TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/18 2006/18/0107

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Veröffentlicht am 18.05.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der A M in W, geboren 1954, vertreten durch Dr. Gertraude Carli, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Oktober 2005, Zl. SD 1749/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. Oktober 2005 wurde die Beschwerdeführerin, laut dem Beschwerdevorbringen eine russische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei laut ihren Angaben am 4. Mai 2003 illegal in Österreich eingereist und habe am folgenden Tag den (ersten) Asylantrag eingebracht, der jedoch mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. September 2003 rechtskräftig negativ entschieden worden sei.

Am 10. März 2005 habe die Beschwerdeführerin einen zweiten Asylantrag gestellt, der mit zweitinstanzlichem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. April 2005 wegen entschiedener Sache (rechtskräftig) zurückgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, der jedoch dieser keine aufschiebende Wirkung zuerkannt habe und über die bisher noch nicht entschieden worden sei.

Die Beschwerdeführerin halte sich somit offensichtlich seit dem 23. September 2003 - und nicht wie im erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. September 2005 angegeben - seit 4. Mai 2005 bzw. 6. Mai 2005 - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aus den aktenkundigen amtlichen Evidenzen sei nicht zu ersehen, dass ihr auf Grund des zweiten Asylantrages eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden wäre.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens weiter aus, dass die Beschwerdeführerin, deren Identität nicht feststehe, nach ihren Angaben ledig, kinderlos, ohne Verwandte in Österreich und ohne Beschäftigung sei. Sie habe eine Bestätigung vom 15. September 2005 vorgelegt, wonach sie im Schuljahr 2005/2006 das "International business college Hetzendorf", kaufmännisches Kolleg (eine Abendschule), besuchen werde.

Die Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 1 FrG, wonach Fremde, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, mit Bescheid ausgewiesen werden könnten, lägen vor.

Bei Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung (nach § 37 Abs. 1 FrG) seien die Tatsache des relativ kurzen (und zum Teil unrechtmäßigen) Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, der Umstand des - erst seit kurzer Zeit erfolgten - Kollegbesuches und der Umstand, dass sie sich bemüht habe, die deutsche Sprache zu erlernen bzw. sich sonst fortzubilden, zu berücksichtigen gewesen. Es sei daher ein mit der verfügten Maßnahme verbundener relevanter Eingriff in ihr Privatleben anzunehmen. Ihren persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe das große öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse habe die Beschwerdeführerin durch ihren (zumindest) mehrmonatigen unrechtmäßigen inländischen Aufenthalt erheblich beeinträchtigt.

Es könnten zwar ein oft durchaus nicht leichtes Leben in einem fremden Land und die dort wegen der fehlenden Verwandtschaft und Sprachkenntnisse zuweilen eintretende Isolation - verstärkt durch die gefühlsmäßig belastende Tatsache der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes - grundsätzlich zu Depressionen und Zukunftsängsten führen, welche einer psychiatrischen Behandlung bedürften. Wie aus der umfangreichen Begründung des ersten abweisenden Asylbescheides und den Stellungnahmen vom 1. März 2005 und 9. August 2005 zu ersehen sei, seien diese Krankheitssymptome (bei der Beschwerdeführerin) jedoch seinerzeit nicht vorgelegen und jedenfalls mit keinem Wort behauptet worden. Es sei daher äußerst unglaubwürdig, wenn erst jetzt (im Berufungsverfahren) und gleichsam rückwirkend behauptet werde, dass sie durch die Ereignisse im Herkunftsland traumatisiert worden sei. Sollte es jedoch dennoch so sein, so sei sie jeden Nachweis schuldig geblieben, dass die deswegen allenfalls gebotene Heilbehandlung nur in Österreich möglich wäre. Da somit weder besonders berücksichtigungswerte Umstände hätten erkannt werden können noch behauptet worden seien, die eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin zulassen würden, habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Annahme der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin (seit 23. September 2003) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, bringt die Beschwerde (lediglich) vor, dass dies "nicht der Fall ist, da von einem illegalen Aufenthalt für den Zeitraum der Verfahrensdauer wohl kaum gesprochen werden kann". Im Übrigen bestreitet die Beschwerde jedoch nicht, dass - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - der Beschwerdeführerin auf Grund ihres zweiten Asylantrages keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (1997 - AsylG) zuerkannt worden sei, und behauptet auch nicht, dass ihr ein Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei.

Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzung nach § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG und bringt vor, dass die Beschwerdeführerin in Österreich zwischenzeitig bereits voll integriert sei und hier auch die Schule besuche, was als klarer Hinweis auf ihre guten Deutschkenntnisse zu werten sei. Im Übrigen habe sie glaubhaft dargetan, unter Depressionen und Zukunftängsten zu leiden, wobei die Feststellungen der belangten Behörde "kaum" ausreichten, um die angenommene Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben zu rechtfertigen, zumal keine Überprüfung ihres tatsächlichen psychischen Zustandes durchgeführt worden sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, zur Objektivierung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin einen entsprechenden medizinischen bzw. psychiatrischen Sachverständigen beizuziehen. Wenn die belangte Behörde meine, die Beschwerdeführerin wäre den Nachweis schuldig geblieben, dass die wegen ihrer Krankheitssymptome gebotene Heilbehandlung nur in Österreich möglich wäre, so wäre auch diese Tatsache unter Beiziehung entsprechender Sachverständiger bzw. unter Beiziehung eines Sachverständigen der Länderkunde zu überprüfen gewesen und seien daher die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde mangelhaft geblieben. Die belangte Behörde hätte zusätzlich feststellen müssen, ob einerseits die Depressionen und Zukunftsängste der Beschwerdeführerin tatsächlich aus einer Traumatisierung in ihrem Heimatland resultierten und ob andererseits eine mögliche Behandlung nur in Österreich sichergestellt werden könne. Bei vollständiger Ermittlung der entscheidungswesentlichen Tatsachen hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass eine Ausweisung jedenfalls unzulässig sei, weil die Beschwerdeführerin eine adäquate medizinische Behandlung in Russland wegen des dortigen desolaten Zustandes des Gesundheitssystems nicht erhalten könne.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, von der Beschwerde insoweit unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der belangten Behörde ist die Beschwerdeführerin am 4. Mai 2003 illegal in Österreich eingereist und hält sich - nach rechtskräftiger Abweisung ihres nach ihrer Einreise gestellten (ersten) Asylantrages - unrechtmäßig hier auf. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) die Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin (von rund zweieinhalb Jahren) und den Umstand, dass sie seit kurzer Zeit ein kaufmännisches Kolleg besuche und sich bemühe, die deutsche Sprache zu erlernen, berücksichtigt. Das Gewicht ihrer aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass ihr inländischer Aufenthalt bis 23. September 2003 bloß - offenbar auf Grund ihres (ersten) Asylantrages, der sich in der Folge als unberechtigt erwiesen hat - vorläufig berechtigt und sodann unrechtmäßig war. Nach den weiteren, insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin in Österreich weder familiäre Bindungen, noch geht sie einer Berufstätigkeit nach.

In Bezug auf das von ihr im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen, dass sie an einer akuten Belastungssituation mit depressiver Symptomatik und Angstzuständen leide, sie daher einer fachärztlichen Behandlung bedürfe und ihr diese in ihrem Herkunftsland nicht zuteil werden könnte, hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass - wie sich aus der umfangreichen Begründung des ersten abweisenden Asylbescheides und den Stellungnahmen vom 1. März 2005 und 9. August 2005 zu ersehen sei -

diese behaupteten Symptome "seinerzeit" (offensichtlich gemeint: während des ersten Asylverfahrens) noch nicht vorgelegen und jedenfalls von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden seien, weshalb ihr eine Traumatisierung in ihrem Heimatland nicht geglaubt werde. Im Übrigen habe sie keinen Nachweis dafür erbracht, dass eine Heilbehandlung nur in Österreich möglich wäre.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass von der Beschwerdeführerin nicht bereits im (ersten) Asylverfahren eine Traumatisierung behauptet worden sei und dass sie keinen Nachweis dafür, dass eine Heilbehandlung nur in Österreich möglich wäre, erbracht habe. Wenn sie rügt, dass die belangte Behörde von Amts wegen zu dieser Frage ein medizinisches bzw. länderkundliches Gutachten hätte einholen müssen, übersieht sie, dass es dem Fremden obliegt, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher konkreten Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese in keinem anderen Land außer Österreich erfolgen könne. Dass im vorliegenden Fall eine allenfalls notwendige Heilbehandlung in keinem anderen Land außer Österreich möglich sei, wird jedoch (auch) in der Beschwerde nicht substanziiert dargelegt und ist nicht ersichtlich. Schon deshalb ist die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge nicht zielführend.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich zwar ein beachtliches, aber doch kein großes Gewicht zu.

Diesen persönlichen Interessen steht gegenüber, dass sich die Beschwerdeführerin, die bereits illegal nach Österreich eingereist ist, jedenfalls seit 23. September 2003 unberechtigt im Bundesgebiet aufhält. Dies stellt eine große Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, dar.

Bei gehöriger Abwägung der dargestellten Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und demnach im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig beurteilt werden.

3. Im Übrigen sind weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde sonstige besondere Umstände ersichtlich, auf Grund deren die belangte Behörde veranlasst gewesen wäre, von ihrem gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2007

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180107.X00

Im RIS seit

08.08.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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