TE OGH 2003/10/22 3Ob5/03m

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Veröffentlicht am 22.10.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut G*****, vertreten durch Dr. Helmut Denck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Liselotte S*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (7.848,67 EUR) und Unterlassung (Streitwert 9.592,81 EUR) infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 7.848,67 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Juni 2002, GZ 39 R 145/02s-32, in der Fassung dessen Berichtigungsbeschlusses vom 22. Oktober 2002 und dessen Ergänzungsbeschlusses vom 23. April 2003, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 23. Jänner 2002, GZ 11 C 1766/00a-26, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger die in dem, dem Urteil beigefügten Lageplan gelb markierte Teilfläche eines Grundstücks in Wien binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Die weiteren Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger die im Lageplan rot markierte Teilfläche dieses Grundstücks geräumt zu übergeben, dabei insbesondere auch einen bestimmten Zaun zu entfernen, und ferner die Benützung eines bestimmten Wegs zu unterlassen, wies es ab.

Das Berufungsgericht verhielt die Beklagte dagegen auch zur Räumung der im Lageplan rot markierten Teilfläche des streitverfangenen Grundstücks unter Entfernung des zuvor erwähnten Zauns. Es sprach zunächst überdies aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2002 änderte es letzteren Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei, weil "im Hinblick auf die divergierende Rechtsprechung zur Frage der Bindung der Gerichte an Verwaltungsbescheide" eine klärende Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs erforderlich sei. Mit Beschluss vom 26. Februar 2003 trug der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht auf, dessen Urteil durch eine Bewertung des Räumungsbegehrens - die Abweisung des Unterlassungsbegehrens war bereits in Rechtskraft erwachsen - zu ergänzen. Mit Beschluss vom 23. April 2003 ergänzte das Berufungsgericht sein Urteil schließlich dahin, dass der Wert des Räumungsbegehrens 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige. Daraufhin wurde der Akt dem Obersten Gerichtshof am 15. Oktober 2003 zur Entscheidung über die Revision der Beklagten neuerlich vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Es entspricht der gefestigten stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass die Gerichte an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden sind, und zwar selbst dann, wenn ein Bescheid, ohne absolut nichtig zu sein, unvollständig oder fehlerhaft wäre (6 Ob 77/01v; siehe ferner RIS-Justiz RS0036981). Deshalb ist im gerichtlichen Verfahren auch nicht zu prüfen, ob einer Partei des späteren Zivilprozesses die Parteistellung in einem (präjudiziellen) Verwaltungsverfahren zu Recht verwehrt wurde (6 Ob 77/01v). Die Beklagte führt für ihre gegenteilige Ansicht die Entscheidung 8 Ob 632/92 ins Treffen. Gerade dort hat aber der Oberste Gerichtshof den eingangs festgehaltenen Grundsatz ausführlich begründet und das Urteil des Berufungsgerichts nur deshalb aufgehoben, weil er die Bescheidqualität von Rückstandsausweisen der Finanzbehörde über Steuerschulden verneinte. Soweit er ferner betonte, eine Bindung sei auch dann zu verneinen, wenn "die Partei ... am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht beteiligt" gewesen sei, bezieht sich diese Aussage nach dem Gesamtzusammenhang aller Gründe auf Personen, deren Parteistellung im Verwaltungsverfahren - dort ging es um die Parteistellung eines Abgabenpflichtigen bei bescheidmäßiger Festsetzung dessen Steuerrückstände - gar nicht zweifelhaft sein kann. Hier steht dagegen fest, dass ein Rechtsvorgänger des Klägers als Eigentümer des Grundstücks 540/4 der Stadt Wien die nunmehr streitverfangenen Grundflächen kraft Bescheids vom 19. April 1939 abtreten musste. Die behördlichen Anordnungen wurden "noch 1939 verbüchert". Danach mangelt es an einem Substrat, das den rechtlichen Schluss trüge, eine Parteistellung der Beklagten im Verwaltungsverfahren über die unentgeltliche Rückstellung der seinerzeit abgetretenen und nunmehr streitverfangenen Grundflächen an einen Rechtsnachfolger des Grundeigentümers, der einer der Adressaten des Bescheids vom 19. April 1939 war, könne gar nicht zweifelhaft sein. Der in der Revision vertretene Standpunkt findet somit auch in der Entscheidung 8 Ob 632/92 keine Stütze. Die Ansicht der Vorinstanzen, mit dem Bescheid vom 2. August 1999 sei über die Rückstellung der streitverfangenen Grundflächen an den Kläger bindend abgesprochen worden, fußt auf der stRsp des Obersten Gerichtshofs und wirft deshalb keine erhebliche Rechtsfrage als Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision auf.

2. Die Beklagte erwarb das Miteigentum an einer der angrenzenden Liegenschaften aufgrund des Kaufvertrags vom 22. November 1948. Dort wurde ausdrücklich auf die durch den Bescheid vom 19. April 1939 gegenüber der Stadt Wien begründeten Anrainerpflichten verwiesen. Diese waren auch aus dem Grundbuch ersichtlich. Einer der Bescheidadressaten war auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Vor diesem Hintergrund an Tatsachen verneinte das Berufungsgericht die Redlichkeit der Beklagten bei der Besitzausübung. Deren Besitz sei ferner nicht echt gewesen, weil die unentgeltliche Überlassung einer Grundfläche aus bloßer Gefälligkeit bis zur Realisierung der aus dem Grundbuch ersichtlichen Verpflichtung zur Übertragung dieser Grundfläche (auch) in den physischen Besitz der Stadt Wien als Prekarium zu qualifizieren sei. Darin ist zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung der Umstände dieses Falles zu erblicken; eine solche wäre jedoch die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision. Insofern ist noch anzumerken, dass die Stadt Wien der Beklagten eine der im Revisionsverfahren streitverfangenen Grundflächen - nämlich das im Lageplan gelb markierte Teilstück - "während der Kriegsjahre unentgeltlich als 'Grabeland' überlassen" hatte. Auch dieses Teilstück wurde aber aufgrund des Bescheids vom 2. August 1999 in das Eigentum des Klägers rückübertragen.

Soweit sich die Beklagte als Stütze dafür, dass sie - unter Einrechnung der Besitzzeit ihres Vaters als Grundstückspächter - ein Fruchtgenussrecht ersessen habe, auf die Entscheidung 7 Ob 549, 550/77 (= SZ 50/53) beruft und ausführt, ein Prekarium sei im Zweifel nicht zu vermuten, ist zu entgegnen, dass es hier nicht um die Anwendung einer nur im Zweifel bedeutsamen Auslegungsregel ging.

3. Die Revision ist nach allen bisherigen Erwägungen zurückzuweisen, hängt doch die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO ab. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof dabei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.3. Die Revision ist nach allen bisherigen Erwägungen zurückzuweisen, hängt doch die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz 2, ZPO ab. Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof dabei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hin. Die Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich. Der Kläger hat somit deren Kosten selbst zu tragen.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 40,, 41 in Verbindung mit Paragraph 50, Absatz eins, ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hin. Die Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich. Der Kläger hat somit deren Kosten selbst zu tragen.

Anmerkung

E71402 3Ob5.03m-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0030OB00005.03M.1022.000

Dokumentnummer

JJT_20031022_OGH0002_0030OB00005_03M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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