TE OGH 2003/12/16 10Nc21/03z

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2003
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Aziz C*****, 2. Vahida C*****, 3. Borisavka S*****, 4. Hazim C*****, 5. Rasim C*****, und 6. Ahmed P*****, alle vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die Antragsgegner 1. Ljubljanska Banka d.d., Trg republike 3, 1000 Ljubljana, Slowenien, 2. Nova Ljubljanska Banka d.d., Trg republike 2, 1000 Ljubljana, Slowenien, wegen (gesamt) EUR 178.229,21 s.A., infolge Anrufung des Obersten Gerichtshofes nach § 28 JN denDer Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Aziz C*****, 2. Vahida C*****, 3. Borisavka S*****, 4. Hazim C*****, 5. Rasim C*****, und 6. Ahmed P*****, alle vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die Antragsgegner 1. Ljubljanska Banka d.d., Trg republike 3, 1000 Ljubljana, Slowenien, 2. Nova Ljubljanska Banka d.d., Trg republike 2, 1000 Ljubljana, Slowenien, wegen (gesamt) EUR 178.229,21 s.A., infolge Anrufung des Obersten Gerichtshofes nach Paragraph 28, JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der Antragsteller, für die Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftantragsteller das Handelsgericht Wien, hinsichtlich der Zweit- und Sechstantragsteller das Bezirksgericht für Handelssachen Wien als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller begehren die Ordination des Handelsgerichts Wien bzw des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien, in eventu eines anderen Gerichts, mit folgender Begründung:

Die Erst- bis Sechstantragsteller seien entweder österreichische Staatsbürger oder hätten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Sie hätten vor Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien im April 1992 mit der Ljubljanska Banka d.d. Devisensparverträge abgeschlossen und ihre Guthaben auf Devisenkonten bei der Hauptfiliale Sarajevo der Ljubljanska Banka d.d. und bei deren Filialen im Staatsgebiet des heutigen Bosnien und Herzegowina eingezahlt. Die Devisensparverträge seien durch entsprechende Sparbücher dokumentiert. Die Filialen hätten den wesentlichen Teil dieser Devisen an die Zentrale der Ljubljanska Banka d.d. in Ljubljana abgeführt.

Am 27. 7. 1994 habe die Republik Slowenien ein Verfassungsgesetz ("Verfassungsgesetz über die Ergänzung des Verfassungsgesetzes zur Durchführung der grundlegenden Verfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien"), Amtsblatt RS 45/94, erlassen, mit dem sie in die Stammfassung des "Verfassungsgesetzes zur Durchführung der grundlegenden Verfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien" die Art 22a bis 22h eingefügt habe. Mit diesen Verfassungsbestimmungen habe der slowenische GesetzgeberAm 27. 7. 1994 habe die Republik Slowenien ein Verfassungsgesetz ("Verfassungsgesetz über die Ergänzung des Verfassungsgesetzes zur Durchführung der grundlegenden Verfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien"), Amtsblatt RS 45/94, erlassen, mit dem sie in die Stammfassung des "Verfassungsgesetzes zur Durchführung der grundlegenden Verfassungsurkunde über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien" die Artikel 22 a bis 22h eingefügt habe. Mit diesen Verfassungsbestimmungen habe der slowenische Gesetzgeber

- sämtliches Aktivvermögen der Ljubljanska Banka d.d. (mit Ausnahme bestimmter wertloser Forderungen) im Wege einer Abspaltung zur Neugründung auf die durch das Verfassungsgesetz gegründete Nova Ljubljanska Banka d.d. übertragen,

- sämtliche Devisenverbindlichkeiten der Ljubljanska Banka d.d. gegenüber Sparern, die ihre Einlagen auf dem heutigen Staatsgebiet der Republik Slowenien getätigt hätten, sowie sämtliche Nichtdevisenverbindlichkeiten im Zuge dieser Abspaltung auf die Nova Ljubljanska Banka d.d. übertragen und

- sämtliche Devisenverbindlichkeiten der Ljubljanska Banka d.d. gegenüber Sparern, die - wie die Antragsteller - ihre Einlagen in Filialen außerhalb des heutigen Staatsgebietes der Republik Slowenien getätigt hätten, bei der (vermögenslosen) Ljubljanska Banka d.d. zurückbehalten.

Zusätzlich habe die Republik Slowenien die Ljubljanska Banka d.d. durch folgende Regelungen vor dem Zugriff ihrer Gläubiger abgeschirmt:

- In Slowenien könnten gegen die Ljubljanska Banka d.d. weder Urteile erwirkt noch bereits erwirkte (auch ausländische) Urteile vollstreckt werden (Art 22f des genannten Verfassungsgesetzes);- In Slowenien könnten gegen die Ljubljanska Banka d.d. weder Urteile erwirkt noch bereits erwirkte (auch ausländische) Urteile vollstreckt werden (Artikel 22 f, des genannten Verfassungsgesetzes);

- die Anfechtung der Vermögensübertragung auf die Nova Ljubljanska Banka d.d. durch Gläubiger der Ljubljanska Banka d.d. sei ausgeschlossen worden (Art 22h Abs 1 des genannten Verfassungsgesetzes);- die Anfechtung der Vermögensübertragung auf die Nova Ljubljanska Banka d.d. durch Gläubiger der Ljubljanska Banka d.d. sei ausgeschlossen worden (Artikel 22 h, Absatz eins, des genannten Verfassungsgesetzes);

- in einem Konkurs der Ljubljanska Banka d.d. (der bisher nicht eröffnet worden sei) seien die Forderungen der Antragsteller nachrangig gestellt worden (Art 22h Abs 2 des genannten Verfassungsgesetzes).- in einem Konkurs der Ljubljanska Banka d.d. (der bisher nicht eröffnet worden sei) seien die Forderungen der Antragsteller nachrangig gestellt worden (Artikel 22 h, Absatz 2, des genannten Verfassungsgesetzes).

In diesen Vorgängen liege nichts anderes als eine materielle Enteignung der Ljubljanska Banka d.d. durch die Republik Slowenien, die sich gegen alle Gläubiger richte, die Deviseneinlagen außerhalb des heutigen Territoriums der Republik Slowenien geleistet hätten. Die betroffenen Gläubiger könnten ihre Ansprüche auch nicht mit Aussicht auf Erfolg in Bosnien und Herzegowina geltend machen, weil die Hauptfiliale in Sarajewo sowie die zugehörigen Filialen auf dem heutigen Staatsgebiet von Bosnien und Herzegowina nie ordnungsgemäß abgewickelt worden und wegen der Übertragung aller ihrer Devisen an die Hauptanstalt in Ljubljana vermögenslos seien. Im Ergebnis seien daher die Antragsteller als Gläubiger ohne sachlichen Grund schlechter gestellt worden als gleichrangige andere Gläubiger und damit entschädigungslos enteignet worden. Die Enteignung sei außerdem diskriminierend, weil sie sich nach dem Ort der Einzahlung und damit im Ergebnis nach der Staatszugehörigkeit der Gläubiger richte. Die Abspaltung der Nova Ljubljanska Banka d.d. sei daher nach österreichischem Recht jedenfalls unzulässig und verstoße gegen den österreichischen ordre public. Damit sei diese Abspaltung aus österreichischer Sicht unwirksam.

Beide Antragsgegnerinnen hätten in Österreich weder einen allgemeinen noch einen ausschließlichen Gerichtsstand. Sie verfügten in Österreich bei der A***** Bank AG, bei der Bank ***** AG und bei der R***** AG über Bankkonten, deren genaue Höhe den Antragstellern mangels entsprechender Informationen durch die Antragsgegnerinnen und im Hinblick auf das Bankgeheimnis nicht bekannt sei. Die Zweitantragsgegnerin (als Rechtsnachfolgerin der Erstantragsgegnerin) besitze an der A***** Bank AG Aktien, die in Zwischenscheinen verkörpert seien, die zum Bezug von 34.148 Stück Namensaktien an der A***** Bank AG mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von je EUR 72,67 berechtigten. Die Kapitalbeteiligung der Zweitantragstellerin entspreche somit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von EUR 2,481.535. Die Zwischenscheine, die die Zweitantragsgegnerin besitze, befänden sich nach ihren Angaben in Slowenien. Weder die Bankguthaben der Antragsgegnerinnen in Österreich noch die Beteiligung der Zweitantragsgegnerin an der A***** Bank AG könnten nach Auffassung des Handelsgerichts Wien und des Oberlandesgerichts Wien den Vermögensgerichtsstand gemäß § 99 JN begründen. Den Antragstellern stehe daher kein inländischer Gerichtsstand gegen die Antragsgegner zur Verfügung.Beide Antragsgegnerinnen hätten in Österreich weder einen allgemeinen noch einen ausschließlichen Gerichtsstand. Sie verfügten in Österreich bei der A***** Bank AG, bei der Bank ***** AG und bei der R***** AG über Bankkonten, deren genaue Höhe den Antragstellern mangels entsprechender Informationen durch die Antragsgegnerinnen und im Hinblick auf das Bankgeheimnis nicht bekannt sei. Die Zweitantragsgegnerin (als Rechtsnachfolgerin der Erstantragsgegnerin) besitze an der A***** Bank AG Aktien, die in Zwischenscheinen verkörpert seien, die zum Bezug von 34.148 Stück Namensaktien an der A***** Bank AG mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von je EUR 72,67 berechtigten. Die Kapitalbeteiligung der Zweitantragstellerin entspreche somit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von EUR 2,481.535. Die Zwischenscheine, die die Zweitantragsgegnerin besitze, befänden sich nach ihren Angaben in Slowenien. Weder die Bankguthaben der Antragsgegnerinnen in Österreich noch die Beteiligung der Zweitantragsgegnerin an der A***** Bank AG könnten nach Auffassung des Handelsgerichts Wien und des Oberlandesgerichts Wien den Vermögensgerichtsstand gemäß Paragraph 99, JN begründen. Den Antragstellern stehe daher kein inländischer Gerichtsstand gegen die Antragsgegner zur Verfügung.

Die Ordinationsbefugnis des Obersten Gerichtshofs wird von den Antragstellern auf § 28 Abs 1 Z 2 JN gestützt: Sämtliche Antragsteller seien entweder österreichische Staatsbürger oder hätten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Voraussetzung für die Anwendung des § 28 Abs 1 Z 2 JN sei, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar sei. Ein (aufgrund einer Ordination ergangenes) Urteil eines österreichischen Gerichts dürfe aber kein praktisch wertloses Papier darstellen, sondern müsse auch vollstreckt werden können. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil mit einem inländischen Urteil sowohl in die Bankkonten der Antragsgegnerinnen bei der A***** Bank AG als auch in der Beteiligung an der A***** Bank AG Exekution geführt werden könne (und zwar zumindest in künftige Gewinne und in das Recht, die Aktien aufzubieten). Überdies sei ein österreichisches Urteil in allen EU-Ländern vollstreckbar. Da die Antragsgegnerinnen Bankkonten bei Banken in den meisten europäischen Ländern, eine Vertretung in London, eine Zweigniederlassung in Triest und Tochtergesellschaften in Zürich und Frankfurt hätten, sei das Urteil auch in diesen Ländern vollstreckbar.Die Ordinationsbefugnis des Obersten Gerichtshofs wird von den Antragstellern auf Paragraph 28, Absatz eins, Ziffer 2, JN gestützt: Sämtliche Antragsteller seien entweder österreichische Staatsbürger oder hätten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Voraussetzung für die Anwendung des Paragraph 28, Absatz eins, Ziffer 2, JN sei, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar sei. Ein (aufgrund einer Ordination ergangenes) Urteil eines österreichischen Gerichts dürfe aber kein praktisch wertloses Papier darstellen, sondern müsse auch vollstreckt werden können. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil mit einem inländischen Urteil sowohl in die Bankkonten der Antragsgegnerinnen bei der A***** Bank AG als auch in der Beteiligung an der A***** Bank AG Exekution geführt werden könne (und zwar zumindest in künftige Gewinne und in das Recht, die Aktien aufzubieten). Überdies sei ein österreichisches Urteil in allen EU-Ländern vollstreckbar. Da die Antragsgegnerinnen Bankkonten bei Banken in den meisten europäischen Ländern, eine Vertretung in London, eine Zweigniederlassung in Triest und Tochtergesellschaften in Zürich und Frankfurt hätten, sei das Urteil auch in diesen Ländern vollstreckbar.

Die Geschäfte der Antragsgegnerinnen seien auf deren Seite Handelsgeschäfte gewesen. Der Streitwert betrage bei den Forderungen der Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftantragsteller jeweils mehr als EUR 10.000,--, bei den Forderungen der Zweit- und Sechstantragsteller jeweils bis zu EUR 10.000,--. Aufgrund des Naheverhältnisses zu Wien (Geschäftskonten, A***** Bank AG) liege es nahe, für die Erst-, Dritt-, Viert- und Fünftantragsteller das Handelsgericht Wien und für die Zweit- und Sechstantragsteller des Bezirksgericht für Handelssachen Wien als zuständiges Gericht zu ordinieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Ordinationsanträge sind aus folgender Erwägung zurückzuweisen:

Die Antragsteller haben bereits am 3. 12. 2002 beim Obersten Gerichtshof einen Ordinationsantrag gestellt, der mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 12. 5. 2003, 9 Nc 109/02g, abgewiesen wurde. Abgesehen davon, dass jetzt nur mehr die seinerzeitigen Erst- bis Sechstantragsteller einen Ordinationsantrag stellen und die von den Antragstellern vorgenommene rechtliche Qualifikation teilweise anders ist, deckt sich der nunmehrige Ordinationsantrag inhaltlich mit dem seinerzeit abgewiesenen.

Die Unanfechtbarkeit einer Ordinationsentscheidung des Obersten Gerichtshofes kann nicht dadurch umgangen werden, dass immer wieder inhaltlich unveränderte Ordinationsanträge an den Obersten Gerichtshof gestellt werden. Lediglich eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse, etwa der Wegfall eines der Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit entgegen stehenden Hindernisses, das Entstehen eines Bedürfnisses nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes nach § 28 Abs 1 Z 2 JN oder eine nachträgliche Erfüllung der Behauptungs- und Bescheinigungspflicht, steht im Fall der Zurück- oder Abweisung eines vorangehenden Ordinationsantrags einem neuen, gegebenenfalls entsprechend ergänzten Antrag nicht entgegen (Matscher in Fasching2, § 28 JN Rz 179).Die Unanfechtbarkeit einer Ordinationsentscheidung des Obersten Gerichtshofes kann nicht dadurch umgangen werden, dass immer wieder inhaltlich unveränderte Ordinationsanträge an den Obersten Gerichtshof gestellt werden. Lediglich eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse, etwa der Wegfall eines der Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit entgegen stehenden Hindernisses, das Entstehen eines Bedürfnisses nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes nach Paragraph 28, Absatz eins, Ziffer 2, JN oder eine nachträgliche Erfüllung der Behauptungs- und Bescheinigungspflicht, steht im Fall der Zurück- oder Abweisung eines vorangehenden Ordinationsantrags einem neuen, gegebenenfalls entsprechend ergänzten Antrag nicht entgegen (Matscher in Fasching2, Paragraph 28, JN Rz 179).

Da sich der von den Antragstellern behauptete Sachverhalt nicht geändert hat, ist der neuerlich gestellte Ordinationsantrag im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. 5. 2003, 9 Nc 109/02g, zurückzuweisen.

Textnummer

E71623

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:0100NC00021.03Z.1216.000

Im RIS seit

15.01.2004

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten