Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der zur AZ 14 P 99/02w des Bezirkgsgerichts Linz-Land anhängigen Pflegschaftssache der Minderjährigen 1) Michelle N*****, geboren am 7. September 1995, 2) Marco Marcel N*****, geboren am 21. August 1996, und 3) Oliver Wolfgang N*****, geboren am 3. Mai 1998, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die in der vorliegenden Pflegschaftssache mit Beschluss des Bezirksgerichts Linz-Land, GZ 14 P 99/02w-28, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Floridsdorf wird genehmigt.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern der drei Minderjährigen wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Rohrbach vom 20. November 2002 rechtskräftig geschieden. Nach Punkt 1. des gerichtlichen Vergleichs der Eltern vom 20. November 2002 bleiben die Kinder "in gemeinsamer Obsorge ... bei überwiegendem Aufenthalt bei der Kindesmutter" (ON 10). Diese Regelung wurde mit Beschluss vom 23. Februar 2003 pflegschaftsgerichtlich genehmigt (ON 22). Am 4. März 2003 beantragte die Mutter, dem Vater die Obsorge für die Kinder zu entziehen und sie selbst mit der alleinigen Obsorge zu betrauen (ON 22a). Der Vater wendete sich am 5. Mai 2003 gegen diesen Antrag (ON 23).
Die Beziehung der Eltern ist nach dem Akteninhalt tiefgreifend gestört. Mit Verfügung vom 8. Mai 2003 leitete das Bezirksgericht Linz-Land als zuständiges Pflegschaftsgericht Erhebungen über die Situation der Kinder, aber auch über die Obsorgeeignung der Mutter ein (ON 24). Am 22. Juli 2003 langte ein "Situationsbericht" der BH Linz-Land ein. Danach "benötigen die bereits auffälligen Kinder einen geregelten Tagesablauf, beständige Bezugspersonen, konsequente und liebevolle Erziehung". Die "sprunghafte Art der Mutter, die wechselnden Beziehungen und ständigen Übersiedlungen" wirkten "sich negativ auf die Entwicklung der Kinder aus". Demnach werde eine "Überprüfung der Erziehungsfähigkeit der Mutter angeregt". Bereits am 17. Juli 2003 hatte die Mutter der Sozialarbeiterin im Zuge eines Telefonats mitgeteilt, mit den Kindern demnächst nach Wien zu übersiedeln (ON 26).
Nach Abfragen aus dem zentralen Melderegister vom 1. und 4. August 2003 haben die Mutter und die Kinder ihren Wohnsitz seit 28. Juli 2003 in Wien-Floridsdorf (ON 27). Schließlich fasste das Bezirksgericht Linz-Land am 4. August 2003 den Beschluss, dass die "Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache" gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN dem Bezirksgericht Floridsdorf übertragen" und diese Übertragung mit "Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgerichts Floridsdorf wirksam" werde (28). Ein Kind befindet sich seit 14. Oktober 2003 "in Pflege und Erziehung der Stadt Wien" (ON 36). Das Bezirksgericht Floridsdorf übersandte den Pflegschaftsakt mit Verfügung vom 4. November 2003 wieder dem Bezirksgericht Linz-Land unter "Hinweis auf den offenen Obsorgeantrag ON 22(a)" (ON 38). Mit Verfügung vom 13. November 2003 legte das Bezirksgericht Linz-Land den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der von ihm ausgesprochenen Übertragung der Zuständigkeit vor. Es führte aus, der Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen Obsorge sei noch nicht entscheidungsreif. Es seien - auch angesichts der "Übergabe" eines der Kinder "in Pflege und Erziehung der Stadt Wien" - weitere "Verfahrensschritte ... zweckmäßigerweise im Bereich des Wohnsitzes der Mutter bzw der Minderjährigen" erforderlich. Durch die "im Raum stehenden weitergehenden Maßnahmen zum Schutz der Minderjährigen" sei die Übertragung der Zuständigkeit in der Pflegschaftssache an das Bezirksgerichts Floridsdorf - trotz des offenen Antrags - zweckmäßig.Nach Abfragen aus dem zentralen Melderegister vom 1. und 4. August 2003 haben die Mutter und die Kinder ihren Wohnsitz seit 28. Juli 2003 in Wien-Floridsdorf (ON 27). Schließlich fasste das Bezirksgericht Linz-Land am 4. August 2003 den Beschluss, dass die "Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache" gemäß Paragraph 111, Absatz eins und 2 JN dem Bezirksgericht Floridsdorf übertragen" und diese Übertragung mit "Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgerichts Floridsdorf wirksam" werde (28). Ein Kind befindet sich seit 14. Oktober 2003 "in Pflege und Erziehung der Stadt Wien" (ON 36). Das Bezirksgericht Floridsdorf übersandte den Pflegschaftsakt mit Verfügung vom 4. November 2003 wieder dem Bezirksgericht Linz-Land unter "Hinweis auf den offenen Obsorgeantrag ON 22(a)" (ON 38). Mit Verfügung vom 13. November 2003 legte das Bezirksgericht Linz-Land den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der von ihm ausgesprochenen Übertragung der Zuständigkeit vor. Es führte aus, der Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen Obsorge sei noch nicht entscheidungsreif. Es seien - auch angesichts der "Übergabe" eines der Kinder "in Pflege und Erziehung der Stadt Wien" - weitere "Verfahrensschritte ... zweckmäßigerweise im Bereich des Wohnsitzes der Mutter bzw der Minderjährigen" erforderlich. Durch die "im Raum stehenden weitergehenden Maßnahmen zum Schutz der Minderjährigen" sei die Übertragung der Zuständigkeit in der Pflegschaftssache an das Bezirksgerichts Floridsdorf - trotz des offenen Antrags - zweckmäßig.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Bezirksgericht Linz-Land ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit ist berechtigt.
1. Das Gericht kann seine Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN im Interesse des Pflegebefohlenen einem anderen Gericht übertragen. Eine Übertragung wird nach § 111 Abs 2 JN indes nur dann wirksam, wenn das Adressatgericht die Zuständigkeit übernimmt oder der Übertragungsakt - im Fall dessen Weigerung - durch das beiden Gerichten zunächst übergeordnete höhere Gericht genehmigt wird. Hier verweigerte das Adressatgericht die Übernahme der Zuständigkeit, sodass der Oberste Gerichtshof als das beiden Gerichten übergeordnete höhere Gericht über die Genehmigungsfrage abzusprechen hat.1. Das Gericht kann seine Zuständigkeit gemäß Paragraph 111, Absatz eins, JN im Interesse des Pflegebefohlenen einem anderen Gericht übertragen. Eine Übertragung wird nach Paragraph 111, Absatz 2, JN indes nur dann wirksam, wenn das Adressatgericht die Zuständigkeit übernimmt oder der Übertragungsakt - im Fall dessen Weigerung - durch das beiden Gerichten zunächst übergeordnete höhere Gericht genehmigt wird. Hier verweigerte das Adressatgericht die Übernahme der Zuständigkeit, sodass der Oberste Gerichtshof als das beiden Gerichten übergeordnete höhere Gericht über die Genehmigungsfrage abzusprechen hat.
Das Erfordernis einer Übertragung der Zuständigkeit ist am Kindeswohl zu orientieren. Deshalb bilden offene Anträge im Allgemeinen kein Übertragungshindernis. Den notwendigen pflegschaftsgerichtlichen Schutz kann gewöhnlich das Gericht am besten gewährleisten, in dessen Sprengel der (die) Pflegebefohlene(n) wohnen. Anderes gilt, wenn triftige Gründe für die Weiterführung der Pflegschaftssache durch das bisher befasste Gericht sprechen, so etwa dann, wenn sich das übertragende Gericht durch die Vernehmung in Betracht kommender Personen bereits eine durch einen unmittelbaren persönlichen Eindruck geprägte besondere Sachkenntnis verschaffte (so zuletzt 9 Nc 15/03k; siehe ferner RIS-Justiz RS0047032; Fucik in Fasching² I § 111 JN Rz 3).Das Erfordernis einer Übertragung der Zuständigkeit ist am Kindeswohl zu orientieren. Deshalb bilden offene Anträge im Allgemeinen kein Übertragungshindernis. Den notwendigen pflegschaftsgerichtlichen Schutz kann gewöhnlich das Gericht am besten gewährleisten, in dessen Sprengel der (die) Pflegebefohlene(n) wohnen. Anderes gilt, wenn triftige Gründe für die Weiterführung der Pflegschaftssache durch das bisher befasste Gericht sprechen, so etwa dann, wenn sich das übertragende Gericht durch die Vernehmung in Betracht kommender Personen bereits eine durch einen unmittelbaren persönlichen Eindruck geprägte besondere Sachkenntnis verschaffte (so zuletzt 9 Nc 15/03k; siehe ferner RIS-Justiz RS0047032; Fucik in Fasching² römisch eins Paragraph 111, JN Rz 3).
2. Im Anlassfall gewann das übertragende Gericht bereits einen persönlichen Eindruck von den Eltern der Minderjährigen. Es führte - aufgrund der von der Mutter beantragten Obsorgeentscheidung - auch schon Erhebungen durch. Die Ermittlungen befinden sich dennoch in einem sehr frühen Stadium, mangelt es doch an Verfahrensergebnissen dazu, wie das mütterliche Umfeld, in dem zwei der Kinder nunmehr leben, beschaffen ist, weshalb sich eines der Kinder derzeit in Pflege und Erziehung des Jugendwohlfahrtsträgers für Wien befindet und ob in der Person des Vaters und/oder der Mutter objektiv fassbare Gründe liegen, die sie an der Wahrnehmung der Obsorgeaufgaben im wohlverstandenen Interesse der Kinder hindern könnten. Demnach sind keine triftigen Gründe erkennbar, die sich gegen den Grundsatz durchsetzen könnten, dass der pflegschaftsgerichtliche Schutz von Minderjährigen am besten durch das Gericht gewährleistet werden kann, in dessen Sprengel sie wohnen.
Textnummer
E71372European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0030NC00032.03S.1121.000Im RIS seit
21.12.2003Zuletzt aktualisiert am
13.09.2012