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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Wien ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wurde ein Bescheid des Magistrats der Stadt Wien bestätigt, mit dem über die beschwerdeführende Partei gemäß §15 KommunalsteuerG 1993 eine Geldstrafe wegen Verkürzung der Kommunalsteuer verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmung des §15 KommunalsteuerG 1993 behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.
3. Aus Anlass zweier anderer Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. März 2002 ein Verfahren zur Prüfung des §15 des KommunalsteuerG 1993, BGBl. 819/1993, ein und sprach mit Erkenntnis vom 20. Juni 2002, G110,111/02, aus, dass diese Bestimmung verfassungswidrig war.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes bzw. der Ausspruch, dass eine Bestimmung verfassungswidrig war, auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 20. Juni 2002 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof vor diesem Zeitpunkt eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Die beschwerdeführende Partei wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B709.2002Dokumentnummer
JFT_09978988_02B00709_00