Index
24 StrafrechtNorm
B-VG Art137 / sonstige zulässige KlagenLeitsatz
Abweisung der Klage eines eine Waisenpension beziehenden, imMaßnahmenvollzug für nicht zurechnungsfähige Rechtsbrecher in einerAnstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebrachtenJugendlichen gegen den Bund auf Rückzahlung eines nach dem ASVG exlege an den Bund übergegangenen Pensionsteiles; keine generelleBefreiung Jugendlicher von Kostenbeiträgen zum Strafvollzug auf Grunddes Jugendgerichtsgesetzes; diese Regelung keine lex specialis imVerhältnis zur unbedenklichen Regelung des ASVGSpruch
I. Die Klage wird abgewiesen.römisch eins. Die Klage wird abgewiesen.
II. Kosten werden nicht zugesprochen. römisch II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Kläger bezieht eine Waisenpension nach dem Allgemeinenrömisch eins. 1. Der Kläger bezieht eine Waisenpension nach dem Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetz (im Folgenden: ASVG), BGBl. 189/1955 idF BGBl. 684/1978, die ihm ab 29. Jänner 1994 (ersichtlich aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit) über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt wurde. Seit 17. November 1994 ist er in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 Abs1 Strafgesetzbuch (im Folgenden: StGB), BGBl. 60/1974, eingewiesen.Sozialversicherungsgesetz (im Folgenden: ASVG), Bundesgesetzblatt 189 aus 1955, in der Fassung Bundesgesetzblatt 684 aus 1978,, die ihm ab 29. Jänner 1994 (ersichtlich aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit) über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt wurde. Seit 17. November 1994 ist er in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 Abs1 Strafgesetzbuch (im Folgenden: StGB), Bundesgesetzblatt 60 aus 1974,, eingewiesen.
Auf Grund der Bestimmung des §324 Abs4 ASVG werden seit dem 17. November 1994 80 vH der Pension des Klägers von der Pensionsversicherungsanstalt (der Arbeiter) einbehalten und an den Bund abgeführt.
2. Mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger, den Bund schuldig zu erkennen, den Betrag von insgesamt EUR 28.663,76 s.A. binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründend wird dazu ausgeführt:
Gemäß §60 Jugendgerichtsgesetz 1988 (im Folgenden: JGG), BGBl. 599/1988 idF BGBl. I 164/2004, seien Jugendliche zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafvollzuges nicht verpflichtet. Diese Bestimmung stehe damit im Hinblick auf wegen Jugendstraftaten nach §21 Abs1 StGB Untergebrachte im Widerspruch zur früher in Kraft getretenen Norm des §324 Abs3 und 4 ASVG. §60 JGG sei die speziellere Norm, denn sie beziehe sich lediglich auf Jugendliche, während §324 Abs3 und 4 ASVG alle Altersgruppen umfasse. §60 JGG habe daher, was Untergebrachte betreffe, die wegen Jugendstraftaten nach §21 Abs1 StGB angehalten werden, den Bestimmungen des §324 Abs3 und 4 ASVG derogiert. Gemäß §60 Jugendgerichtsgesetz 1988 (im Folgenden: JGG), Bundesgesetzblatt 599 aus 1988, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 164 aus 2004,, seien Jugendliche zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafvollzuges nicht verpflichtet. Diese Bestimmung stehe damit im Hinblick auf wegen Jugendstraftaten nach §21 Abs1 StGB Untergebrachte im Widerspruch zur früher in Kraft getretenen Norm des §324 Abs3 und 4 ASVG. §60 JGG sei die speziellere Norm, denn sie beziehe sich lediglich auf Jugendliche, während §324 Abs3 und 4 ASVG alle Altersgruppen umfasse. §60 JGG habe daher, was Untergebrachte betreffe, die wegen Jugendstraftaten nach §21 Abs1 StGB angehalten werden, den Bestimmungen des §324 Abs3 und 4 ASVG derogiert.
Die Geltendmachung des Anspruchsübergangs durch den Bund gemäß §324 Abs4 iVm Abs3 ASVG komme einer Verpflichtung zur Leistung zu den Kosten des Strafvollzuges gleich und sei deshalb rechtswidrig. Die beklagte Partei sei daher zur Herausgabe dieser ungerechtfertigten Bereicherung an den Kläger verpflichtet. Die Geltendmachung des Anspruchsübergangs durch den Bund gemäß §324 Abs4 in Verbindung mit Abs3 ASVG komme einer Verpflichtung zur Leistung zu den Kosten des Strafvollzuges gleich und sei deshalb rechtswidrig. Die beklagte Partei sei daher zur Herausgabe dieser ungerechtfertigten Bereicherung an den Kläger verpflichtet.
3. Die beklagte Partei (vertreten durch die Bundesministerin für Justiz) erstattete eine Gegenschrift, in der das Klagebegehren dem Grunde nach bestritten und die Abweisung der Klage beantragt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
2. Der Anspruch auf Rückzahlung eines nach §324 Abs4 iVm Abs3 ASVG ex lege an den Bund übergegangenen Pensionsteiles wurzelt - ebenso wie der Übergang und die Überweisung des Pensionsanspruchs an den Bund - im öffentlichen Recht. Solche Ansprüche sind weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen (vgl. OGH 26.6.1990, 10 ObS 298/89). Die Klage ist daher zulässig (VfSlg. 17.684/2005). 2. Der Anspruch auf Rückzahlung eines nach §324 Abs4 in Verbindung mit Abs3 ASVG ex lege an den Bund übergegangenen Pensionsteiles wurzelt - ebenso wie der Übergang und die Überweisung des Pensionsanspruchs an den Bund - im öffentlichen Recht. Solche Ansprüche sind weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen vergleiche OGH 26.6.1990, 10 ObS 298/89). Die Klage ist daher zulässig (VfSlg. 17.684/2005).
3. Die Klage ist jedoch auf Grund der folgenden Überlegungen nicht begründet:
3.1. §324 ASVG lautet - auszugsweise - wie folgt:
"Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe
(1)-(2) ...
Die Bestimmungen des §324 Abs3 und 4 ASVG haben daher - soweit im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung - den Inhalt, dass Pensionsansprüche bei Unterbringung von Pensionsbeziehern auf Kosten eines Sozialhilfeträgers oder - im Falle des Abs4 - auf Kosten des Bundes im Maßnahmenvollzug gemäß §21 Abs1 StGB an den die Kosten hiefür bestreitenden Rechtsträger zu 80 vH übergehen.
3.2. §32 Strafvollzugsgesetz (im Folgenden: StVG), BGBl. 144/1969 idF BGBl. I 109/2007, lautet - auszugsweise - wie folgt: 3.2. §32 Strafvollzugsgesetz (im Folgenden: StVG), Bundesgesetzblatt 144 aus 1969, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 109 aus 2007,, lautet - auszugsweise - wie folgt:
"Kosten des Strafvollzuges
§32. (1) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§31 Abs1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges zu leisten.
Diese Bestimmung ist - neben anderen - gemäß §167 Abs1 StVG auch bei Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher anzuwenden. Keine Verweisung enthält §167 Abs1 StVG hingegen betreffend §60 JGG.
§60 JGG hat folgenden Wortlaut:
"Kosten des Strafvollzuges
§60. Die Arbeitsvergütung ist den wegen einer Jugendstraftat
verurteilten Personen in gleicher Weise wie Erwachsenen gutzuschreiben. Im Übrigen sind Jugendliche und erwachsene Strafgefangene, solange sie dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafvollzuges nicht verpflichtet."
3.3. §60 JGG ist also im Maßnahmenvollzug weder unmittelbar anzuwenden noch hat diese Norm den vom Kläger angenommenen Inhalt:
der unverändert in Geltung stehende erste Satz dieser Bestimmung stammt aus ArtII Z2 der Strafvollzugsnovelle 1993 (BGBl. 799/1993) und verweist der Sache nach (arg. "in gleicher Weise wie Erwachsenen gutzuschreiben") auf §32 Abs2 und 3 StVG in der Fassung des ArtI Z6 derselben Novelle und ordnet damit an, dass - gleich wie bei den Erwachsenen - auch bei den Jugendlichen von der Arbeitsvergütung vor ihrer Gutschrift 75 vH für den Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges in Abzug zu bringen sind. Die Gesetzesmaterialien zu dieser erst im Justizausschuss eingefügten Bestimmung stellen dies auch ausdrücklich klar (vgl. AB 1253 BlgNR 18. GP). Der zweite Satz schließt nur einen darüber hinausgehenden Kostenersatz für Jugendliche aus, also insbesondere für den Fall, dass im Vollzug keine Arbeit erbracht wird.der unverändert in Geltung stehende erste Satz dieser Bestimmung stammt aus ArtII Z2 der Strafvollzugsnovelle 1993 Bundesgesetzblatt 799 aus 1993,) und verweist der Sache nach (arg. "in gleicher Weise wie Erwachsenen gutzuschreiben") auf §32 Abs2 und 3 StVG in der Fassung des ArtI Z6 derselben Novelle und ordnet damit an, dass - gleich wie bei den Erwachsenen - auch bei den Jugendlichen von der Arbeitsvergütung vor ihrer Gutschrift 75 vH für den Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges in Abzug zu bringen sind. Die Gesetzesmaterialien zu dieser erst im Justizausschuss eingefügten Bestimmung stellen dies auch ausdrücklich klar vergleiche AB 1253 BlgNR 18. GP). Der zweite Satz schließt nur einen darüber hinausgehenden Kostenersatz für Jugendliche aus, also insbesondere für den Fall, dass im Vollzug keine Arbeit erbracht wird.
Von einer generellen Befreiung Jugendlicher von Beiträgen zum Strafvollzug kann daher nicht die Rede sein. Es erweist sich daher schon das Normverständnis des §60 JGG, von dem der Kläger seinen Anspruch herleiten möchte, als unzutreffend.
3.4. Zu einem anderen Ergebnis führt aber auch nicht etwa das Gebot verfassungskonformer Interpretation:
Angesichts dessen, dass sowohl im Strafvollzug als auch im Maßnahmenvollzug gemäß §§21 Abs2, 22 und 23 StGB Leistungen aus der Pensionsversicherung gemäß §89 Abs1 Z1 ASVG zur Gänze ruhen (und daher aus einer Pensionsleistung schon deshalb kein Kostenbeitrag zu den Kosten des Strafvollzuges geleistet werden könnte), lassen sich die Verhältnisse in diesen Vollzugsarten mit jenen im Maßnahmenvollzug nach §21 Abs1 StGB (während dessen kein Ruhen der Pensionsleistung eintritt) in Bezug auf die Möglichkeit und Fähigkeit von Strafgefangenen bzw. Untergebrachten zur Leistung von Kostenbeiträgen von vornherein nicht vergleichen. §60 JGG, der die Leistung von Beiträgen zu den Haftkosten aus dem Arbeitseinkommen von Jugendlichen vorsieht, steht daher zu §324 Abs4 ASVG auch nicht im Verhältnis der lex specialis.
3.5. Der Kläger behauptet im Übrigen nicht, dass die Verpflegungskosten für seine Unterbringung weniger als 80 vH seiner Waisenpension betragen. Auch hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die Norm des §324 Abs4 iVm Abs3 ASVG aus dem Blickwinkel des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken (vgl. auch VfSlg. 17.684/2005 - zulässige Differenzierung im Maßnahmenvollzug zwischen Pensionsbeziehern nach dem ASVG und solchen nach dem Pensionsgesetz). 3.5. Der Kläger behauptet im Übrigen nicht, dass die Verpflegungskosten für seine Unterbringung weniger als 80 vH seiner Waisenpension betragen. Auch hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die Norm des §324 Abs4 in Verbindung mit Abs3 ASVG aus dem Blickwinkel des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken vergleiche auch VfSlg. 17.684/2005 - zulässige Differenzierung im Maßnahmenvollzug zwischen Pensionsbeziehern nach dem ASVG und solchen nach dem Pensionsgesetz).
4. Die Klage war somit abzuweisen. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil der anwaltlich nicht vertretenen beklagten Partei kein Anspruch auf Aufwandersatz zusteht (siehe VfSlg. 10.103/1984, 16.023/2000, 17.646/2005) und sonstige im verfassungsgerichtlichen Verfahren ersatzfähige Kosten nicht angefallen sind.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Jugendgerichtsbarkeit, Strafrecht, Strafvollzug, lexspecialis, Sozialversicherung, Pensionsrecht, VfGH / BerichtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:A4.2007Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010