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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StVO 1960 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des MH in F, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 2. Oktober 2006, Zlen. uvs-2006/23/1875-4 und 2006/23/2006-2, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Punkt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde nach einer Anzeige der Polizeiinspektion Neustift im Stubaital vorgeworfen, er habe am 7. Mai 2006 um 2.11 Uhr ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug am Tatort "Gemeinde: Neustift im Stubaital, Art des Tatortes: Privatstrasse-Ortsgebiet, Orts-/Gemeindegebiet:
6166 Fulpmes, Waldrasterstraße 2a, Straßenbezeichnung:
Öffentlicher Parkplatz des Lebensmittelmarktes SPAR" am nördlichen Ende des Parkplatzes in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand durch Starten des Motors auf der genannten Parkfläche "in Betrieb genommen". Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,88 mg/l ergeben.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. Mai 2006 um ca. 2.11 Uhr in "Neustift im Stubaital; auf der Waldrasterstraße 2a, öffentlicher Parkplatz" ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand "gelenkt". Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,88 mg/l ergeben.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.160,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 288 Stunden) verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 2. Oktober 2006 als unbegründet abgewiesen wurde (mit Spruchpunkt II. wurde im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung entschieden).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Spruchpunkt I. in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen (die Entscheidung zu Spruchpunkt II. wird durch den hiefür zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofes erfolgen):
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Wertung des Tatortes als Straße mit öffentlichem Verkehr.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde dazu aus, als Ergebnis ua. eines Lokalaugenscheines (Lichtbilder) stehe fest, dass der gegenständliche Parkplatz, auf dem das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers mit laufendem Motor angetroffen worden sei, mit dem Hinweisschild "PRIVATGRUND, Zufahrt für Kunden und Gäste Hypo-Bank, Cafe Corso, Supermarkt, Parken nur für die Dauer der Besorgung gestattet" mit Zusatztafel "Bei Zuwiderhandlung erfolgt Besitzstörungsklage" sowie weiteren Hinweistafeln mit vergleichbaren Aufschriften gekennzeichnet sei. Bei der Einfahrt zum hinteren Teil des Parkplatzes befinde sich in unmittelbarer Nähe zu einem Hinweisschild eine Absperrvorrichtung, bestehend aus Eisenketten, durch welche der Parkplatz unzugänglich gemacht werden könne. Der Beschwerdeführer habe sich vor der Amtshandlung im Cafe Corso befunden und zur Überbrückung der Wartezeit auf ein bestelltes Taxi zwecks Aufwärmen den Motor des gegenständlichen Kraftfahrzeuges gestartet.
Die oben genannten Feststellungen der belangten Behörde bleiben unbestritten. Der Beschwerdeführer wendet sich lediglich gegen die weitere Feststellung, dass die Absperrvorrichtung zum Tatzeitpunkt nicht durch die Ketten versperrt gewesen sei. Vielmehr sei diese Absperrung geschlossen gewesen, was er durch einen Zeugen, der nicht einvernommen worden sei, hätte beweisen können, weshalb es sich nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle.
Dies ist jedoch ein - wie im Folgenden gezeigt wird - nicht relevanter Punkt, weshalb das darauf aufbauende Vorbringen des Beschwerdeführers samt den daran anknüpfenden Verfahrensrügen an der Sache vorbeigeht:
Die belangte Behörde konnte nämlich schon deshalb von einer Straße mit öffentlichem Verkehr ausgehen, weil dieser Parkplatz nach der Aktenlage (zulässiger Weise) jedenfalls der Benützung durch Fußgänger offen stand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1990, Zlen. 90/02/0094, 0095); selbst wenn zur Tatzeit die Absperrung durch die Kette vorhanden gewesen sein sollte.
Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, er sei wegen einer Tat bestraft worden, die er nicht begangen habe. Diesbezüglich erweist sich die Beschwerde als berechtigt:
Als Sachverhalt wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug "gestartet und die Lüftung in Gang gesetzt" habe, "um den PKW zu beheizen". Der Motor sei nach Angaben des Beschwerdeführers etwa 10 Minuten gelaufen. In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde dementsprechend an, dass das Ingangsetzen des Motors eine "vollendete Inbetriebnahme iSd § 5 StVO" darstelle.
Bestraft wurde der Beschwerdeführer allerdings für das "Lenken" des Kfz's.
Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf jemand, der sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Es handelt sich dabei um zwei voneinander getrennte Tatbestände (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1963, VwSlg. Nr. 6143/A), die auch unabhängig voneinander erfüllt sein können. Hiezu ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zl. 93/03/0204) bereits das Ingangsetzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges darstellt, und zwar auch dann, wenn das Fahren mit dem (= Lenken des) Fahrzeug(es) unmöglich ist. Umgekehrt ist auch das Lenken ohne Anwendung von Maschinenkraft möglich (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2003, Zlen. 2002/02/0192, 0193).
Indem die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Begründung des angefochtenen Bescheides die "vollendete Inbetriebnahme" des gegenständlichen Kraftfahrzeuges vorwarf, ihn aber spruchgemäß wegen "Lenken" dieses Fahrzeuges bestrafte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Denn einerseits wurde der Beschwerdeführer wegen einer Tat bestraft, die er nicht begangen hat, andererseits bewirkt auch ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung eine derartige Rechtswidrigkeit (vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 7. November 1963, VwSlg. Nr. 6143/A).
Für das fortgesetzte Verfahren wird allerdings noch angemerkt, dass der Einwand der Verfolgungsverjährung nicht zutrifft. Denn die eingangs in ihren hier wesentlichen Teilen wiedergegebene Anzeige war Gegenstand der innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist stattgefundenen mündlichen Verhandlung vom 13. September 2006 ("mit Zustimmung des Rechtsvertreters des Beschuldigten" (Anm.: das ist der Beschwerdeführer) gelte unter anderem der erstinstanzliche Strafakt "als verlesen"), was eine rechtzeitige Verfolgungshandlung darstellt. Der in dieser Anzeige enthaltene Tatvorwurf darf dementsprechend einer Bestrafung zu Grunde gelegt werden. Die belangte Behörde wird dabei aber zu beachten haben, dass "Sache" des Berufungsverfahrens die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat und die Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren nicht berechtigt ist, die von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommene Tat auszuwechseln (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1265, insbesondere E 111 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), weshalb die belangte Behörde den Bescheid der Behörde erster Instanz aufzuheben haben wird, um dieser die Möglichkeit zur eröffnen, die (rechtzeitig verfolgte) Tat des Inbetriebnehmens zu ahnden.
Zur Rüge des Beschwerdeführers, der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Tatort stimme nicht, weil in Neustift im Stubaital keine Waldrasterstraße existiere, sondern sich diese in 6166 Fulpmes befinde, wird ebenfalls auf die in der mündlichen Verhandlung vorgekommene Anzeige hingewiesen, die eine taugliche Grundlage für eine Konkretisierung oder Richtigstellung des Tatortes bilden kann.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus dem genannten Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am 30. März 2007
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges Straße mit öffentlichem VerkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006020305.X00Im RIS seit
08.05.2007