Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Philipp H*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, wegen 501.909,88 EUR sA und Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Juli 2003, GZ 6 R 99/03f-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Es trifft zu, dass sich der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung knüpft (2 Ob 118/03x mwN; MietSlg 51.205). Die Frage, wann diese objektive Möglichkeit gegeben ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Der Kläger bzw seine ihn vertretenden Eltern haben das Verfahren vor der Schlichtungsstelle eingeleitet, sie waren aber keinesfalls dazu verpflichtet, dieses Verfahren bis zu einer Entscheidung gedeihen zu lassen. Es lag an ihnen, nach Erhalt des für ihren Standpunkt günstigen Gutachtens vom 26. 8. 1998, das anlässlich der Sitzung der Schlichtungsstelle am 21. 10. 1998 vorgetragen wurde (S 5 des Berufungsurteils), das Schiedsverfahren zu beenden und bereits die Klage einzubringen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass es an der objektiven Möglichkeit zur Klagsführung gemangelt habe.
2. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann. Das bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und - bei verschuldensabhängiger Haftung - auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen. Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis dieser Umstände Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat. Kommt demnach jemand durch einen ärztlichen Kunstfehler zu Schaden, so beginnt die Verjährungsfrist nicht, solange die Unkenntnis, dass es sich um einen Kunstfehler handelt, andauert (10 Ob 1/03z mwN; 9 Ob 278/00y; SZ 74/14; 6 Ob 273/98k; 1 Ob 165/97i; 4 Ob 325/97s; SZ 61/273). Die Frage, wann der für eine erfolgreiche Klagsführung des Geschädigten ausreichende Kenntnisstand über die Schadenszurechnung erreicht ist, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig (5 Ob 182/02d).
Geht man davon aus, dass die Eltern des Klägers - wenngleich der Vater Arzt ist - zumindest im Fachgebiet der Geburtshilfe nicht im erforderlichen Ausmaß fachkundig sind, dann durften sie die Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die für sie wesentlichen Fragen abwarten. Mit dem Vortrag des Gutachtens vom 26. 8. 1998, das den Eltern auch zugestellt worden war, in der Sitzung der Schlichtungsstelle am 21. 10. 1998 waren den Eltern des Klägers sämtliche Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für ihr Kind bekannt geworden, die Klage hätte zu diesem Zeitpunkt "mit Aussicht auf Erfolg" eingebracht werden können. Dieses Gutachten enthielt - als einziges der im Schlichtungsverfahren eingeholten Gutachten - Anhaltspunkte dafür, dass die beklagte Partei für die Vorgangsweise der beim Geburtsvorgang tätig gewesenen Ärzte und des danach befassten Pflegepersonals haftete (siehe S 5 des Berufungsurteils). Die Verjährungsfrist beginnt auch dann zu laufen, wenn der Geschädigte die Höhe des ihm schon bekannten Schadens noch nicht beziffern kann oder ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (2 Ob 259/01d; SZ 72/51). Der Geschädigte darf nicht so lange zuwarten, bis er im Rechtsstreit zu obsiegen glaubt (SZ 69/251; SZ 68/238; JBl 1991, 730; SZ 64/23). Die Verjährungsfrist begann somit spätestens im Oktober 1998 zu laufen.
3. Nach ständiger Rechtsprechung stellen Vergleichs- bzw Schlichtungsverhandlungen einen Grund für die Hemmung der Verjährungsfrist eigener Art dar; dabei handelt es sich um eine Ablaufshemmung. Die Verjährung tritt nur dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen - bzw Erledigung durch die Schlichtungsstelle - unverzüglich die Klage eingebracht wird. Schon wenn zwischen dem Abschluss eines Schlichtungsverfahrens oder dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen und der Einbringung der Klage eine Frist von drei Monaten verstreicht, liegt keine unverzügliche Geltendmachung vor (2 Ob 259/01d; 7 Ob 325/01x; SZ 72/51; vgl SZ 67/101). Nach den Feststellungen wurde der von den Eltern des Klägers bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag auf Zahlung einer Entschädigung mit Entscheidung vom 26. 9. 2001 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Eltern des Klägers am 5. 10. 2001 zugestellt. Der Kläger erhob aber erst mehr als ein Jahr danach - am 21. 10. 2002 - Klage. Damit kann von einer "unverzüglichen Geltendmachung" nicht gesprochen werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die bei der Abgabe des Verjährungsverzichts durch die beklagte Partei gewählte Formulierung sei völlig klar (S 6 f des Berufungsurteils), ist nicht zu beanstanden. Aus dieser Formulierung lässt sich nicht ableiten, dass der Verjährungsverzicht der beklagten Partei als "Fortlaufshemmung" zu werten sei. Demnach wurde der Verjährungseinwand auch nicht wider Treu und Glauben erhoben.3. Nach ständiger Rechtsprechung stellen Vergleichs- bzw Schlichtungsverhandlungen einen Grund für die Hemmung der Verjährungsfrist eigener Art dar; dabei handelt es sich um eine Ablaufshemmung. Die Verjährung tritt nur dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen - bzw Erledigung durch die Schlichtungsstelle - unverzüglich die Klage eingebracht wird. Schon wenn zwischen dem Abschluss eines Schlichtungsverfahrens oder dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen und der Einbringung der Klage eine Frist von drei Monaten verstreicht, liegt keine unverzügliche Geltendmachung vor (2 Ob 259/01d; 7 Ob 325/01x; SZ 72/51; vergleiche SZ 67/101). Nach den Feststellungen wurde der von den Eltern des Klägers bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag auf Zahlung einer Entschädigung mit Entscheidung vom 26. 9. 2001 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Eltern des Klägers am 5. 10. 2001 zugestellt. Der Kläger erhob aber erst mehr als ein Jahr danach - am 21. 10. 2002 - Klage. Damit kann von einer "unverzüglichen Geltendmachung" nicht gesprochen werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die bei der Abgabe des Verjährungsverzichts durch die beklagte Partei gewählte Formulierung sei völlig klar (S 6 f des Berufungsurteils), ist nicht zu beanstanden. Aus dieser Formulierung lässt sich nicht ableiten, dass der Verjährungsverzicht der beklagten Partei als "Fortlaufshemmung" zu werten sei. Demnach wurde der Verjährungseinwand auch nicht wider Treu und Glauben erhoben.
4. Schon eingetretene und aufgrund desselben Schadensereignisses vorhersehbare künftige Schäden bilden verjährungsrechtlich eine Einheit. Derartige Folgeschäden lösen verjährungsrechtlich keinen gesonderten Fristenlauf aus. Der drohenden Verjährung des Ersatzanspruchs ist vielmehr in all diesen Fällen mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (SZ 72/51; SZ 69/55; JBl 1991, 315; SZ 64/23).
5. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E72002European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00281.03K.1216.000Im RIS seit
15.01.2004Zuletzt aktualisiert am
10.02.2011