Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner H. W*****, vertreten durch Dr. Gernot Pettauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Erich N*****, vertreten durch Dr. Michael Rami, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.180,19 EUR, Unterlassung und Widerrufs ehrverletzender Äußerungen, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2002, GZ 11 R 189/02y-22, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Juli 2002, GZ 8 Cg 34/99z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien standen zueinander in Geschäftsbeziehung. Der Kläger hat ein Geschäftslokal in Wien. Der Beklagte schickte dem Kläger an die Firmenadresse am 8. 4. 1999 einen Brief mit folgendem Text:
"An Fa. W*****.
Sehr geehrter Herr W*****!
Mich interessiert es nicht, ob Kunden, Interessierte oder Partner aidskrank, immunschwach oder anders sich krank fühlen oder sind. Sie haben ihre mehrmaligen Zusagen nicht eingehalten, auch nicht über versuchte Vermittlung - durch Ihren Sohn u.a. und auch über Ihre Ehefrau, man distanziert sich von Ihnen. Ich tue es auch. Ihre privaten und kränklichen Probleme sind hier unwesentlich. Ihre Unaufrichtigkeit und Überheblichkeit ... (unleserlich). Sie sind ein vielleicht unbewusst bekennendes Arschloch. Noch heute habe ich für Sie/uns ein Zimmer reserviert. Herr W. jun. hat mir abends mitgeteilt, dass Sie sich an einer Messeteilnahme noch nicht entschließen können - obwohl schon vor 2 Wochen fixiert. Wie kann man so ausdauernd unkorrekt sein? - indem man es ist. In richtiger Einschätzung Ihrer Person habe ich mich abgesichert. Vielleicht können Sie noch irgendwo Eindruck machen, in Ungarn, Tschechien, Slowenien, hier nicht - nur ein leerer Sack auf frisch imprägniert - für mich sind sie ein ungewöhnliches Arschloch - mit 2 AA. Dementsprechend grüßt sie E. N."
Das Geschäft des Klägers war in der Zeit vom 3. bis 12. 4. 1999 geschlossen. Das Schreiben des Beklagten und ein weiteres Schreiben vom 11. 4. 1999 wurde am 12. 4. 1999 von einer Angestellten des Klägers entgegengenommen und gelesen. Auch die Gattin des Klägers las den Brief.
Am 12. 4. 1999 wurde auf dem Auslagenfenster des Geschäftslokals des Klägers ein Aushang befestigt, den der Beklagte verfasst hatte. Das Blatt hatte folgenden Text:
"Werte Kunden
Aus gesundheitlichen Gründen (langwierige Behandlung einer derzeit noch nicht heilbaren Krankheit) wird auch dieses Lokal voraussichtlich geschlossen.Um Verständnis dafür bittet Ihr Werner W*****".
Auf dem Aushangblatt befand sich eine Zeichnung mit der Darstellung eines in einem Krankenbett liegenden Mannes und einer daneben stehenden Krankenschwester. Im linken oberen Eck der Zeichnung stand das Wort "Aids".
Der Beklagte wurde wegen dieses Aushanges über Privatanklage des Klägers rechtskräftig des Vergehens der Kreditschädigung nach § 152 Abs 2 StGB für schuldig erkannt.Der Beklagte wurde wegen dieses Aushanges über Privatanklage des Klägers rechtskräftig des Vergehens der Kreditschädigung nach Paragraph 152, Absatz 2, StGB für schuldig erkannt.
Mit seiner am 26. 4. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger Schadenersatz von 30.000 S (= 2.180,19 EUR) wegen eines durch den Aushang des Beklagten verursachten Verdienstentganges, die Unterlassung der Beleidigungen (Behauptungen), wonach der Kläger an einer derzeit noch nicht heilbaren Krankheit, und zwar an "Aids" leide, und daher sein Lokal voraussichtlich schließe, wonach er ein vielleicht unbewusst-bekennendes Arschloch sei, nur ein leerer Sack, auf frisch imprägniert und ein ungewöhnliches Arschloch mit zwei AA, die Unterlassung der Verbreitung des Textes (des Aushanges), wonach das Geschäftslokal des Klägers aus gesundheitlichen Gründen, und zwar wegen der langwierigen Behandlung einer derzeit noch nicht heilbaren Krankheit des Klägers voraussichtlich geschlossen sei und der zeichnerischen Darstellung eines Patienten, über dessen Kopf das Wort "Aids" steht, den Widerruf der im Brief aufgestellten Behauptungen gegenüber der Angestellten und der Gattin des Klägers sowie den öffentlichen Widerruf des Aushangstextes in einem Bezirksjournal und im Mitgliederblatt der Handelskammer Wien. Durch die unwahren, beleidigenden Äußerungen sei das Fortkommen des Klägers in der Zeit von April bis November 1999 geschädigt worden; er habe gravierende Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Der Aushang stamme nicht von ihm, wohl aber das Schreiben vom 8. 4. 1999. Er habe angenommen, dass im Unternehmen des Klägers Betriebsurlaub geherrscht habe. Der Beklagte habe nicht gewollt, dass andere Personen das Schreiben lesen.
In der Tagsatzung vom 25. 4. 2002 erklärte der Beklagte hinsichtlich des auf die Unterlassung der im Brief aufgestellten Behauptungen gerichteten Klagebegehrens, einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich abschließen zu wollen. Der Kläger verlangte eine Kostentragung des Beklagten, was dieser ablehnte. Das Erstgericht gab den Klagebegehren mit Ausnahme des Begehrens auf Widerruf gegenüber der Angestellten und der Gattin des Klägers statt. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es folgenden, für das Schadenersatzbegehren wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Kläger sei über den Aushang des Beklagten von verschiedenen Leuten angesprochen worden. Ab Mitte April 1999 habe der Kläger, der einen Handel mit Seidenblumen und Gestecken betreibe, einen signifikanten Umsatzrückgang erlitten. Im Februar 1999 habe der Umsatz noch 591.000 S betragen, im März 410.000 S, im April 328.000 S, im Mai nur mehr 71.000 S, im Juni 1.394 S, im Juli 0 S, im August 17.000 S, im September 47.000 S, im Oktober 6.800 S und im November 24.000 S. Im Dezember 1999 habe der Umsatz dann wieder 307.000 S betragen. Der Kläger habe in der Zeit von April bis November 1999 einen entgangenen Gewinn von zumindest 30.000 S erlitten. Dieser Schaden sei darauf zurückzuführen, dass der Aushang des Beklagten Kunden vom Betreten des Geschäfts abgehalten habe.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Aushang des Beklagten geeignet gewesen sei, den Kredit des Klägers bei seinen Kunden zu schädigen. Der Gewinnentgang sei gemäß § 273 ZPO nach den festgestellten Umsatzrückgängen einzuschätzen gewesen. Die Unwahrheit des Aushangtextes ergebe sich schon daraus, dass er so gestaltet gewesen sei, als ob ihn der Kläger selbst verfasst hätte. Das Schreiben vom 8. 4. 1999 habe beleidigenden Inhalt. Der Unterlassungsanspruch sei berechtigt, der Widerrufsanspruch aber nicht, weil ein Widerruf bei beleidigenden Äußerungen nicht in Betracht komme.In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Aushang des Beklagten geeignet gewesen sei, den Kredit des Klägers bei seinen Kunden zu schädigen. Der Gewinnentgang sei gemäß Paragraph 273, ZPO nach den festgestellten Umsatzrückgängen einzuschätzen gewesen. Die Unwahrheit des Aushangtextes ergebe sich schon daraus, dass er so gestaltet gewesen sei, als ob ihn der Kläger selbst verfasst hätte. Das Schreiben vom 8. 4. 1999 habe beleidigenden Inhalt. Der Unterlassungsanspruch sei berechtigt, der Widerrufsanspruch aber nicht, weil ein Widerruf bei beleidigenden Äußerungen nicht in Betracht komme.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, insbesondere diejenigen über den Umsatzrückgang und die Kausalität des Aushanges des Beklagten für den eingetretenen Verdienstentgang. Das Berufungsgericht verneinte den gerügten Verfahrensmangel hinsichtlich der Anwendung des § 273 ZPO. Bei Berücksichtigung eines Umsatzrückganges von fast 2,5 Mio S sei die vom Erstgericht vorgenommene Schadensausmittlung nach § 273 ZPO nicht zu kritisieren. Insoweit sich der Beklagte auf das vom Kläger abgelehnte Anbot eines Unterlassungsvergleiches berufe, sei dem Berufungswerber entgegenzuhalten, dass Wiederholungsgefahr trotz Vergleichsanbots dann noch zu bejahen sei, wenn der Beklagte sein Vergleichsangebot nur auf einen Teil der Klagebegehren beschränke (SZ 66/163). Wenn der Kläger auch Urteilsveröffentlichung begehre, so beseitige das Vergleichsanbot die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dann, wenn dem Kläger zugleich auch die Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten des Beklagten in angemessenem Umfang angeboten werde (4 Ob 2/96). Hier habe der angebotene Vergleich nicht einmal eine Kostenregelung enthalten noch sich in irgendeiner Form auf das Widerrufs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren bezogen. Die Wiederholungsgefahr sei damit nicht beseitigt worden. Bei der Kreditschädigung gemäß § 1330 Abs 2 ABGB treffe den Kläger die Beweislast. Hier seien beide bekämpften Äußerungen unter den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB zu subsumieren, die Äußerungen des Beklagten seien aber auch beleidigend nach Abs 1 leg cit. Die Äußerung, der Kläger habe Aids, sei aus gesellschaftspolitischer Sicht durchaus diskriminierend. Auch die Verbreitung wahrer Tatsachen könne rechtswidrig sein, wie beispielsweise der Vorwurf der Homosexualität. Diese Wertung treffe auch auf den Vorwurf zu, der Kläger habe Aids. Mit der Krankheit werde immer noch das homosexuelle Milieu bzw das Drogenmilieu in Verbindung gebracht. Wenn eine Rufschädigung auch ehrenbeleidigend ist, treffe den Beklagten die Beweislast über die Wahrheit der Tatsachen. Die vom Erstgericht nicht getroffene Feststellung, ob der Kläger tatsächlich an Aids leide, gehe daher zu Lasten des Beklagten.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, insbesondere diejenigen über den Umsatzrückgang und die Kausalität des Aushanges des Beklagten für den eingetretenen Verdienstentgang. Das Berufungsgericht verneinte den gerügten Verfahrensmangel hinsichtlich der Anwendung des Paragraph 273, ZPO. Bei Berücksichtigung eines Umsatzrückganges von fast 2,5 Mio S sei die vom Erstgericht vorgenommene Schadensausmittlung nach Paragraph 273, ZPO nicht zu kritisieren. Insoweit sich der Beklagte auf das vom Kläger abgelehnte Anbot eines Unterlassungsvergleiches berufe, sei dem Berufungswerber entgegenzuhalten, dass Wiederholungsgefahr trotz Vergleichsanbots dann noch zu bejahen sei, wenn der Beklagte sein Vergleichsangebot nur auf einen Teil der Klagebegehren beschränke (SZ 66/163). Wenn der Kläger auch Urteilsveröffentlichung begehre, so beseitige das Vergleichsanbot die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dann, wenn dem Kläger zugleich auch die Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten des Beklagten in angemessenem Umfang angeboten werde (4 Ob 2/96). Hier habe der angebotene Vergleich nicht einmal eine Kostenregelung enthalten noch sich in irgendeiner Form auf das Widerrufs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren bezogen. Die Wiederholungsgefahr sei damit nicht beseitigt worden. Bei der Kreditschädigung gemäß Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB treffe den Kläger die Beweislast. Hier seien beide bekämpften Äußerungen unter den Tatbestand des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB zu subsumieren, die Äußerungen des Beklagten seien aber auch beleidigend nach Absatz eins, leg cit. Die Äußerung, der Kläger habe Aids, sei aus gesellschaftspolitischer Sicht durchaus diskriminierend. Auch die Verbreitung wahrer Tatsachen könne rechtswidrig sein, wie beispielsweise der Vorwurf der Homosexualität. Diese Wertung treffe auch auf den Vorwurf zu, der Kläger habe Aids. Mit der Krankheit werde immer noch das homosexuelle Milieu bzw das Drogenmilieu in Verbindung gebracht. Wenn eine Rufschädigung auch ehrenbeleidigend ist, treffe den Beklagten die Beweislast über die Wahrheit der Tatsachen. Die vom Erstgericht nicht getroffene Feststellung, ob der Kläger tatsächlich an Aids leide, gehe daher zu Lasten des Beklagten.
Das Erstgericht habe dem Kläger nicht etwas anderes zugesprochen als begehrt. Es habe dem Urteilsspruch eine vom Begehren abweichende Fassung geben dürfen, weil sich das Begehren aus dem gesamten Klagevorbringen ergeben habe.
Der Anspruch auf öffentlichen Widerruf (bezüglich des Aushangtextes) sei berechtigt, weil der Widerruf in der gleich wirksamen Form wie die Tatsachenbehauptung erfolgen müsse. Die vom Kläger für den Widerruf ausgewählten Medien würden dem Verkehrskreis entsprechen, der mit der Behauptung des Beklagten erreicht worden sei. Eine Veröffentlichung in den Medien entspreche dem Gebot der Naturalrestitution.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch aber auf Antrag des Beklagten dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.
Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Beklagte steht im Wesentlichen auf dem Standpunkt, dass mit dem von ihm angebotenen, vom Kläger abgelehnten Unterlassungsvergleich betreffend die Äußerungen im Brief vom 8. 4. 1999 die Wiederholungsgefahr weggefallen sei und dass dies auch für das auf den Aushangtext gestützte zweite Unterlassungsbegehren gelte, weil die Äußerungen inhaltlich identisch seien und der Kläger mit dem angebotenen Unterlassungstitel bei künftigen Verstößen Exekution hätte führen können. Der Widerruf habe nicht in zwei Zeitungen, sondern in der gleichen Form wie die Äußerung, also in einem Aushang vor dem Geschäftslokal des Klägers, zu erfolgen. Der Vorwurf, an Aids erkrankt zu sein, sei keine die Personenwürde verletzende Behauptung, sodass den Kläger die Beweislast über die Unwahrheit der Behauptung treffe. Zu diesem Revisionsvorbringen ist Folgendes auszuführen:
I. Zur Abgrenzung ehrverletzender (§ 1330 Abs 1 ABGB) von bloß rufschädigenden Tatsachenbehauptungen (Abs 2 leg cit) und zur Beweislast:römisch eins. Zur Abgrenzung ehrverletzender (Paragraph 1330, Absatz eins, ABGB) von bloß rufschädigenden Tatsachenbehauptungen (Absatz 2, leg cit) und zur Beweislast:
Bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers an (RIS-Justiz RS0031883; RS0032489). Bei einer Vermengung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen ist das Überwiegen dafür entscheidend, ob die Gesamtäußerung noch als Werturteil oder ob sie als Tatsachenbehauptung anzusehen ist (RS0032280). Schon daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die im Brief des Beklagten enthaltenen Äußerungen jedenfalls auch ehrverletzenden Charakter haben, weil die überprüfbare Tatsachenbehauptung (über eine unheilbare Erkrankung an Aids) nicht von der unflätigen Beschimpfung (Arschloch) isoliert werden darf. Der Beklagte hat den Kläger zusammengefasst und verkürzt als "aidskrankes Arschloch" bezeichnet. Der Beschimpfungs- und Verspottungscharakter einer solchen Äußerung liegt auf der Hand. Darauf, ob ein wahrheitsgemäßer Vorhalt, der andere leide an Aids, beleidigend ist, käme es nur bei einer isolierenden Betrachtungsweise an. Im Übrigen ist aber auch der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht entgegenzutreten, wenn es auf gewichtige, für eine Verspottung sprechende Gründe hinwies, nämlich darauf, dass in der Gesellschaft die Krankheit Aids geradezu im Regelfall mit den häufigsten Ansteckungsursachen in Verbindung gebracht wird, also mit dem Sexualverkehr im homosexuellen Milieu und/oder Drogenmilieu oder mit häufigem Sexualverkehr mit wechselnden Partnern. Aus der Existenz der Krankheit wird somit auf deren Ursachen und damit aber auch auf den Charakter des Erkrankten geschlossen, nach einem weit verbreiteten Verständnis also auf eine verpönte Lebensweise. Hier macht aber schon der entscheidende Gesamtzusammenhang die bekämpfte Äußerung zu einer beleidigenden, sodass der Beklagte nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung die Wahrheit der ehrverletzenden Tatsachenbehauptung - dass der Kläger tatsächlich an Aids erkrankt ist - zu beweisen gehabt hätte (RS0031798).
II. Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr wegen des angebotenen, aber nicht angenommenen Teilvergleichs:römisch II. Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr wegen des angebotenen, aber nicht angenommenen Teilvergleichs:
Wohl beseitigt ein Angebot des Beklagten, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zur begehrten Unterlassung zu verpflichten, in der Regel die Vermutung künftiger Verstöße (RIS-Justiz RS0079899). Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte weitere Ansprüche des Klägers auf Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs nicht anerkennt (RS0102057; 6 Ob 221/00v). Bei der Beurteilung, ob durch das Anbot eines Unterlassungsvergleichs bloß hinsichtlich eines von mehreren gleichzeitig gestellten Unterlassungsbegehren bei gleichzeitiger Bestreitung der übrigen die Vermutung der Wiederholungsgefahr weggefallen ist, kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an (6 Ob 95/97g). Ein Vergleichsanbot ist grundsätzlich nur ein Indiz für eine Sinnesänderung des Störers, das jedenfalls widerlegt werden kann (4 Ob 374/81). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes spricht ein mangelndes Anbot zum Kostenersatz ebensowenig gegen einen Sinneswandel (4 Ob 85/89) wie ein fehlendes Vergleichsanbot zum Widerrufsanspruch.
Hier spricht aber die vom Revisionswerber selbst ins Treffen geführte weitgehende inhaltliche Identität der beiden bekämpften Äußerungen gegen eine ernstliche Absicht des Beklagten, künftige Eingriffe in die Ehre des Klägers zu unterlassen, wenn er zur zweiten Äußerung (im Aushang) keinen Vergleich anbot. Ein Teilvergleichsanbot kann zwar bei mehreren Ansprüchen für den vom Vergleichsanbot betroffenen Teil die Wiederholungsgefahr beseitigen, nicht aber bei einer Zerlegung der einheitlichen Äußerung in die einzelnen Bestandteile, um solcherart einen Teil der Äußerung gegenüber Ansprüchen nach § 1330 ABGB anfechtungsfest zu gestalten (6 Ob 97/01k). Dieser Grundsatz muss auch bei zeitlich auseinanderfallenden, inhaltlich aber in engem Zusammenhang stehenden rufschädigenden Tatsachenbehauptungen gelten, weil für deren Beurteilung nach dem schon angeführten Grundsatz des Gesamtzusammenhanges der nach einer Gesamtschau aller Äußerungen vermittelte Eindruck für den Bedeutungsinhalt maßgeblich ist (6 Ob 249/01p unter Hinweis auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), sodass aus dem Anbot des Unterlassungsvergleichs nur hinsichtlich einer der beiden Äußerungen wegen ihres inhaltlichen Konnexes noch nicht auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr geschlossen werden kann.Hier spricht aber die vom Revisionswerber selbst ins Treffen geführte weitgehende inhaltliche Identität der beiden bekämpften Äußerungen gegen eine ernstliche Absicht des Beklagten, künftige Eingriffe in die Ehre des Klägers zu unterlassen, wenn er zur zweiten Äußerung (im Aushang) keinen Vergleich anbot. Ein Teilvergleichsanbot kann zwar bei mehreren Ansprüchen für den vom Vergleichsanbot betroffenen Teil die Wiederholungsgefahr beseitigen, nicht aber bei einer Zerlegung der einheitlichen Äußerung in die einzelnen Bestandteile, um solcherart einen Teil der Äußerung gegenüber Ansprüchen nach Paragraph 1330, ABGB anfechtungsfest zu gestalten (6 Ob 97/01k). Dieser Grundsatz muss auch bei zeitlich auseinanderfallenden, inhaltlich aber in engem Zusammenhang stehenden rufschädigenden Tatsachenbehauptungen gelten, weil für deren Beurteilung nach dem schon angeführten Grundsatz des Gesamtzusammenhanges der nach einer Gesamtschau aller Äußerungen vermittelte Eindruck für den Bedeutungsinhalt maßgeblich ist (6 Ob 249/01p unter Hinweis auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), sodass aus dem Anbot des Unterlassungsvergleichs nur hinsichtlich einer der beiden Äußerungen wegen ihres inhaltlichen Konnexes noch nicht auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr geschlossen werden kann.
III. Zu prüfen ist nun die vom Revisionswerber behauptete inhaltliche Identität der Äußerungen:römisch III. Zu prüfen ist nun die vom Revisionswerber behauptete inhaltliche Identität der Äußerungen:
Damit wird im Ergebnis die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses an der Schaffung eines Doppeltitels angesprochen. Der Kläger begehrt die Unterlassung von zumindest ähnlichen, zeitlich aber auseinanderfallenden Äußerungen des Beklagten. Wenn ein Unterlassungsanspruch bereits streitanhängig ist und der Beklagte seinen Gesetzesverstoß wiederholt, so vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit ungeachtet des gleichlautenden Urteilsantrages nicht besteht, der Kläger also eine zweite Klage einbringen kann (RIS-Justiz RS0039179). Dem entspricht die Auffassung, dass selbst bei Vorliegen eines Exekutionstitels eine mit einem weiteren Gesetzesverstoß begründete Klage nicht wegen der Rechtskraft der Vorentscheidung zurückzuweisen, sondern mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen ist (RS0037297). Identische Äußerungen und Urteilsbegehren liegen hier aber entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht vor. Der Text ist zwar hinsichtlich der Tatsachenbehauptung über die Erkrankung des Klägers weitgehend identisch, wird aber im Fall der Behauptung im Brief um die angeführten Beschimpfungen ergänzt, die bei der zweiten Äußerung fehlen, während dort das Unterlassungsbegehren auch die bildliche Darstellung eines Patienten umfasst, der Anspruch also auf die Unterlassung einer Zeichnung mit ehrverletzendem Begleittext gerichtet ist. Schon diese Unterschiede begründen ein Rechtsschutzinteresse an der Schaffung zweier Exekutionstitel, zumal der Kläger bei der Fassung seiner Unterlassungsbegehren sich an der konkreten Formulierung der beiden Äußerungen orientierte. Er war zwar berechtigt, aber keineswegs gezwungen, eine allgemeine Fassung des Unterlassungstitels zu wählen und neben der Unterlassung der konkreten Behauptung auch das Verbot ähnlicher Äußerungen zu begehren, um es dem Störer damit nicht zu ermöglichen, durch geringfügige Änderungen in der Formulierung den Exekutionstitel zu unterlaufen (RS0037607; 6 Ob 98/01g). Wenn der Kläger - wie hier - nur die konkreten, inhaltlich nicht völlig gleichen Äußerungen zum Gegenstand seines Urteilsantrags macht, kann ihm ein Rechtsschutzinteresse an der Erlassung beider Unterlassungsgebote nicht abgesprochen werden. Dies ergibt sich hier schon daraus, dass der maßgebliche Gesamtzusammenhang jeweils ein verschiedener ist und das Verbot einer bildlichen Darstellung mit Begleittext über diesen hinausgeht, von einem nur diesen Text erfassenden Unterlassungstitel also genausowenig erfasst wäre, wie dies bei einem Begehren auf Unterlassung einer Bildveröffentlichung samt Begleittext der Fall wäre. Der Ansicht des Revisionswerbers steht das Verbot einer isolierenden (zerlegenden) Betrachtungsweise entgegen.
IV. Zum Widerrufsanspruch:römisch IV. Zum Widerrufsanspruch:
Der Beklagte bekämpft die verfügte Veröffentlichung des Widerrufs in zwei Medien. Wohl hat der Widerruf nach ständiger Rechtsprechung in der gleich wirksamen Form wie die Verbreitung der Äußerung zu erfolgen (RIS-Justiz RS0004655). Die vom Beklagten angestrebte Veröffentlichung des Widerrufs in Form eines Aushanges vor dem Geschäft des Klägers wäre jedoch nicht gleich wirksam, weil nicht angenommen werden kann, dass damit die Personen erreicht werden können, die vom rufschädigenden Aushang des Beklagten Kenntnis erlangten und deshalb auch schon die Geschäftsbeziehung zum Kläger beendet bzw gar nicht aufgenommen haben.
V. Dem Revisionsvorbringen zum Schadenersatz sind die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes entgegenzuhalten (§ 510 Abs 3 ZPO). Ein vom Berufungsgericht behandelter, aber verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann nicht zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht werden. Dies gilt auch für die Frage der Anwendbarkeit des § 273 ZPO (RS0040282).römisch fünf. Dem Revisionsvorbringen zum Schadenersatz sind die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes entgegenzuhalten (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Ein vom Berufungsgericht behandelter, aber verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann nicht zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht werden. Dies gilt auch für die Frage der Anwendbarkeit des Paragraph 273, ZPO (RS0040282).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E71845 6Ob244.03fEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00244.03F.1127.000Dokumentnummer
JJT_20031127_OGH0002_0060OB00244_03F0000_000