TE OGH 2003/11/18 1Ob232/03d

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Veröffentlicht am 18.11.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mehmet E*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Verschaffung der Freiheit (Streitwert 21.800 EUR) und Zahlung einer Entschädigung von 3.200 EUR sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Juli 2003, GZ 2 R 110/03y-10, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge kurz Kläger) ist nach ihrem Vorbringen türkischer Staatsangehöriger, seit mehr als 13 Jahren in Österreich aufhältig und seit 7. 1. 2000 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Kläger behauptet, über ihn sei rechtswidrigerweise ein unbefristetes Aufenthaltsverbot - für Österreich - verhängt und er sei rechtswidrig in Schubhaft genommen worden. Er begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm "die Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten"; in eventu werde festgestellt, dass die vom Kläger "aktuell erlittene Durchsetzung seines Aufenthaltsverbots insbesondere durch Schubhaft" rechtswidrig sei bzw gewesen sei. Weiters begehrt er Haftentschädigung von 100 EUR je Hafttag und Verdienstentgang von 100 EUR je Werktag. Zugleich beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der beklagten Partei gemäß § 382 Abs 1 Z 5 EO aufgetragen werde, ihm mit sofortiger Wirkung die Freiheit zu verschaffen und bis zur Anhörung einer von der Fremdenpolizei unabhängigen Stelle mit voller Kognition auch zur Prüfung der Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Aufenthaltsverbots jede Durchsetzung des Aufenthaltsverbots durch Freiheitsentzug des Klägers zu untersagen. Das Landesgericht Feldkirch wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung der beklagten Partei zurück. Der Kläger strebe mit seinem Sicherungsantrag einen Eingriff in Hoheitsrechte des Rechtsträgers an, zumal Aufenthaltsverbote und die zu deren Sicherung verhängte Schubhaft hoheitlich im Verwaltungsweg vollzogen würden. Dem Zivilgericht sei es infolge Art 94 B-VG verwehrt, einer Verwaltungsbehörde Weisungen oder Verbote im Zusammenhang mit einer Freiheitsentziehung zu erteilen. Eine solche Befugnis könne auch nicht aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht abgeleitet werden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Das Sicherungsverfahren sei einseitig geblieben, weshalb § 402 Abs 1 EO nicht anzuwenden sei und daher der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zum Tragen käme.Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge kurz Kläger) ist nach ihrem Vorbringen türkischer Staatsangehöriger, seit mehr als 13 Jahren in Österreich aufhältig und seit 7. 1. 2000 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Kläger behauptet, über ihn sei rechtswidrigerweise ein unbefristetes Aufenthaltsverbot - für Österreich - verhängt und er sei rechtswidrig in Schubhaft genommen worden. Er begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm "die Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten"; in eventu werde festgestellt, dass die vom Kläger "aktuell erlittene Durchsetzung seines Aufenthaltsverbots insbesondere durch Schubhaft" rechtswidrig sei bzw gewesen sei. Weiters begehrt er Haftentschädigung von 100 EUR je Hafttag und Verdienstentgang von 100 EUR je Werktag. Zugleich beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der beklagten Partei gemäß Paragraph 382, Absatz eins, Ziffer 5, EO aufgetragen werde, ihm mit sofortiger Wirkung die Freiheit zu verschaffen und bis zur Anhörung einer von der Fremdenpolizei unabhängigen Stelle mit voller Kognition auch zur Prüfung der Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Aufenthaltsverbots jede Durchsetzung des Aufenthaltsverbots durch Freiheitsentzug des Klägers zu untersagen. Das Landesgericht Feldkirch wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung der beklagten Partei zurück. Der Kläger strebe mit seinem Sicherungsantrag einen Eingriff in Hoheitsrechte des Rechtsträgers an, zumal Aufenthaltsverbote und die zu deren Sicherung verhängte Schubhaft hoheitlich im Verwaltungsweg vollzogen würden. Dem Zivilgericht sei es infolge Artikel 94, B-VG verwehrt, einer Verwaltungsbehörde Weisungen oder Verbote im Zusammenhang mit einer Freiheitsentziehung zu erteilen. Eine solche Befugnis könne auch nicht aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht abgeleitet werden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Das Sicherungsverfahren sei einseitig geblieben, weshalb Paragraph 402, Absatz eins, EO nicht anzuwenden sei und daher der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 2, ZPO zum Tragen käme.

Den vom Kläger dagegen erhobenen Revisionsrekurs wies das Rekursgericht als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Ein Revisionsrekurs gegen den Beschluss zweiter Instanz sei nach § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei gefasste Beschluss auf Abweisung eines Sicherungsantrags vom Rekursgericht bestätigt worden sei, weil für solche Rekurse die Ausnahmebestimmungen des § 402 Abs 1 EO nicht gälten. Daran könne die vom Kläger ins Treffen geführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nichts ändern, denn die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gelte für alle Arten von einstweiligen Verfügungen und benachteilige auch nicht denjenigen, der sich bei einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Gemeinschaftsrecht stütze.Den vom Kläger dagegen erhobenen Revisionsrekurs wies das Rekursgericht als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Ein Revisionsrekurs gegen den Beschluss zweiter Instanz sei nach Paragraph 78, EO in Verbindung mit Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 2, ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei gefasste Beschluss auf Abweisung eines Sicherungsantrags vom Rekursgericht bestätigt worden sei, weil für solche Rekurse die Ausnahmebestimmungen des Paragraph 402, Absatz eins, EO nicht gälten. Daran könne die vom Kläger ins Treffen geführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nichts ändern, denn die Rechtsmittelbeschränkung des Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 2, ZPO gelte für alle Arten von einstweiligen Verfügungen und benachteilige auch nicht denjenigen, der sich bei einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Gemeinschaftsrecht stütze.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs (bezeichnet als "Revisionsrekurs") ist zulässig, aber nicht berechtigt. Vorweg ist festzuhalten, dass gemäß § 526 Abs 1 ZPO über Rekurse ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden ist. Diese Bestimmung gilt mangels einer Sondernorm auch für Rekurse an den Obersten Gerichtshof (3 Ob 199/03s). Im Gegensatz zur Bestimmung des § 509 Abs 2 ZPO ist weder die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung von Gesetzes wegen eröffnet noch eine Antragsmöglichkeit normiert. Demnach ist der gesetzlich nicht gedeckte Antrag des Klägers auf Anberaumung einer mündlichen Rekursverhandlung zurückzuweisen.Der vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs (bezeichnet als "Revisionsrekurs") ist zulässig, aber nicht berechtigt. Vorweg ist festzuhalten, dass gemäß Paragraph 526, Absatz eins, ZPO über Rekurse ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden ist. Diese Bestimmung gilt mangels einer Sondernorm auch für Rekurse an den Obersten Gerichtshof (3 Ob 199/03s). Im Gegensatz zur Bestimmung des Paragraph 509, Absatz 2, ZPO ist weder die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung von Gesetzes wegen eröffnet noch eine Antragsmöglichkeit normiert. Demnach ist der gesetzlich nicht gedeckte Antrag des Klägers auf Anberaumung einer mündlichen Rekursverhandlung zurückzuweisen.

Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss lediglich als "Durchlaufgericht" entschieden. Daher ist der vom Kläger erhobene Rekurs - ohne dass weitere Aussprüche des Rekursgerichts erforderlich gewesen wären - jedenfalls zulässig (vgl 1 Ob 245/03s). Zutreffend führte das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung zweiter Instanz, mit der die ohne Anhörung des Sicherungsgegners ausgesprochene Abweisung eines Provisorialantrags bestätigt wurde, gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist, weil für solche Rekurse die Ausnahmebestimmungen des § 402 Abs 1 EO nicht gelten. Dabei hat das Rekursgericht zwar übersehen, dass der Provisorialantrag des Klägers vom Landesgericht Feldkirch als Erstgericht zurückgewiesen wurde, doch schadet dies deshalb nicht, weil auch der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung einer ohne vorherige Anhörung des Verfügungsgegners ausgesprochene Zurückweisung eines Sicherungsantrags aus formellen Gründen jedenfalls unzulässig ist; die Anfechtbarkeit der Bestätigung eines ohne Anhörung des Verfügungsgegners zurückgewiesenen Sicherungsantrags ist nämlich nicht anders zu beurteilen als die Bestätigung eines ohne Anhörung des Verfügungsgegners abgewiesenen Sicherungsantrags (EvBl 2003/13).Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss lediglich als "Durchlaufgericht" entschieden. Daher ist der vom Kläger erhobene Rekurs - ohne dass weitere Aussprüche des Rekursgerichts erforderlich gewesen wären - jedenfalls zulässig vergleiche 1 Ob 245/03s). Zutreffend führte das Rekursgericht aus, dass der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung zweiter Instanz, mit der die ohne Anhörung des Sicherungsgegners ausgesprochene Abweisung eines Provisorialantrags bestätigt wurde, gemäß Paragraph 78, EO in Verbindung mit Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 2, ZPO jedenfalls unzulässig ist, weil für solche Rekurse die Ausnahmebestimmungen des Paragraph 402, Absatz eins, EO nicht gelten. Dabei hat das Rekursgericht zwar übersehen, dass der Provisorialantrag des Klägers vom Landesgericht Feldkirch als Erstgericht zurückgewiesen wurde, doch schadet dies deshalb nicht, weil auch der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung einer ohne vorherige Anhörung des Verfügungsgegners ausgesprochene Zurückweisung eines Sicherungsantrags aus formellen Gründen jedenfalls unzulässig ist; die Anfechtbarkeit der Bestätigung eines ohne Anhörung des Verfügungsgegners zurückgewiesenen Sicherungsantrags ist nämlich nicht anders zu beurteilen als die Bestätigung eines ohne Anhörung des Verfügungsgegners abgewiesenen Sicherungsantrags (EvBl 2003/13).

Die gemeinschaftsrechtlichen Argumente, mit welchen der Rekurswerber die Richtigkeit dieser Rechtsprechung in Zweifel zieht, sind nicht zielführend. Aus Art 92 Abs 1 iVm Art 7 B-VG ist nicht zu schließen, dass jede Entscheidung einem Rechtszug an den Obersten Gerichtshof unterliegen muss. Rechtsmittelbeschränkungen sind so lange und in dem Ausmaß verfassungskonform, als sie die Funktion des Obersten Gerichtshofs nicht aushöhlen oder gar ganz ausschalten. Die genannten Verfassungsbestimmungen enthalten keine Regelung des Instanzenzugs und nehmen damit dem einfachen Gesetzgeber nicht das Recht, in bestimmten Fällen den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof auszuschließen. Die Unanwendbarkeit des § 402 Abs 1 EO auf die Bestätigung der Abweisung oder Zurückweisung eines Sicherungsantrags in einem einseitig gebliebenen Verfahren und die daraus folgende absolute Unanfechtbarkeit bestätigender Rekursentscheidungen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (1 Ob 245/03s mwN). Auch den vom Kläger im Rekurs zitierten Entscheidungen des EuGH ist nicht zu entnehmen, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz bestünde, der Oberste Gerichtshof müsse immer anrufbar sein, sofern die von einem Sicherungswerber angestrebte einstweilige Verfügung (auch) von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts abhängen sollte (siehe hiezu 1 Ob 245/03s mwN).Die gemeinschaftsrechtlichen Argumente, mit welchen der Rekurswerber die Richtigkeit dieser Rechtsprechung in Zweifel zieht, sind nicht zielführend. Aus Artikel 92, Absatz eins, in Verbindung mit Artikel 7, B-VG ist nicht zu schließen, dass jede Entscheidung einem Rechtszug an den Obersten Gerichtshof unterliegen muss. Rechtsmittelbeschränkungen sind so lange und in dem Ausmaß verfassungskonform, als sie die Funktion des Obersten Gerichtshofs nicht aushöhlen oder gar ganz ausschalten. Die genannten Verfassungsbestimmungen enthalten keine Regelung des Instanzenzugs und nehmen damit dem einfachen Gesetzgeber nicht das Recht, in bestimmten Fällen den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof auszuschließen. Die Unanwendbarkeit des Paragraph 402, Absatz eins, EO auf die Bestätigung der Abweisung oder Zurückweisung eines Sicherungsantrags in einem einseitig gebliebenen Verfahren und die daraus folgende absolute Unanfechtbarkeit bestätigender Rekursentscheidungen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (1 Ob 245/03s mwN). Auch den vom Kläger im Rekurs zitierten Entscheidungen des EuGH ist nicht zu entnehmen, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz bestünde, der Oberste Gerichtshof müsse immer anrufbar sein, sofern die von einem Sicherungswerber angestrebte einstweilige Verfügung (auch) von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts abhängen sollte (siehe hiezu 1 Ob 245/03s mwN).

Dem Rekurs ist somit nicht Folge zu geben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rekurses nach § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 40 ZPO endgültig selbst zu tragen.Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rekurses nach Paragraph 78 und Paragraph 402, Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraph 40, ZPO endgültig selbst zu tragen.

Anmerkung

E71465 1Ob232.03d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00232.03D.1118.000

Dokumentnummer

JJT_20031118_OGH0002_0010OB00232_03D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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