TE OGH 2003/11/18 1Ob256/03h

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Veröffentlicht am 18.11.2003
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, ***** vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard F*****, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1,172.341,13 sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2003, GZ 11 R 152/02g-24, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Mai 2002, GZ 58 Cg 60/01x-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.729,96 (darin EUR 621,66 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte hatte von einem Bekannten von der Möglichkeit erfahren, bestimmte Wertpapiere, nämlich sogenannte Nullkupon-Anleihen, durch Ausnützung finanzbehördlicher Richtlinien nahezu ohne eigenen Kapitaleinsatz zu erwerben; dabei sollte der Kaufpreis weitgehend durch im Zusammenhang mit dem Erwerb der Papiere gewährte KESt-Gutschriften des Finanzamts aufgebracht werden. Nachdem sich der Kläger weitere Informationen über diese Anleihen und die gewährte KESt-Gutschrift im Internet beschafft hatte, wandte er sich an eine Filiale der klagenden Partei und äußerte unter Angabe der Wertpapierkennnummer den Wunsch, ganz bestimmte Nullkupon-Anleihen zu erwerben. Er erklärte ausdrücklich, er wünsche keine Beratung und sei über die Besonderheiten und Risken dieser Anleihe informiert. Seine Gesprächspartnerin wies ihn nach Rücksprache mit dem zuständigen Regionalleiter auf die mit dem Erwerb derartiger Wertpapiere verbundenen Risken hin und machte die Ausführung des gewünschten Geschäfts davon abhängig, dass er im vorgesehenen Formblatt bestätige, mit einer spekulativen Veranlagung über mehr als 10 Jahre einverstanden zu sein. Diesem Wunsch kam der Beklagte nach. Weitere Gespräche fanden zwischen dem Beklagten und dem Regionalleiter der klagenden Partei statt, dem die Unterlagen aus der Filiale zugesandt worden waren. Dieser sprach mit dem Beklagten darüber, dass dieser eine bestimmte Bareinzahlung leisten müsse, damit der Kaufpreis für die erste Tranche des Ankaufs abgedeckt sei, sowie darüber, dass ein (erheblicher) Teil des Kaufpreises mit der zu erwartenden KESt-Gutschrift finanziert werde. Sowohl der Beklagte als auch der Mitarbeiter der klagenden Partei gingen davon aus, dass diese Gutschriften weiter wie bisher erteilt würden. Eine Bonitätsprüfung wurde nicht durchgeführt; als Sicherheit wurde die erwartete KESt-Gutschrift angesehen. Der Beklagte erwarb in der Folge zahlreiche Nullkupon-Anleihen zu einem Kurswert von insgesamt S 17,778.801,95. Er zahlte dafür einschließlich der Spesen nur S 1,538.568,57; der Restkaufpreis sollte durch die erwarteten KESt-Gutschriften abgedeckt werden. Obwohl diese für den 15. 11. 2000, 15. 12. 2000 und 15. 1. 2001 und die Folgemonate erwarteten Gutschriften wegen einer geänderten Praxis der Finanzbehörden nicht mehr erteilt wurden, verbuchte die klagende Partei die erwarteten Gutschriften auf den Abrechnungen des Verrechnungskontos des Beklagten als Eingänge. Das Finanzamt erließ im Oktober 2001 Sammelbescheide über die gewährten KESt-Gutschriften. Diese beruhten nicht mehr auf der bisher allgemein gehandhabten - für langfristige Nullkuponanleihen jedoch nicht sachgerechten - linearen Methode, sondern auf Basis einer progressiven Berechnung. Danach entfielen auf die Umsätze des Beklagten Gutschriften in Höhe von (nur) S 1,330.385,78. Gleichzeitig wurde für vom Beklagten entnommene Wertpapiere KESt in Höhe von S 957.735,04 in Rechnung gestellt; schließlich schrieb das Finanzamt einen auf den Beklagten entfallenden Säumniszuschlag in Höhe von S 117.831,96 vor. Der Beklagte verkaufte sämtliche bei der Klägerin erworbene Anleihen, zum Teil mit Gewinn. Er erlitt durch die Transaktionen keinen Schaden.

Die klagende Partei begehrte nun vom Beklagten - neben mehreren Eventualbegehren - primär die Zahlung des offenen Kaufpreises sowie der von ihr darüber hinaus für den Beklagten getätigten Auslagen (Kapitalertragsteuer, Säumniszuschlag) samt Zinsen; hilfsweise stützte sie ihre Ansprüche auf (ungerechtfertigte) Bereicherung des Beklagten. Auch wenn bei Abschluss des Rechtsgeschäfts die Frage der Fälligkeit (des Restkaufpreises) nicht ausdrücklich erörtert worden sei, sei die Vereinbarung jedenfalls dahin zu verstehen gewesen, dass die klagende Partei dem Beklagten die gesetzlich vorgesehene Fälligkeit zubilligen wolle, also den "fünfzehnten Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonats" gemäß § 96 Abs 1 Z 3 EStG 1988. Da nun feststehe, dass die erwartete KESt-Gutschrift nicht in der erwarteten Höhe erfolgt sei, sei nach Ablauf der genannten Frist jeweils Fälligkeit der noch offenen Kaufpreise eingetreten. Der klagenden Partei könne nicht der Geschäftswille unterstellt werden, sie wolle einem Kunden mehrere Millionen Schilling - möglicherweise jahrelang - zinsenfrei als Kredit zur Verfügung stellen. Auch die Gutschrift auf dem Verrechnungskonto habe der Beklagte nicht dahin verstehen dürfen, dass damit die klagende Partei auch ohne eine tatsächlich vom Finanzamt gewährte KESt-Gutschrift auf die noch offene Gegenleistung verzichten wolle; es handle sich um bloße Buchungsvorgänge ohne rechtliche Relevanz. Der Beklagte sei darüber hinaus auch Hauptschuldner der vom Finanzamt im Zusammenhang mit der Entnahme von Wertpapieren aus dem Depot vorgeschriebenen KESt sowie des Säumniszuschlags und habe der klagenden Partei daher die zur Begleichung dieser Verbindlichkeiten ausgelegten Beträge zu ersetzen.

Der Beklagte wendete dagegen im Wesentlichen ein, es sei "Geschäftsgrundlage/Bedingung/vereinbarter Vertragsinhalt" gewesen, dass er das Geschäft nur akzeptiere, wenn die KESt-Gutschrift durch das Finanzamt erfolge bzw wenn er den dadurch abgedeckten Teil des Kaufpreises nicht aus eigenem zu bezahlen habe; trotz Erörterung machte er keine Vertragsanfechtung geltend. Ihm sei zugesagt worden, der Kaufpreis sei durch die Gutschriften des Finanzamts (weitgehend) abgedeckt; KESt habe er erst bei Endfälligkeit der Anleihen - hier: in den Jahren 2027 bzw 2028 - zu zahlen. Ohne die in Aussicht gestellten KESt-Gutschriften hätte er die Geschäfte mit der klagenden Partei nie geschlossen. Jedenfalls sei der Klagebetrag nicht fällig, weil Fälligkeit vereinbarungsgemäß erst mit Zuzählung der KESt-Gutschriften gegeben sein sollte. Darüber hinaus habe die klagende Partei dem Beklagten die erwarteten Gutschriften des Finanzamts vorbehaltlos gutgeschrieben und sei an diese Gutschrift gebunden. Es wäre Aufgabe der klagenden Partei, die dem Beklagten zugesagte Gutschrift vom Finanzamt mit rechtlich zulässigen Mitteln zu begehren. Die klagende Partei vertrete selbst die Auffassung, das Finanzamt habe die Gutschrift zu erteilen, und die "Säumigkeit des Finanzamts" sei im Rechtsweg zu bekämpfen. Das Finanzamt habe "die strittige Gutschrift" zum 30. 10. 2001 erteilt; die klagende Partei habe also Zeit gehabt, die "Gutschrift zu realisieren". Es wäre an der klagenden Partei gelegen, eine "Aussetzung hinsichtlich der Gesamtsumme zu erwirken".

Das Erstgericht erkannte den Beklagten im Sinne des Hauptbegehrens schuldig, der klagenden Partei EUR 1,172.341,13 samt 4 % Zinsen zu zahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Aus einer der Höhe nach geringeren KESt-Gutschrift des Finanzamts als erwartet könne der Beklagte keine Vereinbarung mit der Klägerin ableiten, dass der Kaufpreis nicht fällig sei, wenn die erwartete Überweisung des Finanzamts ausbleibt. Er sei zur Zahlung des Kaufpreises an die klagende Partei verpflichtet gewesen. Mit der Vereinbarung der Aufbringung eines Teils des Kaufpreises durch Erlangung einer Gutschrift beim Finanzamt sei es zu einer Zession der Forderung des Beklagten gegen den Bund gekommen, die im Zweifel nur zahlungshalber erfolgt sei. Soweit in der Folge eine Leistung des Bundes nicht erfolgt sei, habe keine Tilgung eintreten können. Zu Unrecht berufe sich der Beklagte auch darauf, dass laut einer Buchungsmitteilung des Finanzamts vom 30. 10. 2001 Gutschriften nach der linearen Methode am 29. 10. 2001 eingebucht und am 30. 10. 2001 nach einer Berechnung im Sinne der progressiven Methode der zuviel geltend gemachte Betrag als Belastung verbucht und der Klägerin diese Buchungsmitteilung zugestellt worden sei. Dieser Vorgangsweise des Finanzamtes sei kein Überweisungsauftrag zur Auszahlung eines Betrags auf das Konto des Beklagten zugrunde gelegen, vielmehr habe es sich um eine Buchungsmitteilung aufgrund des Antrags auf Auszahlung des von der klagenden Partei nach der linearen Berechnung errechneten Guthabens an KESt gehandelt. Dieser Antrag habe offensichtlich zu einem Buchungsvorgang geführt, der jedoch keinen Überweisungsauftrag des Finanzamts in dieser Höhe zur Folge gehabt hätte. Im vorliegenden Fall sei auch kein Zahlungseingang auf dem Konto des Beklagten aufgrund einer Überweisung des Finanzamts erfolgt. Vielmehr habe nur die Klägerin die Buchungsmitteilung des Finanzamts erhalten, weil sie auch diejenige sei, die die KESt abzuführen habe und der auch die KESt gutgebucht werde; diese Buchungsweise sei ein interner Vorgang und habe keine rechtsgeschäftliche Relevanz. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen gewesen seien, insbesondere weil in einem Parallelverfahren ein anderer Senat des Oberlandesgerichts Wien abweichend entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten erweist sich - worauf die klagende Partei in ihrer Revisionsbeantwortung hinweist - als nicht zulässig, weil darin die unrichtige Lösung einer erheblichen Rechtsfrage durch das Berufungsgericht nicht aufgezeigt wird.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die darin liegen soll, dass drei vom Beklagten namhaft gemachte Zeugen nicht vernommen wurden, liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht mit gebotener Deutlichkeit dargelegt hat, das angegebene Beweisthema sei aus materiellrechtlichen Gründen nicht geeignet, das Prozessergebnis zu verändern. Diese Auffassung des Berufungsgerichts könnte daher nur im Rahmen der Rechtsrüge bekämpft werden. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Zeugen K***** und Dr. K***** im Verfahren erster Instanz zur Frage einer vom Finanzamt erteilten Gutschrift gar nicht geführt worden waren (vgl nur AS 7 f, 27). Im Übrigen erscheint die Auffassung des Berufungsgerichts, die gleichzeitige Mitteilung über Gutschriften und über diese korrigierende Belastungen im Weg von Buchungsmitteilungen stelle keine bescheidmäßige Gewährung der (zugleich weitgehend rückgängig gemachten) Gutschriften dar, in keiner Weise bedenklich. Diese Darlegungen des Berufungsgerichts werden in der Revision auch gar nicht in Zweifel gezogen, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit genauere Feststellungen über die behauptete Gutschrift des Finanzamts von rechtlicher Relevanz sein könnten.Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die darin liegen soll, dass drei vom Beklagten namhaft gemachte Zeugen nicht vernommen wurden, liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht mit gebotener Deutlichkeit dargelegt hat, das angegebene Beweisthema sei aus materiellrechtlichen Gründen nicht geeignet, das Prozessergebnis zu verändern. Diese Auffassung des Berufungsgerichts könnte daher nur im Rahmen der Rechtsrüge bekämpft werden. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Zeugen K***** und Dr. K***** im Verfahren erster Instanz zur Frage einer vom Finanzamt erteilten Gutschrift gar nicht geführt worden waren vergleiche nur AS 7 f, 27). Im Übrigen erscheint die Auffassung des Berufungsgerichts, die gleichzeitige Mitteilung über Gutschriften und über diese korrigierende Belastungen im Weg von Buchungsmitteilungen stelle keine bescheidmäßige Gewährung der (zugleich weitgehend rückgängig gemachten) Gutschriften dar, in keiner Weise bedenklich. Diese Darlegungen des Berufungsgerichts werden in der Revision auch gar nicht in Zweifel gezogen, sodass nicht erkennbar ist, inwieweit genauere Feststellungen über die behauptete Gutschrift des Finanzamts von rechtlicher Relevanz sein könnten.

Da die von beiden Parteien bei Geschäftsabschluss erwarteten Umstände, nämlich die Abdeckung eines Großteils des Anschaffungspreises der Wertpapiere durch Gutschriften des Finanzamts, nicht eingetreten sind und für den Fall des Ausbleibens dieser Gutschriften keine Vereinbarungen über die Fälligkeit der (Kaufpreis-)Verbindlichkeiten des Beklagten getroffen wurden, ist der Vertrag im Sinne des hypothetischen Parteiwillens redlicher und verständiger Vertragspartner zu ergänzen (ergänzende Vertragsauslegung). Grundsätzlich zutreffend verweist der Revisionswerber darauf, es sei zu fragen, was redliche Parteien vereinbart hätten, wären die zukünftigen Vorgänge vorhergesehen bzw in ihre Überlegungen einbezogen worden. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis der Auffassung der klagenden Partei gefolgt, die vertraglichen Vereinbarungen seien dahin zu ergänzen, dass die Verbindlichkeit des Beklagten bis zu jenem Zeitpunkt gestundet sei, bis zu dem nach dem erwarteten Lauf der Dinge mit einer Erteilung der Steuergutschriften gerechnet werden konnte. Der Revisionswerber vertritt dagegen die Auffassung, redliche Parteien hätten "wohl" vereinbart, dass nach Erteilung jener Gutschrift, die die Bank "deklariert", der Kaufpreis als bezahlt gelte und dass für den Fall, "dass im Zuge einer späteren Steuerprüfung dies später in Frage gestellt" werde, zunächst die Ergebnisse des Verfahrens abgewartet würden, bevor die Bank auf das Vermögen des Kunden greift.

Es entspricht ganz herrschender Judikatur, dass Fragen der Vertragsauslegung und insbesondere jener nach einer Vertragsergänzung unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig sind, und eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur dann vorliegen kann, wenn das Berufungsgericht unbestrittene Auslegungsgrundsätze unrichtig angewendet hat oder ihm sonst eine krasse Fehlbeurteilung vorzuwerfen ist (vgl dazu nur MR 1989, 210, RZ 1994/45, MietSlg 49.067, 50.093, 50.547, 51.116, EFSlg 88.157, MR 2001, 108 ua). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Abgesehen davon, dass einem Bankunternehmen nicht unterstellt werden kann, es wolle einem Kunden mehrere Millionen Schilling - möglicherweise jahrelang - zinsenfrei als Kredit zur Verfügung stellen, sich aber zu dessen Abdeckung mit der Durchsetzung der KESt-Gutschriften gegen den Bund auf eigene Kosten - mit durchaus ungewissem Ausgang - begnügen (1 Ob 207/01z), übersieht der Beklagte offenbar auch, dass er sämtliche bei der klagenden Partei erworbenen Wertpapiere bereits - teilweise mit Gewinn - weiterveräußert hat. Gerade für diese Konstellation kommt die Annahme einer weiteren Stundung der durch den seinerzeitigen Erwerb begründeten Verbindlichkeiten keineswegs in Betracht, weil davon ausgegangen werden konnte, dass der Beklagte ohne weiteres in der Lage sein werde, seine bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Verkaufserlös abzudecken. Spätestens mit der Weiterveräußerung der Wertpapiere ist daher die Fälligkeit der der klagenden Partei aus der Veräußerung der Papiere entstandenen Forderung eingetreten.Es entspricht ganz herrschender Judikatur, dass Fragen der Vertragsauslegung und insbesondere jener nach einer Vertragsergänzung unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig sind, und eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur dann vorliegen kann, wenn das Berufungsgericht unbestrittene Auslegungsgrundsätze unrichtig angewendet hat oder ihm sonst eine krasse Fehlbeurteilung vorzuwerfen ist vergleiche dazu nur MR 1989, 210, RZ 1994/45, MietSlg 49.067, 50.093, 50.547, 51.116, EFSlg 88.157, MR 2001, 108 ua). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Abgesehen davon, dass einem Bankunternehmen nicht unterstellt werden kann, es wolle einem Kunden mehrere Millionen Schilling - möglicherweise jahrelang - zinsenfrei als Kredit zur Verfügung stellen, sich aber zu dessen Abdeckung mit der Durchsetzung der KESt-Gutschriften gegen den Bund auf eigene Kosten - mit durchaus ungewissem Ausgang - begnügen (1 Ob 207/01z), übersieht der Beklagte offenbar auch, dass er sämtliche bei der klagenden Partei erworbenen Wertpapiere bereits - teilweise mit Gewinn - weiterveräußert hat. Gerade für diese Konstellation kommt die Annahme einer weiteren Stundung der durch den seinerzeitigen Erwerb begründeten Verbindlichkeiten keineswegs in Betracht, weil davon ausgegangen werden konnte, dass der Beklagte ohne weiteres in der Lage sein werde, seine bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Verkaufserlös abzudecken. Spätestens mit der Weiterveräußerung der Wertpapiere ist daher die Fälligkeit der der klagenden Partei aus der Veräußerung der Papiere entstandenen Forderung eingetreten.

Unverständlich sind die Ausführungen des Revisionswerbers zu den Rechtswirkungen der von einer Bank erteilten "Gutschrift der Zahlung" auf einem Konto des Bankkunden. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Gutbuchungen tatsächlich nicht erfolgter Gutschriften des Finanzamts um rein buchmäßige Vorgänge, denen weder eine tatsächliche Zahlung noch sonst eine Vermögenszuwendung eines Dritten an den Beklagten zugrunde lag. Warum derartigen Vorgängen Tilgungswirkung zukommen sollte, vermag auch der Beklagte nicht zu erklären. Ebenso bleibt im Dunkeln, weshalb der Säumniszuschlag "mangels klarer Nachvollziehbarkeit und Berechnung" von der Klägerin nicht gefordert werden dürfe. Soweit dazu ausgeführt wird, es liege keine nachvollziehbare Abrechnung vor, wie sie der Kunde von einer Bank erwarten könne, übersieht der Revisionswerber offenbar, dass die Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt haben, dass das Finanzamt einen (für den Beklagten anteiligen) Säumniszuschlag in Höhe von S 117.831,96 vorgeschrieben hat. Da der Beklagte gar nicht in Zweifel zieht, dass dieser Säumniszuschlag von der klagenden Partei - allenfalls im Wege der Gegenverrechnung - an das Finanzamt gezahlt wurde, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die klagende Partei bereits nach § 1042 ABGB den Ersatz verlangen kann. Erhebliche Rechtsfragen stellen sich in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO; die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

Textnummer

E71473

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00256.03H.1118.000

Im RIS seit

18.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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