TE OGH 2003/11/19 9ObA125/03b

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Veröffentlicht am 19.11.2003
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden (gefährdeten) Partei A***** AG, *****, vertreten durch Jarolim Singer Specht Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Betriebsrat ***** der A***** AG, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 70.000), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. September 2003, GZ 9 Ra 117/03x, 9 Ra 118/03v-16, womit über Rekurs des Beklagten der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Februar 2003, GZ 3 Cga 21/03h-2, und über Rekurs beider Parteien der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. Juni 2003, GZ 3 Cga 21/03h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte (Gegner der gefährdeten Partei) hat die Kosten seines Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge: klagende Partei) begehrte mit ihrer am 6. 2. 2003 eingebrachten Klage, den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: beklagter Betriebsrat) schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, gegenüber Dritten Behauptungen aufzustellen und Erklärungen abzugeben, wonach es Forderungen des A***** - Vorstandes nach Kosteneinsparungen gebe, die Service, Qualität und Sicherheit gefährden könnten. Die klagende Partei beantragte gleichzeitig die Erlassung einer mit dem Unterlassungsbegehren inhaltsgleichen Einstweiligen Verfügung. Dazu brachte sie zusammengefasst vor, dass der beklagte Betriebsrat an öffentlichen Parkplätzen des Flughafens Wien Flugzettel habe verteilen lassen, welche ihrem Inhalt nach rufschädigend seien und sowohl die Kompetenz des Betriebsrates als auch die Grenzen des Arbeitskampfes, welchen der beklagte Betriebsrat gegen die Einführung eines neuen Entlohnungsschemas für neu eintretendes Cockpitpersonal führe, überschreite.

Das Erstgericht erließ ohne Anhörung des beklagten Betriebsrates die begehrte Einstweilige Verfügung (ON 2) und beschränkte die zeitliche Geltung der Provisorialmaßnahme bis zur Rechtskraft des über das Klagebegehren ergehenden Urteils.

Gegen diese Einstweilige Verfügung erhob der beklagte Betriebsrat Widerspruch und Rekurs, beantragte jedoch, zuerst über den Widerspruch zu entscheiden.

Mit dem gemäß § 398 Abs 1 EO gefassten Beschluss (ON 9) schränkte das Erstgericht seine Einstweilige Verfügung dahin ein, dass vom Verbot nur noch Behauptungen und Erklärungen umfasst waren, wonach es Forderungen des Vorstandes nach Kosteneinsparungen gebe, die die Sicherheit gefährden könnten.Mit dem gemäß Paragraph 398, Absatz eins, EO gefassten Beschluss (ON 9) schränkte das Erstgericht seine Einstweilige Verfügung dahin ein, dass vom Verbot nur noch Behauptungen und Erklärungen umfasst waren, wonach es Forderungen des Vorstandes nach Kosteneinsparungen gebe, die die Sicherheit gefährden könnten.

Dabei erachtete das Erstgericht folgenden Sachverhalt als bescheinigt:

Die klagende Partei kündigte per Ende 2003 eine zwischen ihr und dem beklagten Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung "Neufassung 2001 der Beschäftigungsvereinbarung" auf. Zur Verringerung der Pilotenkosten will sie ein zweites Gehaltsschema für Neueintretende einführen. Darüber konnte bislang keine Einigung mit dem beklagten Betriebsrat erzielt werden. Dieser ließ am 5. 2. 2003 am Flughafengelände an Kunden Flugzettel folgenden Inhalts verteilen:

"Werter A*****-Kunde!

Sie sind uns viel wert. Sie haben ein Recht auf unseren Top-Service, unsere Top-Qualität, unsere Top-Sicherheit.

Die Forderungen des A*****-Vorstandes nach Kosteneinsparungen bei ihrer Crew gefährdet diesen Anspruch. Ihre Crew bekommt von ihrem Ticketpreis durchschnittlich 3 Euro. Soviel sollte ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden dem Vorstand auch in Zukunft wert sein. Ihre A*****-Flugbegleiter und Piloten."

Noch am selben Tag versandte der beklagte Betriebsrat E-mails an die Mitarbeiter, in denen diese von der Flugzettelaktion als "erster Aktion" informiert wurden. Weiter heißt es in dieser Mitarbeiterinformation, dass es dem Betriebsrat wichtig sei, auch "unsere Passagiere über die Forderungen und Vorgangsweisen des Vorstandes zu informieren". Dann folgten die Wiedergabe des Textes des Flugblattes sowie der Dank des Betriebsrates für die Unterstützung der Mitarbeiter.

Anlass für diese Aktion waren die dem Betriebsrat seitens des Vorstandes übermittelten Wünsche, die auch das schon bestehende Bordpersonal treffen sollen: Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, abhängig von einer entsprechend langen, davor liegenden Ruhezeit; Verlängerung der Arbeitszeit bei teilverstärkten Besatzungen; Verkürzung der Ruhezeiten für das Kabinenpersonal; Verkürzung der Aufenthaltszeiten am Zielort bei Langstreckenflügen; verstärkte Besatzungen statt Zwischenlandungen zwecks Aufnahme von Ersatzcrews. Mit Ausnahme der Festlegung der Anzahl der Mitglieder der Kabinencrew sind aber die vom beklagten Betriebsrat beanspruchten bzw. stattdessen geforderten Maßnahme kollektivvertraglich geregelt.

Das Erstgericht bejahte einen auf § 1330 Abs 2 ABGB gegründeten Unterlassungsanspruch der klagenden Partei und erachtete auch die Gefährdung für ausreichend bescheinigt. Das Flugblatt des beklagten Betriebsrates erwecke objektiv bei Kunden den Eindruck, dass deren Sicherheit gefährdet sei, was wiederum geeignet sei, die Entscheidung über die Wahl der Fluglinie zu beeinflussen. Sowohl die Intensität der Aktion als auch die Bezeichnung als "erste Aktion" machten die Wiederholungsgefahr evident.Das Erstgericht bejahte einen auf Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB gegründeten Unterlassungsanspruch der klagenden Partei und erachtete auch die Gefährdung für ausreichend bescheinigt. Das Flugblatt des beklagten Betriebsrates erwecke objektiv bei Kunden den Eindruck, dass deren Sicherheit gefährdet sei, was wiederum geeignet sei, die Entscheidung über die Wahl der Fluglinie zu beeinflussen. Sowohl die Intensität der Aktion als auch die Bezeichnung als "erste Aktion" machten die Wiederholungsgefahr evident.

Während Kunden bei der Sicherheit jeden Abstrich vom Höchstmaß registrierten, würden die behaupteten Qualitäts- und Seviceeinschränkungen auf ein geringeres Maß zu keiner nachteiligen Änderung des Kundenverhaltens führen.

Die klagende Partei erhob Rekurs gegen den - implizit - abweisenden Teil dieses Beschlusses, die beklagte Partei gegen den aufrecht erhaltenen stattgebenden Teil.

Das Rekursgericht bestätigte die Beschlüsse des Erstgerichtes, den Abänderungsbeschluss mit der Maßgabe, dass die vom Erstgericht irrtümlich unterlassene teilweise Abweisung des Provisorialantrages (Verbot von Behauptungen über Qualität und Service) in den Spruch aufgenommen wurde. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die vom beklagten Betriebsrat öffentlich angekündigten Auswirkungen der geplanten Sparmaßnahmen auf die Sicherheit der Passagiere Tatsachenmitteilungen darstellten, welche in der Form, wie sie verstanden werden müssten, unwahr und geeignet seien, den wirtschaftlichen Ruf der klagenden Partei zu gefährden. Der Leser des Flugzettels unterscheide nicht zwischen verschiedenen Sicherheitsgraden, wie "Top-Sicherheit" und "normaler Sicherheit", sodass ein durch Sorge um die eigene Sicherheit beeinflusstes Kundenverhalten die Wahl eines Fluges eines anderen Luftfahrtunternehmens befürchten lasse. Auch Maßnahmen im Rahmen eines Arbeitskampfes könnten den Verstoß des beklagten Betriebsrates gegen § 1330 Abs 2 ABGB nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es an Judikatur zur Rechtswidrigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen der Belegschaftsvertretung im Zusammenhang mit der Gefährdung absoluter Rechte des Arbeitgebers fehle.Das Rekursgericht bestätigte die Beschlüsse des Erstgerichtes, den Abänderungsbeschluss mit der Maßgabe, dass die vom Erstgericht irrtümlich unterlassene teilweise Abweisung des Provisorialantrages (Verbot von Behauptungen über Qualität und Service) in den Spruch aufgenommen wurde. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die vom beklagten Betriebsrat öffentlich angekündigten Auswirkungen der geplanten Sparmaßnahmen auf die Sicherheit der Passagiere Tatsachenmitteilungen darstellten, welche in der Form, wie sie verstanden werden müssten, unwahr und geeignet seien, den wirtschaftlichen Ruf der klagenden Partei zu gefährden. Der Leser des Flugzettels unterscheide nicht zwischen verschiedenen Sicherheitsgraden, wie "Top-Sicherheit" und "normaler Sicherheit", sodass ein durch Sorge um die eigene Sicherheit beeinflusstes Kundenverhalten die Wahl eines Fluges eines anderen Luftfahrtunternehmens befürchten lasse. Auch Maßnahmen im Rahmen eines Arbeitskampfes könnten den Verstoß des beklagten Betriebsrates gegen Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es an Judikatur zur Rechtswidrigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen der Belegschaftsvertretung im Zusammenhang mit der Gefährdung absoluter Rechte des Arbeitgebers fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich, soweit damit die vom Erstgericht verfügte Provisorialmaßnahme bestätigt wurde, der Revisionsrekurs des beklagten Betriebsrates aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Provisorialantrages abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat die Frage eines Verstoßes des beklagten Betriebsrates gegen § 1330 Abs 2 ABGB zutreffend bejaht. Diesbezüglich reicht es daher aus, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Rekursgericht hat die Frage eines Verstoßes des beklagten Betriebsrates gegen Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB zutreffend bejaht. Diesbezüglich reicht es daher aus, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist des Ausführungen des Revisionsrekurswerbers entgegenzuhalten:

Der Rechtsmittelwerber bestreitet nicht den Charakter einer Tatsachenmitteilung. Er vermeint aber, dass durch den Wortlaut des Flugzettels auch dem Durchschnittsleser klar gewesen sei, dass von keiner akuten Sicherheitsgefährdung, sondern nur davon die Rede sei, dass bei zukünftigen Einsparungen nicht die Sicherheit an sich, sondern bloß der derzeitige Top-Standard gefährdet sei.

Die Auslegung des Bedeutungsinhaltes der Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers (Verbrauchers) zu erfolgen (RIS-Justiz RS0115084). Die vom Revisionsrekurswerber unterstellte Differenzierung entspricht diesem Maßstab nicht. Abgesehen davon, dass der Text des Flugblattes nicht erkennen lässt, wann die vom Vorstand geplanten Maßnahmen greifen, somit auch in naher Zukunft geplante Flüge damit in Verbindung gebracht werden könnten, entspricht es der Erfahrung, dass Flugkunden gerade bei der Sicherheit einen hohen Maßstab anlegen und daher selbst geringfügige Bedenken in dieser Hinsicht das Kundenverhalten beeinflussen.

Der vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Rechtfertigungsgrund eines Arbeitskampfes ist hier schon im Ansatz verfehlt:

Nach herrschender Lehre (Strasser, ArbVG Komm 562; Schrammel in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II4 316; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II201; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht 222; Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II2 114, Löschnigg, Arbeitsrecht10 783) besteht im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ein besonderes Kampfverbot in Gestalt einer gesetzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht. Diese wird aus dem Gebot des § 39 ArbVG abgeleitet, zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes einen Interessenausgleich herbeizuführen. Sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat ist daher die Kampfführung gegeneinander untersagt (Schrammel aaO). Dies darf zwar nicht so weit verstanden werden, dass Mitgliedern des Betriebsrates die Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeit im Betrieb untersagt ist; verboten ist vielmehr die Vornahme bzw Organisation von Kampfmaßnahmen durch Organe der gesetzlichen Betriebsverfassung in dieser Eigenschaft (Jabornegg/Resch/Strasser aaO; Strasser/Jabornegg aaO; Löschnigg aaO; Marhold/Mayer-Maly aaO ua). Ausschließlich auf eine solche, von ihm selbst gesetzte und daher unzulässige Maßnahme des Arbeitskampfes beruft sich aber der beklagte Betriebsrat zur Dartuung eines Rechtfertigungsgrundes seiner verpönten Äußerung.Nach herrschender Lehre (Strasser, ArbVG Komm 562; Schrammel in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht II4 316; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 201; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht 222; Marhold/MayerMaly, Österreichisches Arbeitsrecht II2 114, Löschnigg, Arbeitsrecht10 783) besteht im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ein besonderes Kampfverbot in Gestalt einer gesetzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht. Diese wird aus dem Gebot des Paragraph 39, ArbVG abgeleitet, zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes einen Interessenausgleich herbeizuführen. Sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat ist daher die Kampfführung gegeneinander untersagt (Schrammel aaO). Dies darf zwar nicht so weit verstanden werden, dass Mitgliedern des Betriebsrates die Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeit im Betrieb untersagt ist; verboten ist vielmehr die Vornahme bzw Organisation von Kampfmaßnahmen durch Organe der gesetzlichen Betriebsverfassung in dieser Eigenschaft (Jabornegg/Resch/Strasser aaO; Strasser/Jabornegg aaO; Löschnigg aaO; Marhold/MayerMaly aaO ua). Ausschließlich auf eine solche, von ihm selbst gesetzte und daher unzulässige Maßnahme des Arbeitskampfes beruft sich aber der beklagte Betriebsrat zur Dartuung eines Rechtfertigungsgrundes seiner verpönten Äußerung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 402 Abs 4 EO iVm §§ 78 EO, 40, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 402, Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 78, EO, 40, 50 Absatz eins, ZPO.

Textnummer

E71513

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:009OBA00125.03B.1119.000

Im RIS seit

19.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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