TE OGH 2003/12/5 13R303/03m

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Veröffentlicht am 05.12.2003
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Kopf

Das Landesgericht Eisenstadt als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Claudia Gradwohl-Klein (Vorsitzende), Mag. Manfred Zechmeister und Dr. Jürgen Rassi in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A***** H*****, Kaufmann, 9020 Klagenfurt, A*****, vertreten durch Mag. Michael Wild, Rechtsanwalt in 7033 Pöttsching, als Verfahrenshelfer gegen die beklagte Partei G***** O*****, 7022 Schattendorf, A*****, vertreten durch die Dax-Klepeisz & Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing wegen EUR 2.732,21 s. A. über den Rekurs der beklagten Partei, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Mattersburg von 20.10.2003, GZ 2 C 75/00 f-38, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 15.07.2003 wurde der Beklagte verpflichtet, dem Kläger EUR 2.732,21 s.A. zu bezahlen (ON 36). Dieses Urteil wurde dem Vertreter des Beklagten am 18.07.2003 zugestellt. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde von der beklagten Partei (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) am 06.10.2003 zur Post gegeben. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gestellt und dazu vorgebracht, dass "aus nicht nachvollziehbaren Gründen" der 23.09.2003 im Fristenbuch als Ende der Berufungsfrist statt richtig 22.09.2003 vermerkt wurde. Wie dieser Fehler passieren konnte, sei dem Rechtsvertreter bis zum heutigen Tag nicht erklärlich. Der zuständige Rechtsvertreter in dieser Angelegenheit - Mag. P***** - habe zunächst den von der Kanzleimitarbeiterin unter Außerachtlassung des Fristenlaufs während der verhandlungsfreien Zeit zunächst vorgemerkten Termin, nämlich den 18.08.2003, aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf den 23.09.2003 als letzten Tag der Frist, statt richtigerweise auf den 22.09.2003 im Fristenbuch verbessert. Es sei anzunehmen, dass dies ein einmaliges Ereignis war und lediglich auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen sei, nachdem die Frist zur Erhebung der Berufung vom Rechtsvertreter zunächst selbst korrigiert worden sei und dieser ansonsten stets zuverlässig, gewissenhaft und ohne Fehler die Überprüfung der im Fristenbuch eingetragenen Fristen überwache.

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung vom Erstgericht abgewiesen. Es stellte im Wesentlichen fest, dass dem Rechtsanwalt Mag. H***** bei der Berechnung der Berufungsfrist ein Fehler unterlaufen ist, welcher dazu führte, dass dieser an der rechtzeitigen Einbringung der Berufungsschrift verhindert war. Dieser Fehler unterlief dem sonst sorgfältig arbeitenden Rechtsvertreter des Beklagten, weil zum Zeitpunkt der Fristberechnung in der Kanzlei des Beklagten Hektik herrschte und der Anwalt aufgrund privater Schwierigkeiten unkonzentriert war. Ein derartiges Fehlverhalten hat er in seiner bisherigen fünfjährigen Berufstätigkeit noch nie gesetzt.

Rechtlich würdigte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass hier grobe Fahrlässigkeit vorliege, weil ein derartiger Fehler einem Anwalt nicht passieren dürfe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur dann zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 146 Abs. 1 ZPO). Juristische Kunstfehler (Irrtum oder Unkenntnis) eines Rechtskundigen sind grundsätzlich auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen (Frauenberger, ÖJZ 1992,118; OLG Wien 6 R 266/89) zumindest wenn es sich - wie im gegenständlichen Fall - um einen berufsmäßigen Parteienvertreter handelt (13 R 87/03 x). Dies gilt insbesondere bei Fristberechnung, bei der Fristvormerkung, bei der Evidenzhaltung von Fristen und auch bei der Beurteilung der Frage, ob die kürzere oder die längere Frist anzuwenden ist (Gitschthaler in Rechberger, ZPO² RZ 14 zu § 146 mwN). Entgegen dem Rekursvorbringen kann dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Vertreter der beklagten Partei die Frist richtig berechnet, jedoch "nur" falsch eingetragen hat.Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur dann zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (Paragraph 146, Absatz eins, ZPO). Juristische Kunstfehler (Irrtum oder Unkenntnis) eines Rechtskundigen sind grundsätzlich auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen (Frauenberger, ÖJZ 1992,118; OLG Wien 6 R 266/89) zumindest wenn es sich - wie im gegenständlichen Fall - um einen berufsmäßigen Parteienvertreter handelt (13 R 87/03 x). Dies gilt insbesondere bei Fristberechnung, bei der Fristvormerkung, bei der Evidenzhaltung von Fristen und auch bei der Beurteilung der Frage, ob die kürzere oder die längere Frist anzuwenden ist (Gitschthaler in Rechberger, ZPO² RZ 14 zu Paragraph 146, mwN). Entgegen dem Rekursvorbringen kann dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Vertreter der beklagten Partei die Frist richtig berechnet, jedoch "nur" falsch eingetragen hat.

Bei der Beurteilung der Frage ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorliegt, kann es jedoch ohnedies nicht darauf ankommen, ob ein Rechtsanwalt sich bei der Fristberechnung geirrt oder bei der Eintragung ins Vormerkbuch einen Fehler gemacht hat. Bei rechtskundigen Personen - insbesondere Parteienvertreter - ist nämlich ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Rechtsanwälte sind am Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB zu messen (Deixler-Hübner in Fasching II/2² RZ 55 zu § 146; RZ 1998/21; RZ 1991/60). So gewährt etwa der OGH keine Wiedereinsetzung, wenn ein Rechtsanwalt, der die Eintragungen im Fristenvormerkbuch durchsieht, die unrichtige Eintragung seiner Sekretärin nicht bemerkt (RZ 1998/21). Es kann nun keinen Unterschied machen, wenn der Rechtsvertreter die falsche Eintragung selbst vornimmt. Auch der Entscheidung 9 ObA 234/91 lag die irrtümliche Eintragung ins Fristenbuch durch den Parteienvertreter vor, der sich dabei um eine Seite verblättert hat. Auch hier hat der OGH ausgesprochen, dass eine leichte Fahrlässigkeit nicht vorliegt.Bei der Beurteilung der Frage ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorliegt, kann es jedoch ohnedies nicht darauf ankommen, ob ein Rechtsanwalt sich bei der Fristberechnung geirrt oder bei der Eintragung ins Vormerkbuch einen Fehler gemacht hat. Bei rechtskundigen Personen - insbesondere Parteienvertreter - ist nämlich ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Rechtsanwälte sind am Sorgfaltsmaßstabs des Paragraph 1299, ABGB zu messen (Deixler-Hübner in Fasching II/2² RZ 55 zu Paragraph 146 ;, RZ 1998/21; RZ 1991/60). So gewährt etwa der OGH keine Wiedereinsetzung, wenn ein Rechtsanwalt, der die Eintragungen im Fristenvormerkbuch durchsieht, die unrichtige Eintragung seiner Sekretärin nicht bemerkt (RZ 1998/21). Es kann nun keinen Unterschied machen, wenn der Rechtsvertreter die falsche Eintragung selbst vornimmt. Auch der Entscheidung 9 ObA 234/91 lag die irrtümliche Eintragung ins Fristenbuch durch den Parteienvertreter vor, der sich dabei um eine Seite verblättert hat. Auch hier hat der OGH ausgesprochen, dass eine leichte Fahrlässigkeit nicht vorliegt.

Wenn sich der Rekurswerber auf die in der Lehre vertretenen Rechtsmeinungen zur falschen Vormerkung bei richtiger Berechnung stützt, so ist ihm zu erwidern, dass sogar nach Frauenberger eine falsche Fristvormerkung durch den Anwalt nur prinzipiell einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann (Frauenberger, ÖJZ 1992, 117). Nach der von Frauenberger referierten Rechtsprechung des VfGH hat der VfGH die Wiedereinsetzung in einem derartigen Fall dann bewilligt, wenn weitere Umstände dazugetreten sind, sodass das bloße Versehen nicht genügte. So hat der VfGH in einem Fall die Wiedereinsetzung bewilligt, weil der einschreitende Anwalt in einem durch Herzinfarkt mit darauffolgendem Herzleiden und einer nächtlichen Besprechung hervorgerufenen Erschöpfungszustand den Endtermin einer Frist um einen Monat zu spät vormerkte (vgl. ZfVB 1985/2054 = VfSlg 10.382). Auch mit den vom Rekurswerber herangezogenen Entscheidungen des VfGH ist für diesen nichts gewonnen. So war in ZfVB 1988/1290 die Fehlleistung einer Kanzleikraft (und nicht eines Anwalts) zu beurteilen. In ZfVB 1990/1522 hat der VfGH den Wiedereinsetzungsantrag im Ergbenis als verspätet zurückgewiesen und sich lediglich in einem obiter dictum zur falschen Fristvormerkung geäußert.Wenn sich der Rekurswerber auf die in der Lehre vertretenen Rechtsmeinungen zur falschen Vormerkung bei richtiger Berechnung stützt, so ist ihm zu erwidern, dass sogar nach Frauenberger eine falsche Fristvormerkung durch den Anwalt nur prinzipiell einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann (Frauenberger, ÖJZ 1992, 117). Nach der von Frauenberger referierten Rechtsprechung des VfGH hat der VfGH die Wiedereinsetzung in einem derartigen Fall dann bewilligt, wenn weitere Umstände dazugetreten sind, sodass das bloße Versehen nicht genügte. So hat der VfGH in einem Fall die Wiedereinsetzung bewilligt, weil der einschreitende Anwalt in einem durch Herzinfarkt mit darauffolgendem Herzleiden und einer nächtlichen Besprechung hervorgerufenen Erschöpfungszustand den Endtermin einer Frist um einen Monat zu spät vormerkte vergleiche ZfVB 1985/2054 = VfSlg 10.382). Auch mit den vom Rekurswerber herangezogenen Entscheidungen des VfGH ist für diesen nichts gewonnen. So war in ZfVB 1988/1290 die Fehlleistung einer Kanzleikraft (und nicht eines Anwalts) zu beurteilen. In ZfVB 1990/1522 hat der VfGH den Wiedereinsetzungsantrag im Ergbenis als verspätet zurückgewiesen und sich lediglich in einem obiter dictum zur falschen Fristvormerkung geäußert.

Nach Ansicht des Rekursgerichtes kann es keinen Unterschied machen, ob der Rechtsanwalt eine Frist selbst falsch einträgt oder diese falsch berechnet oder ihm eine falsche Fristeneintragung seiner Mitarbeiter hätte auffallen müssen. Im Lichte des strengen Maßstabes von § 1299 ABGB erfüllt ein Fehler durch den Rechtsanwalt sowohl bei der Fristberechnung als auch bei Fristvormerkung den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit (vgl. etwa 13 R 87/03 x). Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass die beklagte Partei in ihrem der Entscheidung über den Antrag zugrunde zulegenden Vorbringen sich den Fehler ihres Rechtsvertreters bis zum heutigen Tag nicht erklären konnte, die Frist wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen falsch vermerkt. Damit hat die beklagte Partei gar keinen Sachverhalt behauptet, der es ermöglichen würde, das Fehlverhalten eindeutig als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Wenn der Beklagte selbst den Grund des Fehlverhaltens nicht erklären kann, vermag daraus nicht zwingend der Schluss abgeleitet werden, es handle sich jedenfalls um leichte Fahrlässigkeit. Das Erstgericht hat somit zutreffend den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes kann es keinen Unterschied machen, ob der Rechtsanwalt eine Frist selbst falsch einträgt oder diese falsch berechnet oder ihm eine falsche Fristeneintragung seiner Mitarbeiter hätte auffallen müssen. Im Lichte des strengen Maßstabes von Paragraph 1299, ABGB erfüllt ein Fehler durch den Rechtsanwalt sowohl bei der Fristberechnung als auch bei Fristvormerkung den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit vergleiche etwa 13 R 87/03 x). Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass die beklagte Partei in ihrem der Entscheidung über den Antrag zugrunde zulegenden Vorbringen sich den Fehler ihres Rechtsvertreters bis zum heutigen Tag nicht erklären konnte, die Frist wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen falsch vermerkt. Damit hat die beklagte Partei gar keinen Sachverhalt behauptet, der es ermöglichen würde, das Fehlverhalten eindeutig als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Wenn der Beklagte selbst den Grund des Fehlverhaltens nicht erklären kann, vermag daraus nicht zwingend der Schluss abgeleitet werden, es handle sich jedenfalls um leichte Fahrlässigkeit. Das Erstgericht hat somit zutreffend den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Eine Kostenentscheidung konnte mangels verzeichneter Rekurskosten entfallen.

Nach §§ 500 Abs. 2 Z 2, 526 Abs. 3, 528 Abs. 2 Z 1 und 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.Nach Paragraphen 500, Absatz 2, Ziffer 2,, 526 Absatz 3,, 528 Absatz 2, Ziffer eins und 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Landesgericht Eisenstadt

Anmerkung

EES00030 13R303.03m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00309:2003:01300R00303.03M.1205.000

Dokumentnummer

JJT_20031205_LG00309_01300R00303_03M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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