TE OGH 2003/11/26 3Ob206/03w

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Veröffentlicht am 26.11.2003
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am 6. Oktober 2000 verstorbenen Emil H*****,, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Veronika H*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 1. April 2004, GZ 25 R 230/02d-63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 30. Juli 2002, GZ 5 A 411/00t-52, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der erbserklärten Erbin aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht ermächtigte als Verlassenschaftsgericht die Verlassenschaftskuratorin Mag. Gerlinde Ö*****, die erbl. Liegenschaft bestmöglich, jedoch nicht unter dem Schätzwert zu veräußern. Die Miterbin Veronika H***** machte am 19. Juni 2001 vor dem Verlassenschaftsgericht geltend, der Erblasser habe ihr ein nicht verbüchertes Wohnrecht an einer Wohnung auf dieser Liegenschaft eingeräumt. Dies bestritt der Miterbe Karl H*****.

Die Marktgemeinde H***** legte am 31. Mai 2002 einen nicht unterfertigten Kaufvertragsentwurf vor, in dem sie als Käuferin genannt ist, und beantragte dessen verlassenschaftsbehördliche Genehmigung (ON 44). Die Verlassenschaftskuratorin beantragte am 5. Juni 2002 ebenfalls die Genehmigung dieses in Aussicht genommenen Kaufvertrags (ON 45). Am 27. Juni 2002 legte die Käuferin den am 25. Juni 2002 von beiden Vertragsteilen unterfertigten Kaufvertrag vor (ON 47).

Der mit ON 44 vorgelegte Vertragsentwurf und der mit ON 47 vorgelegte unterfertigte Kaufvertrag sind mit Ausnahme des Punkts IV Abs 1 zweiter Satz identisch. Dieser Vertragspassus lautet im Entwurf: "Die Verkäuferin haftet für keine bestimmte Verwendbarkeit, Beschaffenheit oder sonst bedungene Eigenschaften der vertragsgegenständlichen Liegenschaft, wohl aber dafür, dass diese frei von bücherlichen Lasten, mit Ausnahme der oben näher bezeichneten Pfandrechte, in das Eigentum der Käuferin übertragen werden kann", im unterfertigten Vertrag jedoch: "Die Verkäuferin haftet für keine bestimmte Verwendbarkeit, Beschaffenheit oder sonst bedungene Eigenschaften der vertragsgegenständlichen Liegenschaft, wohl aber dafür, dass diese frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten in das Eigentum der Käuferin übertragen werden kann."Der mit ON 44 vorgelegte Vertragsentwurf und der mit ON 47 vorgelegte unterfertigte Kaufvertrag sind mit Ausnahme des Punkts römisch IV Absatz eins, zweiter Satz identisch. Dieser Vertragspassus lautet im Entwurf: "Die Verkäuferin haftet für keine bestimmte Verwendbarkeit, Beschaffenheit oder sonst bedungene Eigenschaften der vertragsgegenständlichen Liegenschaft, wohl aber dafür, dass diese frei von bücherlichen Lasten, mit Ausnahme der oben näher bezeichneten Pfandrechte, in das Eigentum der Käuferin übertragen werden kann", im unterfertigten Vertrag jedoch: "Die Verkäuferin haftet für keine bestimmte Verwendbarkeit, Beschaffenheit oder sonst bedungene Eigenschaften der vertragsgegenständlichen Liegenschaft, wohl aber dafür, dass diese frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten in das Eigentum der Käuferin übertragen werden kann."

Die Erstrichterin fasste am 28. Juni 2002 den Beschluss (ON 46; im Folgenden 1. Beschluss), und zwar urschriftlich auf dem Antrag der Verlassenschaftskuratorin auf Genehmigung des in Aussicht genommenen Kaufvertrags (ON 45). Zu dieser Zeit lag - wie erwähnt - auch bereits der mit ON 47 vorgelegte unterfertigte Kaufvertrag dem Gericht vor. Der 1. Beschluss langte am 3. Juli 2002 in der Gerichtsabteilung ein, wurde jedoch nicht ausgefertigt.

Die Erbin Veronika H***** beantragte am 2. Juli 2002, dem am 25. Juni 2002 abgeschlossenen Kaufvertrag möge die verlassenschaftsbehördliche Genehmigung versagt werden (ON 48). Die Erstrichterin ordnete sodann am 5. Juli 2002 (ON 50) an, dass die Abfertigung des 1. Beschlusses unterbleiben solle. Nach Vorliegen von Äußerungen der Käuferin und der Verlassenschaftskuratorin zum Antrag ON 48 wies das Erstgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2002 (ON 52; im Folgenden 2. Beschluss) den Antrag, den vorgelegten und unterzeichneten Liegenschaftskaufvertrag verlassenschaftsgerichtlich zu genehmigen, ab.

Dagegen erhob die Verlassenschaftskuratorin Rekurs mit dem Antrag auf Abänderung des 2. Beschlusses dahin, dass der vorgelegte und unterzeichnete Liegenschaftskaufvertrag genehmigt werde; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen (2.) Beschluss ersatzlos als nichtig auf und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 20.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage der im § 14 Abs 1 AußStrG geforderten Qualifikation nicht vorliege.Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen (2.) Beschluss ersatzlos als nichtig auf und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 20.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage der im Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG geforderten Qualifikation nicht vorliege.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, das Erstgericht sei gemäß § 416 Abs 2 ZPO an seinen 1. Beschluss, der bereits am 3. Juli 2002 der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung gegeben worden sei, gebunden. Es habe daher seine Entscheidung nicht mehr selbst aufheben oder abändern können. Aus Anlass des zulässigen Rekurses sei daher der angefochtene 1. Beschluss als nichtig aufzuheben; das Erstgericht werde daher den 1. Beschluss auszufertigen und zuzustellen haben.In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, das Erstgericht sei gemäß Paragraph 416, Absatz 2, ZPO an seinen 1. Beschluss, der bereits am 3. Juli 2002 der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung gegeben worden sei, gebunden. Es habe daher seine Entscheidung nicht mehr selbst aufheben oder abändern können. Aus Anlass des zulässigen Rekurses sei daher der angefochtene 1. Beschluss als nichtig aufzuheben; das Erstgericht werde daher den 1. Beschluss auszufertigen und zuzustellen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erbin Veronika H***** ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 416 Abs 2 ZPO ist das Gericht an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe verkündet oder im Falle des § 415 ZPO in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben ist. Diese Bestimmung gilt ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen ausdrücklichen Vorschrift auch für Beschlüsse im Zivilprozess, insoweit sie nicht bloß prozessleitender Natur sind (§ 425 Abs 2 ZPO; SZ 38/147). Im Außerstreitverfahren kann zwar die Bestimmung des § 416 Abs 2 ZPO zumindest insoweit nicht analog angewendet werden, als der entscheidende Richter einem Rechtsmittel gegen seinen Beschluss - sei es auch auf Grund neuen Tatsachenvorbringens - noch selbst stattgeben könnte, er aber zum Schutz der Interessen des Pflegebefohlenen auch zum amtwegigen Einschreiten verpflichtet ist (§§ 9, 10 iVm § 2 Abs 1 AußStrG; SZ 38/147; JBl 1975, 210, beide in RIS-Justiz RS0005822).Gemäß Paragraph 416, Absatz 2, ZPO ist das Gericht an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe verkündet oder im Falle des Paragraph 415, ZPO in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben ist. Diese Bestimmung gilt ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen ausdrücklichen Vorschrift auch für Beschlüsse im Zivilprozess, insoweit sie nicht bloß prozessleitender Natur sind (Paragraph 425, Absatz 2, ZPO; SZ 38/147). Im Außerstreitverfahren kann zwar die Bestimmung des Paragraph 416, Absatz 2, ZPO zumindest insoweit nicht analog angewendet werden, als der entscheidende Richter einem Rechtsmittel gegen seinen Beschluss - sei es auch auf Grund neuen Tatsachenvorbringens - noch selbst stattgeben könnte, er aber zum Schutz der Interessen des Pflegebefohlenen auch zum amtwegigen Einschreiten verpflichtet ist (Paragraphen 9,, 10 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, AußStrG; SZ 38/147; JBl 1975, 210, beide in RIS-Justiz RS0005822).

Hier liegt jedoch ein Fall des § 9 Abs 2 AußStrG vor, in dem die erste Instanz dem Rekurs nicht selbst stattgeben könnte, weil durch seine Genehmigung eines Liegenschaftskaufvertrags bereits dritte Personen, uzw die Liegenschaftskäuferin und andere erbserklärte Erben, Rechte erworben haben.Hier liegt jedoch ein Fall des Paragraph 9, Absatz 2, AußStrG vor, in dem die erste Instanz dem Rekurs nicht selbst stattgeben könnte, weil durch seine Genehmigung eines Liegenschaftskaufvertrags bereits dritte Personen, uzw die Liegenschaftskäuferin und andere erbserklärte Erben, Rechte erworben haben.

Aus folgenden Gründen stellt sich aber die - von der zweiten Instanz bejahte, in der Rsp des Obersten Gerichtshofs bisher noch nicht behandelte (EFSlg 98.295 ist eine E des LG Salzburg, RPflSlgW 1964/4303 eine E des LGZ Wien) - Frage, ob ein Verstoß gegen § 416 Abs 2 ZPO einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund darstellt, nicht:Aus folgenden Gründen stellt sich aber die - von der zweiten Instanz bejahte, in der Rsp des Obersten Gerichtshofs bisher noch nicht behandelte (EFSlg 98.295 ist eine E des LG Salzburg, RPflSlgW 1964/4303 eine E des LGZ Wien) - Frage, ob ein Verstoß gegen Paragraph 416, Absatz 2, ZPO einen von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund darstellt, nicht:

Die Erstrichterin war zwar an den 1. Beschluss, den sie bereits - wie sich entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin klar aus dem Akt ergibt - an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung übergeben hatte, gebunden. Mit diesem Beschluss wurde vom Verlassenschaftsgericht ein bestimmter Kaufvertragsentwurf genehmigt, wobei zur Zeit der Beschlussfassung auch bereits dieser von den Parteien unterfertigte Kaufvertrag vorlag. In der Folge verfügte die Erstrichterin zwar, dass die Ausfertigung dieses 1. Beschlusses zu unterbleiben habe, faßte jedoch nie einen Beschluss des Inhalts, dass die mit dem 1. Beschluss erfolgte Genehmigung widerrufen werde. Vielmehr wurde im folgenden 2. Beschluss die Genehmigung nicht dieses Kaufvertrags, sondern eines danach vorgelegten Kaufvertrags mit einer anderen Vertragsbestimmung versagt. Da somit der nicht genehmigte Kaufvertrag mit dem genehmigten Kaufvertrag nicht in allen Punkten übereinstimmt, betreffen die beiden Beschlüsse unterschiedliche Gegenstände. Daher kann kein Fall des allenfalls analog anzuwendenden § 416 Abs 2 ZPO vorliegen. Schon aus diesem Grund hat die zweite Instanz zu Unrecht die Nichtigkeit des mit Rekurs angefochtenen zweiten Beschlusses des Erstgerichts angenommen.Die Erstrichterin war zwar an den 1. Beschluss, den sie bereits - wie sich entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin klar aus dem Akt ergibt - an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung übergeben hatte, gebunden. Mit diesem Beschluss wurde vom Verlassenschaftsgericht ein bestimmter Kaufvertragsentwurf genehmigt, wobei zur Zeit der Beschlussfassung auch bereits dieser von den Parteien unterfertigte Kaufvertrag vorlag. In der Folge verfügte die Erstrichterin zwar, dass die Ausfertigung dieses 1. Beschlusses zu unterbleiben habe, faßte jedoch nie einen Beschluss des Inhalts, dass die mit dem 1. Beschluss erfolgte Genehmigung widerrufen werde. Vielmehr wurde im folgenden 2. Beschluss die Genehmigung nicht dieses Kaufvertrags, sondern eines danach vorgelegten Kaufvertrags mit einer anderen Vertragsbestimmung versagt. Da somit der nicht genehmigte Kaufvertrag mit dem genehmigten Kaufvertrag nicht in allen Punkten übereinstimmt, betreffen die beiden Beschlüsse unterschiedliche Gegenstände. Daher kann kein Fall des allenfalls analog anzuwendenden Paragraph 416, Absatz 2, ZPO vorliegen. Schon aus diesem Grund hat die zweite Instanz zu Unrecht die Nichtigkeit des mit Rekurs angefochtenen zweiten Beschlusses des Erstgerichts angenommen.

Das Rekursgericht wird deshalb den angefochtenen Beschluss meritorisch zu überprüfen haben.

Textnummer

E71697

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0030OB00206.03W.1126.000

Im RIS seit

26.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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