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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §10 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des H Y in L, geboren 1972, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Juli 2004, Zl. St 127/04, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund den Aufwand in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 5. Juli 2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3, § 34 Abs. 1 Z. 2 und § 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer wohne seit Oktober 2001 in Linz. Ihm seien bereits mehrere Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "Student", zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum 30. April 2004, erteilt worden. Am 25. April 2004 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt. Am 11. März 2004 habe die Bundespolizeidirektion Linz an die Staatsanwaltschaft Linz Anzeige erstattet, weil der Beschwerdeführer verdächtig wäre, am 3. März 2004 seine Schwägerin, Medine Y., in der Wohnung auf den Boden gestoßen und anschließend mit beiden Händen gewürgt zu haben. Zudem hätte er sie mit den Worten "Es ist aus mit dir, ich werde dich umbringen" bedroht. Anschließend hätte er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen, wodurch sie verletzt worden wäre. Weiter hätte er sie am 6. März 2004 mit den Worten "Wenn du jemanden davon erzählst, weißt du, was dann passiert" erneut mit dem Umbringen bedroht, wenn sie jemandem davon erzählen würde.
Das Landesgericht Linz habe im Beschluss vom 3. Mai 2004 (mit dem die vorläufige Anhaltung des Beschwerdeführers in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder in einer öffentlichen Krankenanstalt für Geisteskranke wegen Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr gegen gelindere Mittel aufgehoben worden war) ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eingeräumt hätte, Medine Y. gegen die Stirn geschlagen und sie fest am Hals erfasst zu haben, während er einen Schlag gegen den Mund und Drohungen gegen sie bestritten hätte. Die Verletzung im Mundbereich der Medine Y. spreche jedoch - so die belangte Behörde weiter - für den Faustschlag in ihr Gesicht und der Umstand, dass sie tatsächlich die Übergriffe sowohl den Ärzten als auch ihrem Mann gegenüber zunächst verschwiegen habe, für eine Nötigung durch den Beschwerdeführer. Dieser habe sich über ein mitgehörtes Gespräch zwischen Medine Y. und ihrem Gatten (dem Bruder des Beschwerdeführers) geärgert, weshalb er später auf sie losgegangen sei, sie zu Boden gestoßen und so lange gewürgt habe, bis sie keine Luft mehr bekommen habe. Als sie sich zu wehren versucht habe, habe ihr der Beschwerdeführer einen Faustschlag auf den Mund versetzt und ihr gedroht, sie umzubringen. Anschließend habe er mit zwei Fingern den Kehlkopfbereich zugedrückt. Nach der Tat habe er seiner Schwägerin gedroht, sie würde wissen, was ihr passieren werde, wenn sie den Vorfall erzählen würde. Die Geschädigte habe die Drohung sehr ernst genommen und einen Angriff auf Leib und Leben befürchtet.
Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Eduard D. zufolge leide der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung im Sinn einer polymorph psychotischen Störung. Er sei zur Tatzeit zurechnungsunfähig gewesen und habe die Taten unter dem Einfluss seiner Erkrankung, die einer geistigen Abnormität höheren Grades entspreche, begangen. Weitere Taten mit schweren Folgen seien im Vollbild der Erkrankung mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, zumal er in der Berufung selbst ausgeführt habe, dass derzeit und unter einer medikamentösen Behandlung gröbere Verhaltensauffälligkeiten nicht zu erwarten wären. Demzufolge bedürfe er regelmäßiger fachärztlicher Kontrollen und auch der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten (Neuroleptika). Die Aussetzung einer Behandlung würde weitere Taten mit schweren Folgen im Vollbild der Erkrankung mit höherer Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Wenn auch den Ausführungen des Sachverständigen zufolge das Krankheitsbild rasch abgeklungen sei, derzeit kaum nennenswerte Krankheitssymptome vorlägen und der Beschwerdeführer einsichtig die Medikamente einnähme, so würde dies im Hinblick auf die Einschränkung, dass (lediglich) derzeit und unter medikamentöser Behandlung gröbere Verhaltensauffälligkeiten nicht auftreten würden, keine für den Beschwerdeführer günstige Zukunftsprognose erlauben. Es bestehe aus fremdenrechtlicher Sicht keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer künftig keine mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen verwirklichen werde.
Der Beschwerdeführer lebe seit Oktober 2001 in Österreich und gehe hier einem Studium nach. Ihm werde eine der Dauer des Aufenthaltes entsprechende Integration zugebilligt. In Österreich lebe sein Bruder, der österreichischer Staatsbürger sei, sowie seine Schwägerin Medine Y. (Aus dem genannten Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 3. Mai 2004 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer jeglichen Kontakt zu Medine Y. meiden müsse, bei Osman D. zu wohnen habe, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes dem Gericht unverzüglich und unaufgefordert bekannt zu geben habe und sich mit seiner Zustimmung einer ambulanten Therapie bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zu unterziehen habe.)
Durch die nunmehr verfügte Ausweisung werde in Anbetracht der persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers bzw. der Dauer seines bisherigen Aufenthaltes in nicht unbeträchtlicher Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Dieser Eingriff müsse jedoch angesichts der zu stellenden negativen Zukunftsprognose in Kauf genommen werden. Gemäß § 37 Abs. 2 FrG dürfe eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG oder ein Aufenthaltsverbot jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung sei insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Auch sei von der Ermessensbestimmung des § 34 Abs. 1 FrG insofern Gebrauch zu machen, als eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. eines geordneten Fremdenwesens gegeben sei. Dies umso mehr, als sich der Beschwerdeführer regelmäßig fachärztlichen Kontrollen unterziehen und auch die erforderlichen Medikamente einnehmen müsse, um weitere Taten mit schweren Folgen hintanzuhalten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer verfügt unstrittig über eine jeweils verlängerte Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "Studium". Er hat sich seit dem Jahr 2001 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Da er sich während des mit dem Verlängerungsantrag vom 15. April 2004 eingeleiteten Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 2) der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
2. Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Dies ist nach den Feststellungen der belangten Behörde der Fall. Der Beschwerdeführer leidet an einer polymorph psychotischen Störung. Diese Erkrankung entspricht einer geistigen Abnormität höheren Grades. Der Beschwerdeführer hat am 3. März 2004 in einem Zustand krankheitsbedingter Zurechnungsunfähigkeit seine Schwägerin auf den Boden gestoßen, sie mit beiden Händen gewürgt und mit dem Umbringen bedroht. Anschließend hat er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen, wodurch sie verletzt worden ist. Schließlich hat er sie wiederum mit dem Umbringen bedroht, wenn sie jemanden von diesem Vorfall erzählen sollte. Weitere derartige Taten mit schweren Folgen wären mit höherer Wahrscheinlichkeit im Vollbild der Erkrankung zu erwarten. Wenngleich nach dem Sachverständigengutachten unter der laufenden adäquaten Therapie das Krankheitsbild rasch abgeklungen sei und nicht zu erwarten sei, "dass derzeit und unter einer medikamentösen Behandlung gröbere Verhaltensauffälligkeiten auftreten", kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefährdung für die Ordnung und Sicherheit ausgehen würde, bietet doch der Umstand, dass der Beschwerdeführer derzeit Medikamente nimmt und eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes (vorerst) verhindert werden kann, keine Gewähr dafür, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde hatte die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit allein nach fremdenrechtlichen Gesichtspunkten und unabhängig von den die Strafbemessung, die teilbedingte Strafnachsicht oder die bedingte Nachsicht von der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher begründenden Erwägungen eines Gerichtes zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0103). Die belangte Behörde hat auch nicht in unzulässiger Weise eine ihr nicht zustehende "Vorfragenlösungskompetenz" in Anspruch genommen.
3. Sofern der Beschwerdeführer vorbringt, er sei in seinem verfassungsgesetzlichen Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt, weil Österreich "psychisch kranken und behandlungsbedürftigen Personen, deren medizinische Behandlung lediglich in Österreich sichergestellt werden kann, nicht aber in deren Heimatstaat", schon oft eine Berechtigung zum Aufenthalt zur Heil- und Krankenbehandlung erteilt habe, ist ihm einerseits zu entgegnen, dass das Vorbringen, er könne in seiner Heimat Türkei keine entsprechende medizinische und fachärztliche Betreuung erhalten, gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) verstößt, andererseits, dass sich auch diesem Vorbringen nicht entnehmen lässt, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehen würde und damit kein Versagungsgrund vorliege.
4. Im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer seit 2001 in Österreich aufhält, hier eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration erlangt hat und auch eine Bindung zu seinem Bruder und seiner Schwägerin besteht, die jedoch durch die geschilderten Vorfälle stark beeinträchtigt ist, kann die - von der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Mai 2007
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004180254.X00Im RIS seit
20.06.2007