Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Steiner ua, Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 13.040,62 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2003, GZ 4 R 217/02i-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Wr. Neustadt vom 16. August 2002, GZ 22 Cg 260/00m-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:
"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 13.040,62 samt 5 % Zinsen seit 15. 9. 2000 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.503,24 (darin EUR 583,87 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 1.592,60 (darin EUR 173,60 USt und EUR 551 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 749,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 124,95 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Erich O***** war in der Zeit von 1994 bis März 2000 für die Beklagte, die eine Immobilienvermittlung betreibt, als freier Mitarbeiter tätig. Daneben betrieb er auf eigene Rechnung eine "Agentur". O***** war zu keinem Zeitpunkt beauftragt, ermächtigt oder gar bevollmächtigt (unstrittig), namens der Beklagten Professionisten mit Ausstattungs-, Renovierungs- oder sonstigen Arbeiten zu betrauen; er erteilte jedoch fallweise derartige Aufträge im Namen seiner eigenen "Agentur".
O***** verfügte als freier Mitarbeiter der Beklagten über Visitenkarten der Beklagten (bei Blg ./C anhängend). Diese enthielten neben seinem Namen auch den Firmenwortlaut, die Anschrift, die Telefon- und Faxnummer sowie die Webadresse der Beklagten; irgendwelche Hinweise, dass O***** Bevollmächtigter der Beklagten sei, enthielten diese Visitenkarten nicht.
Im Juni 1999 suchte O***** das Geschäftslokal der Klägerin auf und betraute sie zunächst mit der Erstattung von Kostenvoranschlägen hinsichtlich der Verlegung von Parkettböden in zwei von der Beklagten verkauften bzw vermittelten Wohnungen. O***** stellte sich dabei als Mitarbeiter der Beklagten vor und übergab seinem Gesprächspartner von der Klägerin eine Visitenkarte der Beklagten. Sonst gab O***** bei dieser Gelegenheit keine besonderen Hinweise, in wessen Namen er handle (bzw nicht handle). Die Vollmachtsfrage war kein Thema bei dieser Besprechung.
Nachdem die Kostenvoranschläge bei der Beklagten per Fax eingegangen waren - dass sie dabei außer O***** sonst noch jemandem von der Beklagten zu Gesicht kamen, steht nicht fest -, rief O***** im Juli/August 1999 bei der Klägerin an, dass er den Auftrag erteile. Auf Grund des hohen Zeitdrucks wurde von der Klägerin keine schriftliche Auftragsbestätigung an die Beklagte übermittelt. O*****, der bei seiner Zeugenvernehmung von einem Eigengeschäft ausging, vertröstete die Klägerin immer wieder mit der Bezahlung ihrer Rechnungen und strebt laut eigenem Bekunden ein Schuldenregulierungsverfahren an.
Die Klägerin begehrte für die geleisteten Arbeiten den Klagebetrag von EUR 13.040,62 sA.
Die Beklagte beantragte die Klageabweisung und wendete das Fehlen einer wirksamen Auftragserteilung ein. O***** sei nicht befugt gewesen, die Klägerin in ihrem Namen zu beauftragen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen ging es vom Vorliegen eines rechtswirksamen Vertrages zwischen den Parteien aus. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung, dass eine Anscheinsvollmacht anzunehmen sei, wenn jemand mit Wissen und Willen des Geschäftsherrn über Geschäftspapier und Firmenstampiglie verfüge und das Geschäftslokal des Geschäftsherrn benutze. Die Beklagte habe auch nicht darauf reagiert, dass die Kostenvoranschläge und Rechnungen an sie adressiert gewesen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an und ergänzte, dass O***** das Faxgerät und die Visitenkarte der Beklagten benutzt habe. Es sei daher von einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Berufungsentscheidung nicht von der ständigen Rechtsprechung abweiche, änderte jedoch über Antrag der Beklagten seinen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Die Beklagte habe nämlich zutreffend aufgezeigt, dass sich das Berufungsgericht nicht ausreichend mit der neuesten Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den hier relevanten Problemen auseinandergesetzt habe.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) und eine Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) liegen nicht vor; diese Beurteilung bedarf keiner besonderen Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionswerberin betreffen überwiegend die Rechtsrüge.Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Paragraph 503, Ziffer 2, ZPO) und eine Aktenwidrigkeit (Paragraph 503, Ziffer 3, ZPO) liegen nicht vor; diese Beurteilung bedarf keiner besonderen Begründung (Paragraph 510, Absatz 3, Satz 3 ZPO). Die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionswerberin betreffen überwiegend die Rechtsrüge.
Wirksame Stellvertretung setzt neben dem Handeln des Stellvertreters im Namen des Vertretenen und der (hier nicht weiter strittigen) Geschäftsfähigkeit des Stellvertreters das Vorliegen von Vertretungsmacht voraus (Koziol/Welser I12 180 f mwN). Ob O***** gegenüber der Klägerin hinreichend offenlegte, dass er im Namen der Beklagten agiere, kann auf sich beruhen, weil es jedenfalls an einer gültigen Vertretungsmacht fehlte.
Vollmachtsloses Handeln führt im Privatrecht grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes (RIS-Justiz RS0019586), soweit nicht die Regeln der stillschweigenden bzw der Anscheinsvollmacht eingreifen (RIS-Justiz RS0014726, RS0014729 ua). Die stillschweigende Vollmachtserteilung iSd § 863 ABGB setzt voraus, dass der Dritte aus dem Verhalten des Vertretenen – in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise – folgern darf, dieser wolle damit Vollmacht erteilen. Anscheinsvollmacht darf hingegen dann angenommen werden, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen nur der Schluss abgeleitet werden kann, er habe – bereits früher – Vollmacht erteilt (RIS-Justiz RS0014300, RS0014726, RS0019609, RS0020004, RS0020145 ua). Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgeführt hat, rechtfertigt die Verwendung von Geschäftspapier, Firmenstempel und Faxgerät allein kein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand für eine (Einzel-)Vertretungsbefugnis (1 Ob 538/95; RIS-Justiz RS0017976, RS0020251). Im Übrigen ist hier aus der Verwendung von Geschäftspapier und Firmenstempel entgegen der Auffassung der Vorinstanzen schon deshalb nichts zu gewinnen, weil derartiges im vorliegenden Fall gar nicht zum Tragen kam; der Auftrag an die Klägerin wurde nämlich von O***** telefonisch erteilt. Weshalb aus einem Faxanschluss der Beklagten auf einen Bevollmächtigung O***** geschlossen werden soll, ist nicht nachvollziehbar, gibt doch ein Faxanschluss primär nur zu erkennen, dass der Empfänger (auch) auf diesem Weg erreichbar ist. O***** verwendete den Faxanschluss der Beklagten auch nicht dazu, um gegenüber der Klägerin Erklärungen abzugeben; vielmehr stellte die Klägerin ihrerseits der Beklagten auf dem Faxweg Erklärungen zu.Vollmachtsloses Handeln führt im Privatrecht grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes (RIS-Justiz RS0019586), soweit nicht die Regeln der stillschweigenden bzw der Anscheinsvollmacht eingreifen (RIS-Justiz RS0014726, RS0014729 ua). Die stillschweigende Vollmachtserteilung iSd Paragraph 863, ABGB setzt voraus, dass der Dritte aus dem Verhalten des Vertretenen – in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise – folgern darf, dieser wolle damit Vollmacht erteilen. Anscheinsvollmacht darf hingegen dann angenommen werden, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen nur der Schluss abgeleitet werden kann, er habe – bereits früher – Vollmacht erteilt (RIS-Justiz RS0014300, RS0014726, RS0019609, RS0020004, RS0020145 ua). Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgeführt hat, rechtfertigt die Verwendung von Geschäftspapier, Firmenstempel und Faxgerät allein kein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand für eine (Einzel-)Vertretungsbefugnis (1 Ob 538/95; RIS-Justiz RS0017976, RS0020251). Im Übrigen ist hier aus der Verwendung von Geschäftspapier und Firmenstempel entgegen der Auffassung der Vorinstanzen schon deshalb nichts zu gewinnen, weil derartiges im vorliegenden Fall gar nicht zum Tragen kam; der Auftrag an die Klägerin wurde nämlich von O***** telefonisch erteilt. Weshalb aus einem Faxanschluss der Beklagten auf einen Bevollmächtigung O***** geschlossen werden soll, ist nicht nachvollziehbar, gibt doch ein Faxanschluss primär nur zu erkennen, dass der Empfänger (auch) auf diesem Weg erreichbar ist. O***** verwendete den Faxanschluss der Beklagten auch nicht dazu, um gegenüber der Klägerin Erklärungen abzugeben; vielmehr stellte die Klägerin ihrerseits der Beklagten auf dem Faxweg Erklärungen zu.
Auch die von O***** verwendeten Visitenkarten wurden von den Vorinstanzen in ihrer Bedeutung für das gegenständliche Stellvertretungsproblem überschätzt, geben sie doch keinen Hinweis auf eine Bevollmächtigung O***** durch die Beklagte. Was damit gemeint ist, dass O***** in den Räumlichkeiten der Beklagten unter Verwendung deren Visitenkarten aufgetreten sei, ist nicht verständlich, weil O***** festgestelltermaßen die Klägerin in deren Geschäftslokal aufgesucht hat. Im Übrigen wird man Arbeitnehmer regelmäßig in den Betriebsräumlichkeiten ihres Arbeitgebers antreffen, ohne dass daraus allein schon – von hier nicht relevanen Fällen abgesehen (vgl § 56 HGB ua) – auf eine bestimmte Vollmachtslage geschlossen werden kann.Auch die von O***** verwendeten Visitenkarten wurden von den Vorinstanzen in ihrer Bedeutung für das gegenständliche Stellvertretungsproblem überschätzt, geben sie doch keinen Hinweis auf eine Bevollmächtigung O***** durch die Beklagte. Was damit gemeint ist, dass O***** in den Räumlichkeiten der Beklagten unter Verwendung deren Visitenkarten aufgetreten sei, ist nicht verständlich, weil O***** festgestelltermaßen die Klägerin in deren Geschäftslokal aufgesucht hat. Im Übrigen wird man Arbeitnehmer regelmäßig in den Betriebsräumlichkeiten ihres Arbeitgebers antreffen, ohne dass daraus allein schon – von hier nicht relevanen Fällen abgesehen vergleiche Paragraph 56, HGB ua) – auf eine bestimmte Vollmachtslage geschlossen werden kann.
Der Dritte wird nur dann geschützt, wenn für ihn die Herstellung eines bestimmten Rechtsscheines kausal für den Abschluss des Geschäftes war, wozu gehört, dass ihm zu diesem Zeitpunkt das den Rechtsschein auslösende Verhalten überhaupt bekannt war. Fehlte diese Kenntnis, besteht keine Veranlassung, den Dritten im Verhältnis zum Vertretenen zu schützen. Das Vertrauen des Dritten kann daher nicht in einem nachfolgenden Verhalten des Geschäftsherrn seine Grundlage haben (RIS-Justiz RS0019490). Aus den jede Zahlung ablehnenden Reaktionen der Beklagten nach Rechnungslegung ist daher für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, zumal darin keine Genehmigung des vollmachtslosen Handeln O***** erblickt werden kann. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung konnte sich die Klägerin auf keinen von der Beklagten gesetzten Anschein stützen, auf Grund dessen sie die Vertretungsmacht O***** annehmen konnte. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das Klagebegehren in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Für das Berufungsverfahren gebührt im vorliegenden Fall nach § 23 Abs 9 RATG lediglich der dreifache Einheitssatz.Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Für das Berufungsverfahren gebührt im vorliegenden Fall nach Paragraph 23, Absatz 9, RATG lediglich der dreifache Einheitssatz.
Anmerkung
E70891 9Ob61.03sEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0090OB00061.03S.0924.000Dokumentnummer
JJT_20030924_OGH0002_0090OB00061_03S0000_000