TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/14 2006/10/0123

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Veröffentlicht am 14.05.2007
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

SHG NÖ 2000 §10;
SHG NÖ 2000 §26 Abs1;
SHG NÖ 2000 §3 Abs1 Z3;
SHG NÖ 2000 §32 Abs1;
SHG NÖ 2000 §32 Abs2;
SHG NÖ 2000 §35 Abs1;
SHG NÖ 2000 §35 Abs4;
SHG NÖ 2000 §35 Abs6;
SHG NÖ 2000 §38 Abs1;
SHG NÖ 2000 §38 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des NS in P, vertreten durch Dr. Martina Simlinger-Haas, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 31, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Mai 2006, Zl. GS5-SH- 1128/010-2005, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) vom 19. Juli 2005 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 32 des NÖ Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. 9200, (NÖ SHG), Hilfe zur sozialen Eingliederung durch Aufnahme in das Tageszentrum in S erteilt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die dafür anfallenden Kosten in Höhe von monatlich EUR 978,40 (inkl. Taschengeld, zuzüglich allfälliger Fahrtkosten) vom Land Niederösterreich getragen würden. Der Beschwerdeführer werde jedoch einen Beitrag zu den Kosten zu leisten haben, der ihm mit besonderem Bescheid vorgeschrieben werde.

Mit Bescheid der BH vom 27. Oktober 2005 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, für seinen teilstationären Aufenthalt im Tageszentrum S ab 1. August 2005 einen Kostenbeitrag von monatlich EUR 106,80 zu leisten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich seit 12. Juli 2005 auf Kosten des Landes Niederösterreich im Tageszentrum S. Er werde in dieser Einrichtung im Durchschnitt mehr als fünf Stunden täglich betreut. Er beziehe Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 18,32 täglich, von dem er gemäß § 35 NÖ SHG iVm §§ 4 und 5 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln einen Kostenbeitrag zu leisten habe, und zwar ein "Drittel des zumutbaren Kostenbeitrages", das seien 80 % seines Einkommens, berechnet für 21,5 Tage. Der Kostenbeitrag des Beschwerdeführers betrage daher ab 1. August 2006 EUR 106,80 monatlich.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, er müsse monatlich für Kosten in Höhe von insgesamt EUR 297,45 aufkommen und zwar für die Kosten des Therapeuten (EUR 85,--), für Rezeptgebühren (EUR 26,70), die Kosten für Unterkunft (EUR 150,--), die Kosten für Kosmetikartikel (EUR 20,--) und die Kontaktlinsenreinigung (EUR 7,60) und -desinfektion (EUR 8,15). Er beziehe ein Arbeitslosengeld in der Höhe von monatlich EUR 558,80. Ziehe man davon die erwähnten Kosten und den vorgeschriebenen Kostenbeitrag ab, so verbliebe ihm monatlich ein Betrag von lediglich EUR 154,55. Damit könne er den offenen Lebens- und Bekleidungsbedarf allerdings nicht decken.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Mai 2006 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, zu den Kosten der Sozialhilfe für seinen teilstationären Aufenthalt im Tageszentrum S ab 1. August 2005 einen monatlichen Kostenersatz in der Höhe von EUR 106,80 zu leisten. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, ein Hilfeempfänger sei gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 NÖ SHG zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt sei. Von der Verpflichtung zum Kostenersatz könne gemäß § 38 Abs. 3 NÖ SHG nur dann abgesehen werden, wenn der Kostenersatz eine Härte bedeute oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde. Der Beschwerdeführer erhalte gemäß § 32 NÖ SHG Hilfe zur sozialen Eingliederung; er werde in einer stationären Behinderteneinrichtung betreut. Zu den Kosten dieser Maßnahme habe er von seinem Einkommen einen Beitrag zu leisten. Da der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich EUR 558,80 beziehe, verbleibe ihm bei einem Kostenersatz in Höhe von EUR 106,80 ein Betrag von monatlich EUR 452,-- für seine persönlichen Bedürfnisse. Im Vergleich dazu betrage der Richtsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt für Haushaltsangehörige (der Beschwerdeführer wohne bei seinen Eltern) nur EUR 229,30. Bezüglich der vom Beschwerdeführer laut seiner Berufung zu tätigenden Ausgaben sei er auf das ihm monatlich frei zur Verfügung verbleibende Einkommen zu verweisen. Somit sei die Vorschreibung dieses Kostenersatzes gemäß § 38 Abs. 3 NÖ SHG keinesfalls ein Fall von sozialer Härte, sondern gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. 9200-3, NÖ SHG) hat die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Die Sozialhilfe umfasst gemäß § 3 Abs. 1 NÖ SHG

1.)

Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes,

2.)

Hilfe in besonderen Lebenslagen und

3.)

Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Gemäß § 26 Abs. 1 NÖ SHG umfasst die Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen u.a. Hilfe zur sozialen Eingliederung (Z. 6).

Die Hilfe zur sozialen Eingliederung umfasst gemäß § 32 Abs. 1 NÖ SHG alle Maßnahmen, die geeignet sind, Menschen mit besonderen Bedürfnissen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten, um die in den unabänderlichen Lebensverhältnissen gelegenen Schwierigkeiten zu mildern und ihnen ein erfülltes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Dazu zählen gemäß § 32 Abs. 2 NÖ SHG die aktivierende Betreuung und die Unterbringung in teilstationären und stationären Einrichtungen; die Maßnahmen umfassen auch Geldleistungen nach § 10 Abs. 2 Z. 3 sowie Fahrtkosten im Sinne des § 27 Abs. 3.

Die Gewährung der Hilfen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen hat gemäß § 35 Abs. 1 NÖ SHG unter Berücksichtigung ihres Einkommens und verwertbaren Vermögens, bei teilstationären und stationären Diensten auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, inwieweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen umfasst sind, zu erfolgen. Bei teilstationären Diensten erfolgt die Bemessung des Kostenbeitrages im Verhältnis zum zeitlichen Ausmaß der Maßnahme.

Von der Verpflichtung zum Kostenbeitrag kann gemäß § 35 Abs. 4 NÖ SHG jedoch ganz oder zum Teil abgesehen werden, wenn durch den Kostenbeitrag die Inanspruchnahme der Hilfe aus sozialen Gründen erschwert oder der Erfolg der Hilfe gefährdet würde.

Gemäß § 35 Abs. 6 NÖ SHG hat die Landesregierung durch Verordnung Bestimmungen zu erlassen, inwieweit Einkommen, pflegebezogene Leistungen und Vermögenswerte des hilfebedürftigen Menschen und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen zu berücksichtigen sind oder anrechenfrei zu bleiben haben.

Gemäß § 38 Abs. 1 NÖ SHG ist der Hilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten u.a. dann verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt.

Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist gemäß § 38 Abs. 3 NÖ SHG abzusehen, wenn diese für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2-0, haben bei stationären Diensten - soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist - von einem Einkommen des Hilfeempfängers monatlich außer Ansatz zu bleiben:

              1.              der zur Erzielung von Einkünften aus Erwerbstätigkeit notwendige Aufwand sowie 25 % dieser Einkünfte;

2.

die Sonderzahlungen (§ 1 Z. 5);

3.

20 % eines sonstigen Einkommens (z.B. einer Rente, Pension).

Für teilstationäre Dienste sind gemäß § 5 Z. 2 lit. a der zitierten Verordnung bei einem zeitlichen Ausmaß der Maßnahme von durchschnittlich mehr als fünf Stunden täglich vom Hilfeempfänger monatliche Kostenbeiträge im Ausmaß eines Drittels der Höhe des Kostenbeitrages zu leisten, der für einen stationären Dienst aus dem Einkommen zu erbringen wäre; weiters 30 % der zuerkannten pflegebezogenen Geldleistungen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer werde in einer Behinderteneinrichtung teilstationär betreut, und zwar in einem zeitlichen Ausmaß von durchschnittlich mehr als fünf Stunden täglich. Ausgehend von einem monatlichen Einkommen des Beschwerdeführers von EUR 558,80 (Arbeitslosengeld) sei er zur Leistung eines monatlichen Kostenbeitrages in Höhe von EUR 106,80 verpflichtet. Da das dem Beschwerdeführer nach Abzug dieses Beitrages verbleibende monatliche Einkommen (EUR 452,00) über dem Richtsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt für Haushaltsangehörige (EUR 229,30) liege, könne keine Rede davon sein, dass die Kostenvorschreibung eine Härte im Sinne des § 38 Abs. 3 NÖ SHG bedeute.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es seien seine besonderen Bedürfnisse, die er als behinderter Mensch habe und die er im Verfahren auch geltend gemacht habe, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Er ist mit seiner Beschwerde aus folgenden Gründen im Recht:

Wie dargelegt hat die belangte Behörde die Angemessenheit des vorgeschriebenen Kostenbeitrages damit begründet, ein Vergleich mit dem Richtsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt (für Haushaltsangehörige) zeige, dass der dem Beschwerdeführer monatlich verbleibende Betrag erheblich darüber liege. Sie hat daraus den Schluss gezogen, es liege kein Fall von Härte im Sinne des § 38 Abs. 3 NÖ SHG vor. Sie hat dabei jedoch übersehen, dass durch die gemäß § 10 NÖ SHG festgesetzten Richtsätze zwar die im Allgemeinen bestehenden notwendigen Bedürfnisse des Lebensunterhaltes abgedeckt werden, dass deshalb aber nicht bereits ohne weiteres gesagt werden kann, es sei damit auch der notwendige Lebensunterhalt von behinderten Personen, denen der Gesetzgeber "besondere Bedürfnisse" zugesteht, abgedeckt. Angesichts dieser besonderen Bedürfnisse, die alle Bereiche des Lebensbedarfes behinderter Personen betreffen können, bedarf es vielmehr einer eingehenden Auseinandersetzung, welche notwendigen Aufwendungen die im konkreten Fall bestehende Behinderung nach sich zieht. Der Umstand, dass das dem Beschwerdeführer nach Abzug des Kostenbeitrages verbleibende Einkommen über dem (den notwendigen Unterhalt im Allgemeinen deckenden) Richtsatz liege, lässt daher für sich alleine noch nicht den Schluss zu, sein verbleibendes Einkommen decke den notwendigen Lebensbedarf, der ihm unter Berücksichtigung seiner Behinderung erwächst. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen hat die belangte Behörde jedoch unterlassen.

Die belangte Behörde hat weiters übersehen, dass von der Verpflichtung zur Vorschreibung einer Beitragsleistung des Hilfeempfängers nicht nur dann abgesehen werden kann, wenn dies im Sinne des § 38 Abs. 3 NÖ SHG eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde. Vielmehr ermächtigt die bei den Hilfen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen speziell vorgesehene Regelung des § 35 Abs. 4 NÖ SHG die Behörde, von der Verpflichtung zum Kostenbeitrag ganz oder teilweise bereits dann abzusehen, wenn durch den Kostenbeitrag die Inanspruchnahme der Hilfe aus sozialen Gründen "erschwert" würde. Obwohl der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren ein Vorbringen erstattet hat, das deutliche Hinweise dafür enthält, der vorgesehene Kostenbeitrag würde ihm eine (weitere) Inanspruchnahme der gewährten Hilfe erschweren, hat es die belangte Behörde mit der Begründung, von einer Kostenvorschreibung könne nur unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 3 NÖ SHG abgesehen werden, somit in Verkennung der Rechtslage, unterlassen, eine Beurteilung an Hand der Bestimmung des § 35 Abs. 4 NÖ SHG vorzunehmen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesen Gründen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 14. Mai 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100123.X00

Im RIS seit

20.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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