TE OGH 2003/10/23 6Ob58/03b

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Veröffentlicht am 23.10.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Firma Ing. Franz V*****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen 6.237,85 EUR und Herausgabe, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. März 2002, GZ 5 R 301/01y-86, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 26. Juni 2001, GZ 2 C 2/99x-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 665,64 EUR (darin enthalten 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Hält der Oberste Gerichtshof entgegen dem ihn nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).Hält der Oberste Gerichtshof entgegen dem ihn nach Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO für nicht zulässig, kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht begründete seinen gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit, dass die Rechtsfrage erheblich sei, ob die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die für die Skontoberechnung heranzuziehen sei, eine Tat- oder eine Rechtsfrage sei. Diese Frage ist jedoch, wie bei jeder Vertragsauslegung, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, nämlich davon abhängig, ob allein der Urkundeninhalt oder auch sonstige Beweisergebnisse der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Auslegung einer Vertragsurkunde alleine aus deren Text zur rechtlichen Beurteilung. Wenn sich aber eine Partei bezüglich des Inhaltes ihrer mit der Gegenseite abgeschlossenen Vereinbarung außer auf die Vertragsurkunde auch auf die Einvernahme von Parteien und Zeugen beruft, ist davon auszugehen, dass sie auch behauptet, die Urkunde sei nicht die einzige Erkenntnisquelle des Vertragsinhaltes (RIS-Justiz RS0017842). Werden einem solchen Beweisantrag entsprechend zur Auslegung der einer Urkunde zugrunde liegenden Absicht der Parteien andere Beweismittel herangezogen, so werden damit Tatsachenfeststellungen getroffen (RIS-Justiz RS0017911; RS0043369). Dem Tatsachenbereich ist auch der Schluss von bestimmten Lebenssachverhalten auf die Parteienabsicht zuzuordnen (1 Ob 66/01i). Wird der Inhalt einer Urkunde nur als entscheidendes Argument für eine auch aus Aussagen abgeleitete Feststellung verwendet, liegt in diesem Vorgehen keine rechtliche Beurteilung, sondern eine Tatsachenfeststellung (RIS-Justiz RS0017828). Unter der Voraussetzung, dass zur Frage des Parteiwillens bei Abschluss einer Vereinbarung keine Aussagen vorliegen, betrifft die Urkundenauslegung allerdings die rechtliche Beurteilung (8 Ob 40/03w). Die Auslegung einer Urkunde allein aus deren Text kann vom Obersten Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung überprüft werden. Dies ist aber dann nicht möglich, wenn die Vorinstanzen eine bestimmte Parteiabsicht festgestellt und hiezu auch andere Beweismittel als die Urkunde selbst herangezogen haben. Die Erforschung der Parteiabsicht ist eine Frage der Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist (RIS-Justiz RS0017849).Das Berufungsgericht begründete seinen gemäß Paragraph 508, Absatz 3, ZPO nachträglich abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit, dass die Rechtsfrage erheblich sei, ob die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die für die Skontoberechnung heranzuziehen sei, eine Tat- oder eine Rechtsfrage sei. Diese Frage ist jedoch, wie bei jeder Vertragsauslegung, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, nämlich davon abhängig, ob allein der Urkundeninhalt oder auch sonstige Beweisergebnisse der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Auslegung einer Vertragsurkunde alleine aus deren Text zur rechtlichen Beurteilung. Wenn sich aber eine Partei bezüglich des Inhaltes ihrer mit der Gegenseite abgeschlossenen Vereinbarung außer auf die Vertragsurkunde auch auf die Einvernahme von Parteien und Zeugen beruft, ist davon auszugehen, dass sie auch behauptet, die Urkunde sei nicht die einzige Erkenntnisquelle des Vertragsinhaltes (RIS-Justiz RS0017842). Werden einem solchen Beweisantrag entsprechend zur Auslegung der einer Urkunde zugrunde liegenden Absicht der Parteien andere Beweismittel herangezogen, so werden damit Tatsachenfeststellungen getroffen (RIS-Justiz RS0017911; RS0043369). Dem Tatsachenbereich ist auch der Schluss von bestimmten Lebenssachverhalten auf die Parteienabsicht zuzuordnen (1 Ob 66/01i). Wird der Inhalt einer Urkunde nur als entscheidendes Argument für eine auch aus Aussagen abgeleitete Feststellung verwendet, liegt in diesem Vorgehen keine rechtliche Beurteilung, sondern eine Tatsachenfeststellung (RIS-Justiz RS0017828). Unter der Voraussetzung, dass zur Frage des Parteiwillens bei Abschluss einer Vereinbarung keine Aussagen vorliegen, betrifft die Urkundenauslegung allerdings die rechtliche Beurteilung (8 Ob 40/03w). Die Auslegung einer Urkunde allein aus deren Text kann vom Obersten Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung überprüft werden. Dies ist aber dann nicht möglich, wenn die Vorinstanzen eine bestimmte Parteiabsicht festgestellt und hiezu auch andere Beweismittel als die Urkunde selbst herangezogen haben. Die Erforschung der Parteiabsicht ist eine Frage der Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist (RIS-Justiz RS0017849).

Das vorliegende Zahlungsbegehren resultiert aus den der Höhe nach unstrittigen Skontobeträgen, die sich die Beklagte nach den Behauptungen der Klägerin zu Unrecht vom Werklohn abgezogen hat. Die Klägerin behauptete, die Beklagte habe die einzelnen (Teil-)Rechnungen jeweils nicht vollständig beglichen und sei deshalb des vereinbarten Skontos verlustig gegangen, weil ihr der Skontoabzug vereinbarungsgemäß nur vom Rechnungsbetrag abzüglich des 10 %-igen Deckungsrücklasses, also von der jeweils tatsächlich zu zahlenden Summe, zugestanden sei. Die Klägerin hat sich hiezu nicht nur auf die vorgelegte Werkvertragsurkunde, sondern auf alle von ihr bereits angebotenen Beweise und damit auch auf die Zeugin Anna G***** berufen. Die Beklagte vertrat die Ansicht, der Skontoabzug sei vom Rechnungsbetrag vor Abzug des Deckungsrücklasses zu berechnen gewesen. Das Berufungsgericht hat die im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteiles enthaltenen und auf die Aussage der Zeugin G***** verweisenden Ausführungen, dass bei den einzelnen Rechnungen der Skontoabzug nur von dem Betrag in Anspruch genommen werden dürfe, der sich nach Abzug des Deckungsrücklasses (und der weiters vereinbarten Nachlässe) ergebe, als Tatsachenfeststellung gewertet. Darin kann ein Abweichen vn der aufgezeigten Rechtsprechung zur Abgrenzung von Tatsachenfeststellung und Rechtsfrage bei der Vertragsauslegung nicht erblickt werden.

Aber selbst wenn die Aussage der Zeugin zur Frage der Parteienabsicht bei Vertragsabschluss nicht hinreichte und die "Feststellung" der Vorinstanzen in Wahrheit nur das Ergebnis der Auslegung der Skontovereinbarung anhand der vorgelegten Urkunde wäre, könnte dies keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründen. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt würde (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776). Davon kann aber hier keine Rede sein: Der vom Beklagten formulierte (standardisierte) Vertragstext ("Auftragserteilung") lässt offen, wie der vereinbarte Deckungsrücklass bei der Skontoberechnung zu behandeln ist. Auslegungsprobleme gehen bei zweiseitigen Verträgen zu Lasten desjenigen, der sich der undeutlichen Äußerung bedient hat (§ 915 zweiter Halbsatz ABGB; RIS-Justiz RS0017969). "Bedient" hat sich einer undeutlichen Äußerung derjenige, der sie in das vertragliche Geschehen einführte und damit die Möglichkeit hatte, deutliche Formulierungen zu wählen. Dies war hier die Beklagte, die der Klägerin den vorbereiteten Vertragstext zur Unterfertigung unterbreitete. Die Ansicht, dass ein Skonto nur von jenem Betrag zustehen soll, der bei Zahlung auch bereits fällig ist und nicht auch von einem erst in Zukunft und nur unter bestimmten Bedingungen fällig werdenden Teilbetrag (wie dies auf den vereinbarten Deckungsrücklass zutrifft, der die Beklagte unter anderem im Fall von Schadenersatzforderungen absichern sollte), steht auch nicht in einem krassen Widerspruch zu der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Übung des redlichen Verkehrs (vgl RIS-Justiz RS0014160). Dass auch die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist, vermag eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu begründen (1 Ob 260/00t ua). Aber selbst wenn die Aussage der Zeugin zur Frage der Parteienabsicht bei Vertragsabschluss nicht hinreichte und die "Feststellung" der Vorinstanzen in Wahrheit nur das Ergebnis der Auslegung der Skontovereinbarung anhand der vorgelegten Urkunde wäre, könnte dies keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO begründen. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt würde (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776). Davon kann aber hier keine Rede sein: Der vom Beklagten formulierte (standardisierte) Vertragstext ("Auftragserteilung") lässt offen, wie der vereinbarte Deckungsrücklass bei der Skontoberechnung zu behandeln ist. Auslegungsprobleme gehen bei zweiseitigen Verträgen zu Lasten desjenigen, der sich der undeutlichen Äußerung bedient hat (Paragraph 915, zweiter Halbsatz ABGB; RIS-Justiz RS0017969). "Bedient" hat sich einer undeutlichen Äußerung derjenige, der sie in das vertragliche Geschehen einführte und damit die Möglichkeit hatte, deutliche Formulierungen zu wählen. Dies war hier die Beklagte, die der Klägerin den vorbereiteten Vertragstext zur Unterfertigung unterbreitete. Die Ansicht, dass ein Skonto nur von jenem Betrag zustehen soll, der bei Zahlung auch bereits fällig ist und nicht auch von einem erst in Zukunft und nur unter bestimmten Bedingungen fällig werdenden Teilbetrag (wie dies auf den vereinbarten Deckungsrücklass zutrifft, der die Beklagte unter anderem im Fall von Schadenersatzforderungen absichern sollte), steht auch nicht in einem krassen Widerspruch zu der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Übung des redlichen Verkehrs vergleiche RIS-Justiz RS0014160). Dass auch die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist, vermag eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu begründen (1 Ob 260/00t ua).

In der Ansicht der Vorinstanzen, dass sich aus dem Vertragswerk einschließlich der einschlägigen Ö-Normen, die zum Vertragsinhalt erhoben wurden, die Verpflichtung der Beklagten zur Ausfolgung von Polierplänen und nicht bloß von verkleinerten, Verzerrungen aufweisenden Plankopien ableiten lässt, kann ebenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Ö-Normen sind objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut gemäß § 914 ABGB auszulegen, wobei die Übung des redlichen Verkehrs im Zweifel einen wichtigen Auslegungsbehelf bildet (6 Ob 566/95 mwN). Die Vorinstanzen konnten sich hiebei als Entscheidungshilfe auf das Gutachten des Bausachverständigen stützen, aus dem sich die Branchenüblichkeit der Ausfolgung von Polierplänen an den Werkunternehmer, unter anderem auch wegen der Erleichterung der Kalkulation und der Abrechnung, ergibt.In der Ansicht der Vorinstanzen, dass sich aus dem Vertragswerk einschließlich der einschlägigen Ö-Normen, die zum Vertragsinhalt erhoben wurden, die Verpflichtung der Beklagten zur Ausfolgung von Polierplänen und nicht bloß von verkleinerten, Verzerrungen aufweisenden Plankopien ableiten lässt, kann ebenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Ö-Normen sind objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut gemäß Paragraph 914, ABGB auszulegen, wobei die Übung des redlichen Verkehrs im Zweifel einen wichtigen Auslegungsbehelf bildet (6 Ob 566/95 mwN). Die Vorinstanzen konnten sich hiebei als Entscheidungshilfe auf das Gutachten des Bausachverständigen stützen, aus dem sich die Branchenüblichkeit der Ausfolgung von Polierplänen an den Werkunternehmer, unter anderem auch wegen der Erleichterung der Kalkulation und der Abrechnung, ergibt.

Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Gemäß den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO hat die Beklagte der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen hat, zu ersetzen.Gemäß den Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO hat die Beklagte der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen hat, zu ersetzen.

Anmerkung

E71398 6Ob58.03b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00058.03B.1023.000

Dokumentnummer

JJT_20031023_OGH0002_0060OB00058_03B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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