TE OGH 2003/9/16 10ObS202/03h

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2003
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und Dr. Peter Ladislav (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl B*****, Landwirt, ***** vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1030 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2003, GZ 12 Rs 33/03i-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Dezember 2002, GZ 18 Cgs 124/02z-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 166,56 EUR (davon 27,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger zog sich bei einem Arbeitsunfall am 22. 1. 2001 einen Bruch des linken Außenknöchels und einen Riss des vorderen Syndesmosenbandes zu. Daraus resultiert ab 26. 6. 2002 eine unfallbedingte MdE von 10 vH auf dauernd.

Am 26. 6. 2001 erlitt der Kläger neuerlich einen Arbeitsunfall, bei dem er sich einen Beckenringbruch mit Symphysensprengung, einen Bruch des linken oberen und unteren Schambeinastes, einen Bruch der rechten Beckenschaufel, eine Zerreißung des rechten Kreuz-Darmbeingelenkes und eine Gehirnerschütterung zuzog. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus diesem Arbeitsunfall beträgt ab 26. 6. 2002 auf dauernd 25 vH. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aus beiden Arbeitsunfällen beträgt ab 26. 6. 2002 35 vH.

Mit Bescheid vom 19. 6. 2002 hat die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern den Antrag des Klägers vom 25. 4. 2002 auf Gewährung eines Versehrtengeldes gemäß § 149g Abs 1 BSVG abgelehnt, da die Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 6. 2001 keine über ein Jahr nach Eintritt dieses Versicherungsfalles hinaus andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vH begründeten. Eine Zusammenrechnung der Erwerbsminderung aus mehreren Arbeitsunfällen sei nicht vorgesehen.Mit Bescheid vom 19. 6. 2002 hat die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern den Antrag des Klägers vom 25. 4. 2002 auf Gewährung eines Versehrtengeldes gemäß Paragraph 149 g, Absatz eins, BSVG abgelehnt, da die Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 6. 2001 keine über ein Jahr nach Eintritt dieses Versicherungsfalles hinaus andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vH begründeten. Eine Zusammenrechnung der Erwerbsminderung aus mehreren Arbeitsunfällen sei nicht vorgesehen.

Im gerichtlichen Verfahren ist - da alle anderen Anspruchsvoraussetzungen für das begehrte Versehrtengeld nach § 149g Abs 1 Z 1 BSVG (idF der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140) nicht mehr strittig sind - nur mehr die Rechtsfrage zu beurteilen, ob bei der prognostischen Ermittlung der Erwerbsminderung mehrere innerhalb eines Jahres erlittene Arbeitsunfälle isoliert oder zusammengenommen zu betrachten sind.Im gerichtlichen Verfahren ist - da alle anderen Anspruchsvoraussetzungen für das begehrte Versehrtengeld nach Paragraph 149 g, Absatz eins, Ziffer eins, BSVG in der Fassung der 22. BSVG-Novelle, BGBl römisch eins 1998/140) nicht mehr strittig sind - nur mehr die Rechtsfrage zu beurteilen, ob bei der prognostischen Ermittlung der Erwerbsminderung mehrere innerhalb eines Jahres erlittene Arbeitsunfälle isoliert oder zusammengenommen zu betrachten sind.

Das Erstgericht sprach dem Kläger aufgrund der Arbeitsunfälle vom 23. 1. 2001 und vom 26. 6. 2001 ein Versehrtengeld im gesetzlichen Ausmaß vom 26. 6. 2001 bis 22. 1. 2002 zu und wies das darüber hinausgehende Begehren auf Zuspruch eines Versehrtengeldes bis zum Anfall einer Betriebsrente ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dem Wortlaut des § 149g BSVG könne nicht entnommen werden, dass nur auf einen einzelnen Unfall abzustellen sein. Dies würde auch dem Zweck widersprechen, den der Gesetzgeber mit der 22. BSVG-Novelle angestrebt habe, nämlich die Gefährdung der Einkommens- und Lebenssituation eines Versicherten im Hinblick auf den (späteren) Anfall einer Betriebsrente durch Leistung eines Versehrtengeldes zu kompensieren. Es sei nicht einzusehen, warum eine Differenzierung danach erfolgen solle, wie viele Arbeitsunfälle zu der für die Leistung erforderlichen MdE von 30 vH geführt hätten, wenn die daraus resultierende Existenzgefährdung insgesamt dennoch eintrete. Auch eine verfassungskonforme Auslegung gebiete eine Abstandnahme von einem Abstellen auf den einzelnen Arbeitsunfall. Vielmehr sei § 149g BSVG im Licht der vor der 22. BSVG-Novelle geltenden Rechtslage zu betrachten, die - abgesehen von der Verschärfung der Anforderungen innerhalb des ersten Jahres - im Wesentlichen beibehalten worden sei. Dies spreche dafür, die Grundsätze für die Gewährung einer "gestützten" vorläufigen Versehrtenrente (§ 210 ASVG) auch auf das Versehrtengeld nach dem BSVG anzuwenden. Bei einer Gesamtschau der Folgen beider Arbeitsunfälle liege eine prognostische Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 35 vH vor, sodass die Anspruchsvoraussetzungen für das Versehrtengeld erfüllt seien. Diese Leistung könne aber nur für denjenen Zeitraum gebühren, in dem sich die jeweilige Jahresfrist nach den beiden Unfällen überschneide, also für den Zeitraum vom 26. 6. 2001 bis 22. 1. 2002.Das Erstgericht sprach dem Kläger aufgrund der Arbeitsunfälle vom 23. 1. 2001 und vom 26. 6. 2001 ein Versehrtengeld im gesetzlichen Ausmaß vom 26. 6. 2001 bis 22. 1. 2002 zu und wies das darüber hinausgehende Begehren auf Zuspruch eines Versehrtengeldes bis zum Anfall einer Betriebsrente ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dem Wortlaut des Paragraph 149 g, BSVG könne nicht entnommen werden, dass nur auf einen einzelnen Unfall abzustellen sein. Dies würde auch dem Zweck widersprechen, den der Gesetzgeber mit der 22. BSVG-Novelle angestrebt habe, nämlich die Gefährdung der Einkommens- und Lebenssituation eines Versicherten im Hinblick auf den (späteren) Anfall einer Betriebsrente durch Leistung eines Versehrtengeldes zu kompensieren. Es sei nicht einzusehen, warum eine Differenzierung danach erfolgen solle, wie viele Arbeitsunfälle zu der für die Leistung erforderlichen MdE von 30 vH geführt hätten, wenn die daraus resultierende Existenzgefährdung insgesamt dennoch eintrete. Auch eine verfassungskonforme Auslegung gebiete eine Abstandnahme von einem Abstellen auf den einzelnen Arbeitsunfall. Vielmehr sei Paragraph 149 g, BSVG im Licht der vor der 22. BSVG-Novelle geltenden Rechtslage zu betrachten, die - abgesehen von der Verschärfung der Anforderungen innerhalb des ersten Jahres - im Wesentlichen beibehalten worden sei. Dies spreche dafür, die Grundsätze für die Gewährung einer "gestützten" vorläufigen Versehrtenrente (Paragraph 210, ASVG) auch auf das Versehrtengeld nach dem BSVG anzuwenden. Bei einer Gesamtschau der Folgen beider Arbeitsunfälle liege eine prognostische Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 35 vH vor, sodass die Anspruchsvoraussetzungen für das Versehrtengeld erfüllt seien. Diese Leistung könne aber nur für denjenen Zeitraum gebühren, in dem sich die jeweilige Jahresfrist nach den beiden Unfällen überschneide, also für den Zeitraum vom 26. 6. 2001 bis 22. 1. 2002.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass die früher auch im Bereich des BSVG geltende Entschädigungsbestimmung des § 210 Abs 4 ASVG, die bei Vorliegen mehrerer Versicherungsfälle bis zur Feststellung der Gesamtdauerrente die alleinige Grundlage für die Zuerkennung einer "gestützten" vorläufigen Versehrtenrente aus dem zeitlich letzten Versicherungsfall gebildet habe, mit der Neuregelung der bäuerlichen Unfallversicherung - in modifizierter Form - nur in Bezug auf die Betriebsrente übernommen worden sei (nunmehr § 149l BSVG). Eine vergleichbare Regelung für das Versehrtengeld, das unabhängig von der Höhe der MdE im Einzelfall immer als täglicher Fixbetrag oder - bei erwarteter Schwerversehrtheit - als fixe Einmalzahlung gewährt werde, fehle im BSVG hingegen ebenso wie für das Versehrtengeld nach dem ASVG. Wegen des grundlegend anderen Charakters dieser Leistung seien allfällige Vorschädigungen - mögen sie in einem zeitlichen Naheverhältnis zum letzten Versicherungsfall oder schon mehr als ein Jahr vorher eingetreten sein - ohne Einfluss auf die Gewährung des Versehrtengeldes. Dieses gebühre vielmehr, wenn im Einzelfall die hiefür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Ein "gestütztes" Versehrtengeld bei fehlender Anspruchsvoraussetzung im Einzelfall komme nach dem österreichischen Sozialversicherungssystem grundsätzlich nicht in Betracht und werde auch vom Erstgericht - entgegen § 210 Abs 4 ASVG - ausdrücklich verneint, wenn der zur Stützung erforderliche Vorunfall länger als ein Jahr zurückliege. Die für die Ermittlung der Höhe einer (Gesamt-)Rente maßgebliche Bestimmung des § 210 ASVG und die dazu ergangene Judikatur könnten daher im Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen für eine (fixe) Geldleistung vor dem Anfall einer vergleichbaren Rentenleistung (Betriebsrente) nicht nutzbar gemacht werden. Auch die Konzeption des Versehrtengeldes nach § 149g Abs 1 BSVG (idF der 22. BSVG-Novelle), das von einer prognostischen Einschätzung im Zeitpunkt der Antragstellung abhänge, aber nicht als stichtagsbezogene Gesamtschau mehrerer Versicherungsfälle angelegt sei, spreche gegen die vom Erstgericht gewählte Gesetzesauslegung. Sei aber der Anspruch auf Versehrtengeld - entgegen der Ansicht des Erstgerichts - allein aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 6. 2001 zu beurteilen, erfülle der Kläger nicht alle Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Leistung. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei allein aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 26. 6. 2001 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vH am 26. 6. 2002 nicht mehr zu erwarten gewesen. Vielmehr habe nach dem Gutachten der unfallchirurgischen Sachverständigen schon ab 1. 4. 2002 - und damit vor erfolgter Antragstellung - nur mehr eine MdE von 25 vH bestanden.Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass die früher auch im Bereich des BSVG geltende Entschädigungsbestimmung des Paragraph 210, Absatz 4, ASVG, die bei Vorliegen mehrerer Versicherungsfälle bis zur Feststellung der Gesamtdauerrente die alleinige Grundlage für die Zuerkennung einer "gestützten" vorläufigen Versehrtenrente aus dem zeitlich letzten Versicherungsfall gebildet habe, mit der Neuregelung der bäuerlichen Unfallversicherung - in modifizierter Form - nur in Bezug auf die Betriebsrente übernommen worden sei (nunmehr Paragraph 149 l, BSVG). Eine vergleichbare Regelung für das Versehrtengeld, das unabhängig von der Höhe der MdE im Einzelfall immer als täglicher Fixbetrag oder - bei erwarteter Schwerversehrtheit - als fixe Einmalzahlung gewährt werde, fehle im BSVG hingegen ebenso wie für das Versehrtengeld nach dem ASVG. Wegen des grundlegend anderen Charakters dieser Leistung seien allfällige Vorschädigungen - mögen sie in einem zeitlichen Naheverhältnis zum letzten Versicherungsfall oder schon mehr als ein Jahr vorher eingetreten sein - ohne Einfluss auf die Gewährung des Versehrtengeldes. Dieses gebühre vielmehr, wenn im Einzelfall die hiefür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Ein "gestütztes" Versehrtengeld bei fehlender Anspruchsvoraussetzung im Einzelfall komme nach dem österreichischen Sozialversicherungssystem grundsätzlich nicht in Betracht und werde auch vom Erstgericht - entgegen Paragraph 210, Absatz 4, ASVG - ausdrücklich verneint, wenn der zur Stützung erforderliche Vorunfall länger als ein Jahr zurückliege. Die für die Ermittlung der Höhe einer (Gesamt-)Rente maßgebliche Bestimmung des Paragraph 210, ASVG und die dazu ergangene Judikatur könnten daher im Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen für eine (fixe) Geldleistung vor dem Anfall einer vergleichbaren Rentenleistung (Betriebsrente) nicht nutzbar gemacht werden. Auch die Konzeption des Versehrtengeldes nach Paragraph 149 g, Absatz eins, BSVG in der Fassung der 22. BSVG-Novelle), das von einer prognostischen Einschätzung im Zeitpunkt der Antragstellung abhänge, aber nicht als stichtagsbezogene Gesamtschau mehrerer Versicherungsfälle angelegt sei, spreche gegen die vom Erstgericht gewählte Gesetzesauslegung. Sei aber der Anspruch auf Versehrtengeld - entgegen der Ansicht des Erstgerichts - allein aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. 6. 2001 zu beurteilen, erfülle der Kläger nicht alle Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Leistung. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei allein aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 26. 6. 2001 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 vH am 26. 6. 2002 nicht mehr zu erwarten gewesen. Vielmehr habe nach dem Gutachten der unfallchirurgischen Sachverständigen schon ab 1. 4. 2002 - und damit vor erfolgter Antragstellung - nur mehr eine MdE von 25 vH bestanden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Anspruch auf Versehrtengeld aus mehreren Versicherungsfällen fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Mit der 22. BSVG-Novelle (BGBl I 1998/140) wurde das Recht der bäuerlichen Unfallversicherung, das zuvor (über § 148 BSVG alt) seine Rechtsgrundlage im ASVG gehabt hatte, grundlegend neu geordnet. Das Kernstück der Reform ist die Ausformung eines auf das bäuerliche Berufsleben abgestimmten eigenständigen Leistungsrechts (Riedl, Die bäuerliche Unfallversicherung 1). Vor allem wurde das Versehrtengeld im Zusammenhang mit der Betriebshilfe und der - in einem engen Konnex mit der Aufrechterhaltung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes stehenden - Betriebsrente neu gestaltet (Rudda, Die neue Unfallversicherung der Bauern im Lichte der österreichischen Sozialpolitik, SozSi 1999, 96 [99]). Eckpunkte der Reform sind - neben anderen - das Element der Unterstützung von Betrieben und der spätere Anfall der Direktrenten. Nach § 149d BSVG besteht Anspruch auf Betriebsrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit über ein Jahr nach dem Eintritt des Versicherungsfalles (§ 148h BSVG) hinaus um mindestens 20 vH vermindert ist und für den Versehrten zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch kein Pensionsbezug aus einer eigenen Pension gegeben ist. Die Betriebsrente fällt ein Jahr nach dem Eintritt des Versicherungsfalls an (§ 149d Abs 3 BSVG). In den Gesetzesmaterialien (RV 1236 BlgNR 20. GP 47) wird dieser gegenüber der Parallelbestimmung im ASVG "verzögerte" Anfall mit der berufsspezifischen Situation der Land- und Forstwirtschaft begründet, die das gesamte wirtschaftliche Handeln auf ein Arbeits- bzw ein Wirtschaftsjahr auslege. Während dieser Zeitspanne müssten in erster Linie Maßnahmen gesetzt werden, um die Erträge zu erwirtschaften, die sich aus den im Produktionszyklus bereits gesetzten Maßnahmen ergeben. Mögliches Einkommen soll gesichert und der Entfall des Einkommens verhindert werden. Sei die beabsichtigte Einkommenssicherung nicht erreichbar, sollten die sich ergebenden nachteiligen Folgen durch Ersatzarbeitskräfte (§ 148u BSVG) und das Versehrtengeld (§ 149g BSVG) ausgeglichen werden können.Mit der 22. BSVG-Novelle (BGBl römisch eins 1998/140) wurde das Recht der bäuerlichen Unfallversicherung, das zuvor (über Paragraph 148, BSVG alt) seine Rechtsgrundlage im ASVG gehabt hatte, grundlegend neu geordnet. Das Kernstück der Reform ist die Ausformung eines auf das bäuerliche Berufsleben abgestimmten eigenständigen Leistungsrechts (Riedl, Die bäuerliche Unfallversicherung 1). Vor allem wurde das Versehrtengeld im Zusammenhang mit der Betriebshilfe und der - in einem engen Konnex mit der Aufrechterhaltung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes stehenden - Betriebsrente neu gestaltet (Rudda, Die neue Unfallversicherung der Bauern im Lichte der österreichischen Sozialpolitik, SozSi 1999, 96 [99]). Eckpunkte der Reform sind - neben anderen - das Element der Unterstützung von Betrieben und der spätere Anfall der Direktrenten. Nach Paragraph 149 d, BSVG besteht Anspruch auf Betriebsrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit über ein Jahr nach dem Eintritt des Versicherungsfalles (Paragraph 148 h, BSVG) hinaus um mindestens 20 vH vermindert ist und für den Versehrten zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch kein Pensionsbezug aus einer eigenen Pension gegeben ist. Die Betriebsrente fällt ein Jahr nach dem Eintritt des Versicherungsfalls an (Paragraph 149 d, Absatz 3, BSVG). In den Gesetzesmaterialien (RV 1236 BlgNR 20. GP 47) wird dieser gegenüber der Parallelbestimmung im ASVG "verzögerte" Anfall mit der berufsspezifischen Situation der Land- und Forstwirtschaft begründet, die das gesamte wirtschaftliche Handeln auf ein Arbeits- bzw ein Wirtschaftsjahr auslege. Während dieser Zeitspanne müssten in erster Linie Maßnahmen gesetzt werden, um die Erträge zu erwirtschaften, die sich aus den im Produktionszyklus bereits gesetzten Maßnahmen ergeben. Mögliches Einkommen soll gesichert und der Entfall des Einkommens verhindert werden. Sei die beabsichtigte Einkommenssicherung nicht erreichbar, sollten die sich ergebenden nachteiligen Folgen durch Ersatzarbeitskräfte (Paragraph 148 u, BSVG) und das Versehrtengeld (Paragraph 149 g, BSVG) ausgeglichen werden können.

Versehrtengeld aus der Unfallversicherung gebührt nach § 149g Abs 1 BSVG unter der Voraussetzung, dass nach Ablauf eines Jahres nach Eintritt des Versicherungsfalles noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 30 vH zu erwarten ist, in dem Jahr zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Anfall der Betriebsrente, soweit und solange dies nötig ist, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls einen nicht durch die Leistungen der Unfallversicherung (Teilersatz für Ersatzarbeitskräfte, besondere Unterstützung und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation) kompensierbaren kausalen Einkommensausfall zur Folge hat, der geeignet ist, die wirtschaftliche Existenz des Versicherten ernsthaft zu gefährden.Versehrtengeld aus der Unfallversicherung gebührt nach Paragraph 149 g, Absatz eins, BSVG unter der Voraussetzung, dass nach Ablauf eines Jahres nach Eintritt des Versicherungsfalles noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 30 vH zu erwarten ist, in dem Jahr zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Anfall der Betriebsrente, soweit und solange dies nötig ist, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls einen nicht durch die Leistungen der Unfallversicherung (Teilersatz für Ersatzarbeitskräfte, besondere Unterstützung und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation) kompensierbaren kausalen Einkommensausfall zur Folge hat, der geeignet ist, die wirtschaftliche Existenz des Versicherten ernsthaft zu gefährden.

Aus dem der Reform zugrunde liegenden Ansatz, den Leistungsfluss zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzen zu lassen, um die zeitliche Adäquanz von Leistungsbedarf und Leistungserbringung zu optimieren (Figl, Die neue bäuerliche Unfallversicherung, SozSi 1999, 102 [108]), ist abzuleiten, dass nicht erst nach Ablauf des ersten Jahres nach Eintritt des Versicherungsfalls zu beurteilen ist, ob noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest von 30 vH zu erwarten ist, sondern dass diese Einschätzung bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt innerhalb des ersten Jahres prognostisch - unter der Prämisse eines komplikationsfreien Heilungsprozesses - vorzunehmen ist (Figl, Reform der bäuerlichen Unfallversicherung zum 1. Jänner 1999, ASoK 1999, 55 [65 f]).

Theoretisch könnte das Versehrtengeld bereits unmittelbar nach Eintritt des Versicherungsfalls einsetzen; weshalb auf eine gesetzliche Anfallsregel verzichtet wude, um die Flexibilität in der Leistungserbringung zu unterstützen (RV 1236 BlgNR 20. GP 48).

Die Individualität und der Ausnahmecharakter der Pflichtleistung Versehrtengeld zeigen sich in der beschriebenen Voraussetzung des die wirtschaftliche Existenz ernsthaft gefährdenden Einkommensausfalls, weiters in der Subsidiarität gegenüber sonstigen Leistungen der Unfallversicherung und in der in § 149g Abs 4 BSVG vorgesehenen Einkommensanrechnung.Die Individualität und der Ausnahmecharakter der Pflichtleistung Versehrtengeld zeigen sich in der beschriebenen Voraussetzung des die wirtschaftliche Existenz ernsthaft gefährdenden Einkommensausfalls, weiters in der Subsidiarität gegenüber sonstigen Leistungen der Unfallversicherung und in der in Paragraph 149 g, Absatz 4, BSVG vorgesehenen Einkommensanrechnung.

Ab dem ersten Jahr nach Eintritt des Versicherungsfalls soll - bei Vorliegen der dafür aufgestellten Voraussetzungen (§ 149d Abs 1 BSVG) - die Betriebsrente den Einkommensausfall ausgleichen und die Betriebsfortführung in ökonomischer Hinsicht sicherstellen. Kann die Betriebsrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalls wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden, ist die Betriebsrente als vorläufige Rente zu gewähren (§ 149k BSVG).Ab dem ersten Jahr nach Eintritt des Versicherungsfalls soll - bei Vorliegen der dafür aufgestellten Voraussetzungen (Paragraph 149 d, Absatz eins, BSVG) - die Betriebsrente den Einkommensausfall ausgleichen und die Betriebsfortführung in ökonomischer Hinsicht sicherstellen. Kann die Betriebsrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalls wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden, ist die Betriebsrente als vorläufige Rente zu gewähren (Paragraph 149 k, BSVG).

Die Konsequenzen des Zusammentreffens mehrerer Versicherungsfälle sind in § 149l BSVG in der Form geregelt, dass - parallel zu § 210 Abs 1 ASVG - spätestens ab dem dritten Jahr nach dem Eintritt des letzten Versicherungsfalls eine Gesamtrente zu bilden ist; bis dahin ist der letzte Versicherungsfall gesondert zu entschädigen, sofern das rentenbegründende Ausmaß erreicht wird (§ 149l Abs 4 BSVG).Die Konsequenzen des Zusammentreffens mehrerer Versicherungsfälle sind in Paragraph 149 l, BSVG in der Form geregelt, dass - parallel zu Paragraph 210, Absatz eins, ASVG - spätestens ab dem dritten Jahr nach dem Eintritt des letzten Versicherungsfalls eine Gesamtrente zu bilden ist; bis dahin ist der letzte Versicherungsfall gesondert zu entschädigen, sofern das rentenbegründende Ausmaß erreicht wird (Paragraph 149 l, Absatz 4, BSVG).

Eine vergleichbare Regelung enthält das BSVG zum Versehrtengeld nicht, was aber auch nicht verwunderlich ist, ist es doch als rasche Geldaushilfe in einer Sonderkonstellation im ersten Jahr nach Eintritt des Versicherungsfalls angelegt. Die Textierung des § 149g BSVG stellt dementsprechend auf den Versicherungsfall in der Einzahl ab. Auch wenn die beschriebene Sonderkonstellation durchaus denkbar ist, wenn erst durch die Kombination von Unfallfolgen aus zwei oder mehr knapp hintereinander stattgefundenen Unfällen zu einer Gefährdung iSd § 149g Abs 1 Z 1 BSVG führen kann, sprechen doch die eingeschränkte Leistungsdauer und der Ausnahmecharakter gegen eine planwidrige Lücke, die eine analoge Heranziehung der Wertung des § 149l BSVG erst ermöglichen würde. Aus § 149l BSVG geht hervor, dass beim Zusammentreffen der Folgen mehrerer Unfälle eine Einschätzung der Gesamt-MdE erst zu einem relativ späten Zeitpunkt möglich sein wird. Dem steht beim Versehrtengeld das Ziel einer möglichst frühen Prognoseentscheidung gegenüber. Es ist daher davon auszugehen, dass für den Anspruch auf Versehrtengeld jeder Versicherungsfall für sich allein zu beurteilen ist (vgl auch Riedl aaO 147).Eine vergleichbare Regelung enthält das BSVG zum Versehrtengeld nicht, was aber auch nicht verwunderlich ist, ist es doch als rasche Geldaushilfe in einer Sonderkonstellation im ersten Jahr nach Eintritt des Versicherungsfalls angelegt. Die Textierung des Paragraph 149 g, BSVG stellt dementsprechend auf den Versicherungsfall in der Einzahl ab. Auch wenn die beschriebene Sonderkonstellation durchaus denkbar ist, wenn erst durch die Kombination von Unfallfolgen aus zwei oder mehr knapp hintereinander stattgefundenen Unfällen zu einer Gefährdung iSd Paragraph 149 g, Absatz eins, Ziffer eins, BSVG führen kann, sprechen doch die eingeschränkte Leistungsdauer und der Ausnahmecharakter gegen eine planwidrige Lücke, die eine analoge Heranziehung der Wertung des Paragraph 149 l, BSVG erst ermöglichen würde. Aus Paragraph 149 l, BSVG geht hervor, dass beim Zusammentreffen der Folgen mehrerer Unfälle eine Einschätzung der Gesamt-MdE erst zu einem relativ späten Zeitpunkt möglich sein wird. Dem steht beim Versehrtengeld das Ziel einer möglichst frühen Prognoseentscheidung gegenüber. Es ist daher davon auszugehen, dass für den Anspruch auf Versehrtengeld jeder Versicherungsfall für sich allein zu beurteilen ist vergleiche auch Riedl aaO 147).

Die ursprünglich in § 149l Abs 1 BSVG vorgesehene Einschränkung der stützenden Wirkung einer Vorschädigung bei der Versehrtenrente (s dazu RV 1236 BlgNR 20. GP 49; Riedl aaO 156) wurde mit der 24. BSVG-Novelle (BGBl I 2001/101), mit der § 149l BSVG an § 210 ASVG idF der 58. ASVG-Novelle angepasst wurde, beseitigt.Die ursprünglich in Paragraph 149 l, Absatz eins, BSVG vorgesehene Einschränkung der stützenden Wirkung einer Vorschädigung bei der Versehrtenrente (s dazu RV 1236 BlgNR 20. GP 49; Riedl aaO 156) wurde mit der 24. BSVG-Novelle (BGBl römisch eins 2001/101), mit der Paragraph 149 l, BSVG an Paragraph 210, ASVG in der Fassung der 58. ASVG-Novelle angepasst wurde, beseitigt.

Somit ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Versicherten die Hälfte der Kosten seines Vertreters zuzusprechen (RIS-Justiz RS0085871).Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Versicherten die Hälfte der Kosten seines Vertreters zuzusprechen (RIS-Justiz RS0085871).

Textnummer

E70836

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:010OBS00202.03H.0916.000

Im RIS seit

16.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten