot betrifft nur Tatumstände und Beweise, die zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden. Diese Vorschrift bringt keine Lockerung des (in Sozialrechtssachen ausnahmslos geltenden) Neuerungsverbots in Ansehung der Behauptungs- und Beweisgrundlage für die Entscheidung über den Anspruch mit sich (SSV-NF 8/60; SZ 71/107 = SSV-NF 12/89). Letztlich unternimmt die Revisionswerberin mit dem Hinweis, das Berufungsgericht hätte auf ihr in der Berufung erstattetes neue Vorbringen einzugehen gehabt, den Versuch einer Bekämpfung der von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen; andernfalls hätte die gewünschte Berücksichtigung dieses neuen Vorbringens keinen Sinn. Eine Bekämpfung der Tatsachengrundlage, von der die Entscheidungen der Vorinstanzen ausgehen, ist jedoch in dritter Instanz nicht zulässig. Eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung der zu entscheidenden Rechtsfragen durch das Berufungsgericht ist nicht zu erblicken. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.Die in Paragraph 482, Absatz 2, ZPO enthaltene Ausnahme vom Neuerungsverbot betrifft nur Tatumstände und Beweise, die zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden. Diese Vorschrift bringt keine Lockerung des (in Sozialrechtssachen ausnahmslos geltenden) Neuerungsverbots in Ansehung der Behauptungs- und Beweisgrundlage für die Entscheidung über den Anspruch mit sich (SSV-NF 8/60; SZ 71/107 = SSV-NF 12/89). Letztlich unternimmt die Revisionswerberin mit dem Hinweis, das Berufungsgericht hätte auf ihr in der Berufung erstattetes neue Vorbringen einzugehen gehabt, den Versuch einer Bekämpfung der von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen; andernfalls hätte die gewünschte Berücksichtigung dieses neuen Vorbringens keinen Sinn. Eine Bekämpfung der Tatsachengrundlage, von der die Entscheidungen der Vorinstanzen ausgehen, ist jedoch in dritter Instanz nicht zulässig. Eine im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung der zu entscheidenden Rechtsfragen durch das Berufungsgericht ist nicht zu erblicken. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E70807 10ObS229.03d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:010OBS00229.03D.0916.000

Dokumentnummer

JJT_20030916_OGH0002_010OBS00229_03D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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