TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/16 2007/01/0151

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Veröffentlicht am 16.05.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §12;
AsylG 1997 §7;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/01/0152 2007/01/0153 2007/01/0154 2007/01/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber sowie die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen die am 14. November 2006 verkündeten und am 29. Dezember 2006 ausgefertigten Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 247.141/6-I/02/06, betreffend §§ 7, 12 Asylgesetz 1997 (ad 1.), bzw. Zlen. 247.142/6-I/02/06, 247.144/2-I/02/06, 247.143/2 I/02/06 und 248.281/2-I/02/06, jeweils betreffend §§ 11 Abs. 1, 12 Asylgesetz 1997 (ad 2. bis 5.) (mitbeteiligte Parteien: 1.) N T, geboren 1971, 2.) A T, geboren 1973, 3.) N T, geboren 1993, 4.) A T, geboren 1996, und 5.) A T, geboren 2003, alle in L und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden hinsichtlich des Erstmitbeteiligten wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und hinsichtlich der Zweit- bis Fünftmitbeteiligten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligten sind Mitglieder einer Familie, serbische Staatsangehörige aus dem Kosovo und gehören zur goranischen Volksgruppe. Sie reisten (mit Ausnahme der erst in Österreich geborenen Fünftmitbeteiligten) am 27. Dezember 2001 gemeinsam in das Bundesgebiet ein und es beantragte der Erstmitbeteiligte noch am selben Tag Asyl; die übrigen Mitbeteiligten stellten darauf bezogene Asylerstreckungsanträge.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. März 2002 gab der Erstmitbeteiligte zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst - an, er sei "von den Albanern" gesucht worden, die ihm zum Vorwurf gemacht hätten, dass er während des Krieges im Kosovo von den Serben "mobilisiert" und zu Grabungsarbeiten herangezogen worden sei.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Erstmitbeteiligten gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach "Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Begründend wurde der Fluchtgeschichte des Erstmitbeteiligten aus näher dargestellten Erwägungen die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Im Folgenden wies die Asylbehörde auch die Asylerstreckungsanträge der übrigen Mitbeteiligten gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG ab.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen führte die belangte Behörde am 14. November 2006 eine gemeinsame Verhandlung durch, im Zuge derer diverse Länderberichte verlesen und der Erstmitbeteiligte noch einmal kurz vernommen wurde. Anschließend verkündete der Verhandlungsleiter die angefochtenen Bescheide, mit denen den Berufungen der Mitbeteiligten stattgegeben, ihnen gemäß § 7 AsylG (hinsichtlich des Erstmitbeteiligten) bzw. gemäß § 11 Abs. 1 AsylG (hinsichtlich der übrigen Mitbeteiligten) Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG die Flüchtlingseigenschaft festgestellt wurde.

Zur Begründung führte die belangte Behörde in der schriftlichen Bescheidausfertigung des Erstmitbeteiligten neben allgemeinen Länderfeststellungen "zur politischen und Menschenrechtssituation in der Provinz Kosovo" wörtlich aus:

"II. ...

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

1.1. Zur Person der berufenden Partei

Für den als maßgeblich festgestellten Sachverhalt wird der Inhalt folgender den Parteien dieses Verfahrens zugänglichen und auch im Rahmen der öffentlichen Verhandlung der erkennenden Behörde erörterten Aktenteile zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärt, nämlich

- die Angaben der berufenden Partei zu ihrer Person im Wesentlichen in den Punkte 1. sowie 4. bis 9. in der Niederschrift des Bundesasylamtes vom 5.3.2002, BAA-Akt, S.11;

sowie

- die Angaben der berufenden Partei zu ihren Fluchgründen im Wesentlichen in der Niederschrift der Verhandlung des unabhängigen Bundesasylsenates, S.4f."

Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde dazu fest:

"Die Feststellungen betreffend die berufende Partei beruhen im Wesentlichen auf ihrem Vorbringen im gesamten Verfahren (s. Pt. II.1.1.). Personaldokumente zum Nachweis ihrer Identität liegen vor.

Für die Glaubwürdigkeit der Angaben der berufenden Partei im Lichte des oben festgestellten maßgeblichen Sachverhaltes (s. Pt. II.1.1.) sprach, dass diese im Wesentlichen widerspruchsfrei waren bzw. etwaige aufgetretene Ungereimtheiten letztlich so weit nachvollziehbar aufgeklärt werden konnten, dass die Zweifeln an der Richtigkeit dieser Angaben nicht überwiegten. Ihre diesbezüglichen Angaben konnten auch durch die von ihr vorgelegten Bescheinigungsmittel im Verfahren belegt werden. Begründete Zweifel an deren Echtheit sind nicht hervorgekommen. Auch die dem unabhängigen Bundesasylsenat vorliegenden Informationen über die politische und Menschenrechtslage in der Provinz Kosovo und in Serbien außerhalb des Kosovo ... lassen nicht den Schluss zu, dass dieses Vorbringen unwahr ist. Weiters sprach die Authentizität der berufenden Partei für die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens. In Würdigung aller Umstände überwiegen im Ergebnis diejenigen, die für eine Heranziehung des angeführten Vorbringens der berufenden Partei als maßgeblicher Sachverhalt für die gegenständliche Entscheidung sprechen ..."

Auf der Grundlage ihrer Sachverhaltsannahmen bejahte die belangte Behörde anschließend eine Verfolgung des Erstmitbeteiligten im Herkunftsstaat aus Gründen der "Volkszugehörigkeit" und der ihm - zumindest unterstellten - politischen Einstellung (ihm werde "die Kollaboration mit den Serben während des Kosovo-Konfliktes vorgeworfen").

Die Asylerstreckung hinsichtlich der Zweit- bis Fünftmitbeteiligten begründete die belangte Behörde in den schriftlichen Bescheidausfertigungen mit der Asylgewährung an den Erstmitbeteiligten.

Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Amtsbeschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die Mitbeteiligten erwogen hat:

Zur Begründung seines dem Erstmitbeteiligten Asyl gewährenden Bescheides verwendete das entscheidende Mitglied der belangten Behörde offenbar standardisierte Textbausteine, die keinen individuellen Bezug zum vorliegenden Fall aufweisen. So ist nicht erkennbar, welche "Bescheinigungsmittel" der Erstmitbeteiligte vorgelegt haben soll, die seine Angaben im Verfahren belegt hätten und an deren Echtheit keine Zweifel hervorgekommen wären. Auch unterlässt es die belangte Behörde, jene "Ungereimtheiten" anzuführen, die der Erstmitbeteiligte durch - ebenfalls nicht näher präzisierte - "nachvollziehbare" Angaben in der Berufungsverhandlung aufklären habe können. Eine derartige Bescheidbegründung reicht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt hat - nicht aus, um die Umwürdigung der erstinstanzlichen Beweisergebnisse nachvollziehbar zu machen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/19/0885; diesem folgend etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2007, Zlen. 2005/01/0445 bis 0447, und vom 26. Jänner 2007, Zlen. 2006/19/0859 bis 0863).

Daran vermag auch der Hinweis der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit sei in erster Linie aufgrund des persönlichen Eindrucks des entscheidenden Mitglieds der belangten Behörde erfolgt, und es könne nicht so sein, dass ein persönlicher Eindruck bis in das letzte Detail ausführlich begründet werden müsse, nichts zu ändern. Auch ein bei der Einvernahme gewonnener unmittelbarer Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen muss in der Bescheidbegründung in einer nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes objektiv nachvollziehbaren Art und Weise seinen Niederschlag finden. Die belangte Behörde hat sich in diesem Zusammenhang auf einen einzigen (beweiswürdigenden) Satz beschränkt, dass nämlich die "Authentizität der berufenden Partei für die Glaubwürdigkeit" ihres Vorbringens spreche. Welche der Angaben des Erstmitbeteiligten der belangten Behörde aber aus welchen Gründen so "authentisch" erschienen, dass sie von deren Richtigkeit überzeugt wurde, lässt sich daraus nicht erkennen.

Der den Erstmitbeteiligten betreffende angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Dieser Umstand belastet auch die hinsichtlich der Erstreckungswerber (Zweit- bis Fünftmitbeteiligten) erlassenen Bescheide der belangten Behörde aus den im hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0402 dargestellten Gründen (auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG ebenfalls aufzuheben waren.

Wien, am 16. Mai 2007

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007010151.X00

Im RIS seit

20.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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