TE OGH 2003/12/11 12Os109/03

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.12.2003
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen DI Gernot M***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. Mai 2003, GZ 41 Hv 78/02k-117, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Wachberger, der Vertreterin des Finanzamtes Baden Dr. Mifek, des Verteidigers Dr. Schober und des Angeklagten zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen DI Gernot M***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach Paragraph 33, Absatz eins, FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. Mai 2003, GZ 41 Hv 78/02k-117, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Wachberger, der Vertreterin des Finanzamtes Baden Dr. Mifek, des Verteidigers Dr. Schober und des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Finanzstrafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Gernot M***** im zweiten Rechtsgang von der Anklage des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gegenstand des Freispruches war der Vorwurf, der Angeklagte habe im Bereich des Finanzamtes Baden vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe von Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1994 und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1993 eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben infolge Unkenntnis der Abgabebehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist festgesetzt wurden.Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Gernot M***** im zweiten Rechtsgang von der Anklage des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach Paragraph 33, Absatz eins, FinStrG gemäß Paragraph 259, Ziffer 3, StPO freigesprochen. Gegenstand des Freispruches war der Vorwurf, der Angeklagte habe im Bereich des Finanzamtes Baden vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe von Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1994 und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1993 eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben infolge Unkenntnis der Abgabebehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist festgesetzt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Finanzamt Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz aus den Gründen der Z 5 und 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu. Zutreffend releviert die Mängelrüge (Z 5) , dass das Erstgericht durch isoliertes Abstellen auf die vom Angeklagten zugestandenen kurzzeitigen Inlandsaufenthalte zum Zweck familiärer Kontaktpflege, von Pkw- und Grundstücksankäufen, von Verhandlungen mit Handwerkern und ähnlichem, den Genannten belastende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen und damit die Urteilsannahme, der Angeklagte habe im Deliktszeitraum 1986 bis 1994 über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften in Österreich verfügt, nur unvollständig begründet hat. Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person nach § 1 Abs 2 EStG ist deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. Nach der Legaldefinition des § 26 Abs 1 BAO hat jemand seinen Wohnsitz dort, "wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benützen wird". Unter dem „Innehaben einer Wohnung" ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit über die Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen (VwGH 14. November 1996, 94/16/0033). Der Annahme eines inländischen Wohnsitzes stehen weder Wohnsitze im Ausland noch längere Auslandsaufenthalte entgegen. Nicht maßgeblich ist, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen befindet (VwGH 16. September 1992, 90/13/0299). Nach § 26 Abs 2 BAO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.Der dagegen vom Finanzamt Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz aus den Gründen der Ziffer 5 und 9 (zu ergänzen: Litera a,) des Paragraph 281, Absatz eins, StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu. Zutreffend releviert die Mängelrüge (Ziffer 5,) , dass das Erstgericht durch isoliertes Abstellen auf die vom Angeklagten zugestandenen kurzzeitigen Inlandsaufenthalte zum Zweck familiärer Kontaktpflege, von Pkw- und Grundstücksankäufen, von Verhandlungen mit Handwerkern und ähnlichem, den Genannten belastende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen und damit die Urteilsannahme, der Angeklagte habe im Deliktszeitraum 1986 bis 1994 über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften in Österreich verfügt, nur unvollständig begründet hat. Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person nach Paragraph eins, Absatz 2, EStG ist deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. Nach der Legaldefinition des Paragraph 26, Absatz eins, BAO hat jemand seinen Wohnsitz dort, "wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benützen wird". Unter dem „Innehaben einer Wohnung" ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit über die Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen (VwGH 14. November 1996, 94/16/0033). Der Annahme eines inländischen Wohnsitzes stehen weder Wohnsitze im Ausland noch längere Auslandsaufenthalte entgegen. Nicht maßgeblich ist, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen befindet (VwGH 16. September 1992, 90/13/0299). Nach Paragraph 26, Absatz 2, BAO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.

Das Tatbestandsmerkmal "gewöhnlicher Aufenthalt" verlangt körperliche Anwesenheit. Weiters müssen die Umstände (Absicht hat dabei keine Bedeutung) dafür sprechen, dass Anwesenheiten nicht nur vorübergehend sein sollen, dass also eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort bestehen soll, wobei die Lebensverhältnisse, die geschäftliche Betätigung am Aufenthaltsort usw zu berücksichtigen sind. Ein mehr als sechs Monate dauernder Aufenthalt, der allerdings stets unbeschränkte Abgabepflicht zur Folge hat (§ 26 Abs 2 BAO), ist nicht erforderlich. Vielmehr kann gewöhnlicher Aufenthalt auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer vorliegen, sofern nur Umstände gegeben sind, die erkennen lassen, dass es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt. Überdies ist keineswegs ununterbrochene Anwesenheit erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (VwGH 31. März 1992. 87/14/0096).Das Tatbestandsmerkmal "gewöhnlicher Aufenthalt" verlangt körperliche Anwesenheit. Weiters müssen die Umstände (Absicht hat dabei keine Bedeutung) dafür sprechen, dass Anwesenheiten nicht nur vorübergehend sein sollen, dass also eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort bestehen soll, wobei die Lebensverhältnisse, die geschäftliche Betätigung am Aufenthaltsort usw zu berücksichtigen sind. Ein mehr als sechs Monate dauernder Aufenthalt, der allerdings stets unbeschränkte Abgabepflicht zur Folge hat (Paragraph 26, Absatz 2, BAO), ist nicht erforderlich. Vielmehr kann gewöhnlicher Aufenthalt auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer vorliegen, sofern nur Umstände gegeben sind, die erkennen lassen, dass es sich nicht nur um ein bloß vorübergehendes Verweilen handelt. Überdies ist keineswegs ununterbrochene Anwesenheit erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (VwGH 31. März 1992. 87/14/0096).

Den entscheidungswesentlichen Umstand der Innehabung mehrerer, in der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsgewalt des Angeklagten stehender Wohnungen im Inland überging das Erstgericht mit Stillschweigen. Nach den vom Angeklagten insoweit nicht bestrittenen Ergebnissen des finanzbehördlichen Ermittlungsverfahrens verfügte der Angeklagte im Zeitraum 1984 bis zumindest April 1988 über eine in *****, angemietete Wohnung, an deren Anschrift er mehrmals polizeilich gemeldet war. Im Zeitraum 1986 bis 1987 errichtete er in *****, eine in seinem Eigentum stehende Villa, welche im Herbst 1987 von seinem Sohn und seiner späteren Ehefrau Andrea M***** bezogen wurde. Dem Angeklagten stand ein weiteres 1991 - 1992 in ***** gebautes Haus als Eigentümer zur Verfügung (S 293 bis 297/III). Des weiteren ließ das Erstgericht die gleichfalls für die Frage des Bestehens eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes des Angeklagten bedeutsamen Aussagen der Zeugen Johann L***** (S 387 ff/II), Dkfm Winfried K***** (S 40l ff/II) und Jakob K***** (S 27 ff/II) unberücksichtigt, wonach die Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten regelmäßig unter einer Badener Telefonnummer stattgefunden habe. Der Zeuge Kremser deponierte darüber hinaus, Fakturen und Auftragsbestätigungen zwar mit der Anschrift der Firma P***** T***** in Vaduz versehen, sie aber auf Wunsch des Angeklagten jeweils nach ***** gesandt zu haben.

Ebenso übergangen wurden die finanzbehördlichen Erhebungsergebnisse betreffend den regen Telefaxverkehr unter den dem Angeklagten zuzuordnenden Anschlüssen in Baden.

Die Tatrichter haben demnach - ohne dem Mindeststandard gerichtlicher Begründungspflicht zu entsprechen - den Angeklagten belastende wesentliche Verfahrensergebnisse vernachlässigt, die bei der gegebenen Sachlage jedoch von Einfluss auf die Lösung der Beweisfrage sein können. Die dadurch bewirkte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen (im Rahmen der Rechtsrüge [Z 9 lit a) wird zudem nicht an den Urteilskonstatierungen festgehalten) war daher entbehrlich.Die Tatrichter haben demnach - ohne dem Mindeststandard gerichtlicher Begründungspflicht zu entsprechen - den Angeklagten belastende wesentliche Verfahrensergebnisse vernachlässigt, die bei der gegebenen Sachlage jedoch von Einfluss auf die Lösung der Beweisfrage sein können. Die dadurch bewirkte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn der Ziffer 5, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich. Ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeausführungen (im Rahmen der Rechtsrüge [Z 9 Litera a,) wird zudem nicht an den Urteilskonstatierungen festgehalten) war daher entbehrlich.

Anmerkung

E7163612Os109.03

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inÖJZ-LSK 2004/71 = Jus-Extra OGH-St 3533 = Jus-Extra OGH-St 3534 =EvBl 2004/97 S 434 - EvBl 2004,434 = SSt 2003/94XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0120OS00109.03.1211.000

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten