TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/18 2007/18/0122

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Veröffentlicht am 18.05.2007
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §62;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des U C, (geboren 1975), in S, vertreten durch Mag. Werner Hammerl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Oberer Stadtplatz 40, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Oktober 2006, Zl. St 202/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, (angeblich) einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 sowie § 60 Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei Asylwerber, weil er am 23. Dezember 2003 als undokumentierter, illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereister Fremder beim Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hätte und über diesen Antrag noch nicht rechtskräftig entschieden sei (vgl. § 2 Abs. 4 Z. 14 AsylG 2005). Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Ibo an, er sei ledig und vor seiner Verhaftung ohne Beschäftigung gewesen. Vom Bundesasylamt Innsbruck sei ihm im Asylverfahren eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (gültig seit dem 29. Jänner 2004) zuerkannt worden.

Derzeit verbüße der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung aus der Justizanstalt Innsbruck am 15. März 2006 einen Teil der unbedingten gerichtlichen Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Suben, das gerichtliche Strafende sei mit dem 4. August 2007 errechnet worden. Diese unbedingte Freiheitsstrafe beruhe auf einer seit dem 2. Februar 2006 rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 22. August 2005 wegen §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 und 3 des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten; im Berufungsverfahren sei vom Oberlandesgericht Innsbruck der Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck Folge gegeben und die über den Beschwerdeführer vom Landesgericht Innsbruck verhängte Strafe von zwei Jahren auf zweieinhalb Jahre erhöht worden. Zur besagten gerichtlichen Verurteilung, sei es gekommen, weil der Beschwerdeführer im Großraum Innsbruck zusammen mit einem abgesondert verfolgten anderen Täter im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen Juli 2004 bis einschließlich 22. Oktober 2004 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen Menge, nämlich eine ziffernmäßig nicht mehr exakt feststellbare, die Grenzmenge aber jedenfalls mehrfach übersteigende große Menge Kokain (zumindest 300 g) durch gewerbsmäßigen Verkauf an eine weitere abgesondert verfolgte Person in Verkehr gesetzt habe. Ferner habe der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, und zwar zu datumsmäßig jeweils nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten ab dem 22. Dezember 2003 in Leutasch durch den Erwerb von nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten bei Unbekannten und deren Besitz.

Der Tatbestand des § 62 Abs. 1 FPG iVm § 62 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. sei schon deshalb erfüllt, weil der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens nach dem SMG zu einer sehr hohen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Die Erlassung des Rückkehrverbots sei auch iSd § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftverbrechen sehr hoch sei. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als die gegenläufigen persönlichen Interessen des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei schon deshalb dringend geboten, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier vor allem bei Jugendlichen führe. Außerdem nehme die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führten. Dass die notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit dem Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden seien, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten böten, bedürfe keiner weiterreichenden Erörterung.

Hinsichtlich der persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass er selbst keine näheren verwandtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet vorgebracht hätte. Auch sei die Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet zu kurz, um von einer (weitergehenden) Integration des Beschwerdeführers ausgehen zu können. Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem der Jugendlichen, die den genannten Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei die vorliegende, in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme dringend erforderlich. Da - unter Abwägung aller angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbots wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Rückkehrverbot auch zulässig iSd § 66 Abs. 2 FPG.

Aus oben angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen, weil eine Abstandnahme diesbezüglich die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Berufung des Beschwerdeführers würden sich Fakten ergeben, auf Grund deren eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers gerechtfertigt wäre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung. Angesichts dieser Verurteilung erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.

1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, der besagten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist vorliegend auch die Annahme gemäß § 62 Abs. 1 FPG gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Fehlverhalten gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen. Dem Einwand, der Beschwerdeführer sei zu keinem Zeitpunkt suchtgiftabhängig gewesen, weshalb bei ihm mit einer relevanten Rückfallgefahr - die "laut Experten" nur bei suchtgiftabhängigen Personen gegeben sei - nicht zu rechnen sei, ist entgegenzuhalten, dass sich die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr in den unstrittigen wiederholten, über mehrere Monate hindurch gesetzten Tathandlungen manifestiert. Entgegen der Beschwerde hat die belangte Behörde ihre Beurteilung daher auch nicht auf eine einmalige strafrechtliche Verfehlung des Beschwerdeführers gegründet. Zudem hat der Beschwerdeführer sein Fehlverhalten gewerbsmäßig mit Beziehung auf Suchtmittel im Umfang einer "großen Menge" iSd § 28 Abs. 6 SMG (eine große Menge ist eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen) begangen. Dem Hinweis, der Beschwerdeführer sei mit dem Gesetz nur deshalb in Konflikt gekommen, weil er nicht nur mit Geldmangel, sondern auch mit Existenzproblemen zu kämpfen gehabt und aus einer Tätigkeit bei einer Computerfirma lediglich EUR 100,-- erhalten hätte, ist zu entgegnen, dass materielle Not den gewerbsmäßigen Verkauf von Suchtgift und die damit verbundene große Gefährdung der Gesundheit anderer nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2004/18/0264). Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war der seit dem vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhalten verstrichene Zeitraum zudem zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Situation sei durch die mangelnden Perspektiven, sich trotz Bemühung zu integrieren und eine entsprechende Ausbildung zu erhalten, noch verstärkt worden, sowie mit seinem Hinweis, der schlechte Umgang mit anderen Asylwerbern sei dafür ausschlaggebend gewesen, dass er straffällig geworden sei, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die vom ihm auf Grund seiner Straftaten ausgehende gravierende Gefährdung öffentlicher Interessen zu mindern. Mit seinem Vorbringen, am Ende seiner Haftstrafe noch Anspruch auf Leistungen durch die Arbeitslosenversicherung sowie Anspruch auf eine Arbeitsbewilligung zu haben, macht der Beschwerdeführer keine Umstände geltend, die eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr bewirken könnten. Der ins Treffen geführte positive Wandel infolge des Haftübels vermag ebenfalls keine derartige Minderung zu bewirken, weil sich der Beschwerdeführer - wie sich auch aus der Beschwerde ergibt - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Haft befindet und der vom ihm behauptete Gesinnungswandel nur daran geprüft werden kann, wie lang sich der Beschwerdeführer in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174). Dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wieder im Caritaswohnheim dauerhaft wohnen und bei einer (namentlich genannten) "PC-Firma" wieder tätig sein könnte, vermag an der vorstehenden Beurteilung nichts zu ändern.

1.3. Mit der Rüge, die belangte Behörde habe die für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände und Beweismittel überhaupt nicht ermittelt, vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen, hat sie doch nicht aufgezeigt, welche für den Beschwerdeführer günstigen Umstände bei solchen Ermittlungen zu Tage getreten wären, und damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

2. Gegen das - nicht konkret bekämpfte - Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme im Grund des § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Rückkehrverbots (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 2 FPG; hier: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) zurücktreten würden, bestehen aus den im Ergebnis zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

3. Schon in Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr hat die belangte Behörde zutreffend davon Abstand genommen, von dem ihr bei der Verhängung eines Rückkehrverbots im Grund des § 62 Abs. 1 FPG zukommende Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066).

4. Soweit der Beschwerdeführer auf § 19 VStG verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich bei einem Rückkehrverbot nicht um eine Verwaltungsstrafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0376), für die die genannte Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 nicht einschlägig ist.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Mai 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180122.X00

Im RIS seit

20.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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