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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Kurt Waneck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Bangkok vom 1. Februar 2006, ohne Zahl, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Thailand, stellte am 27. Jänner 2006 bei der Österreichischen Botschaft in Bangkok den Antrag, ihm ein Schengen-Visum zur einmaligen Einreise (beabsichtigte Aufenthaltsdauer: 90 Tage) auszustellen. Er brachte vor, er sei nach seinem Schulabschluss "freier Mitarbeiter" und wolle seinen Freund X in Wien besuchen. Dieser komme entsprechend seiner Verpflichtungserklärung für die Reisekosten und die Bestreitung der Kosten seines Aufenthaltes auf. Hiezu sei sein Freund, was sich aus einem beigelegten Kontoauszug und einem Nachweis seines Pensionsbezuges ergebe, auch in der Lage.
Die Österreichische Botschaft in Bangkok teilte dem Beschwerdeführer dazu am 30. Jänner 2006 mit, keine weiteren Dokumente mehr zu benötigen. Eine Prüfung habe jedoch ergeben, dass seinem Antrag nicht stattgegeben werden könne: Es bestehe Grund zur Annahme, dass keine ausreichenden eigenen Mittel zum Unterhalt bzw. für die Wiederausreise vorhanden seien (§ 21 Abs. 5 Z. 2 FPG); die nachgewiesenen Unterhaltsmittel genügten nicht. Weiters bestehe Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde (§ 21 Abs. 1 Z. 2 FPG), weil er nicht überzeugend habe nachweisen können, dass er feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an seinem derzeitigen Wohnsitz habe. Schließlich bestehe Grund zur Annahme, dass er außer im Rahmen von Geschäftsreisen oder in den Fällen des § 24 leg. cit. eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ausübe (§ 21 Abs. 5 Z. 6 FPG).
Noch am 30. Jänner 2006 gab der Beschwerdeführer hiezu eine Stellungnahme ab, in der er (neuerlich) auf die Verpflichtungserklärung des X und dessen urkundlich belegten Kontostand (per Ende Oktober 2005) von EUR 12.244,07 verwies. Darüber hinaus beziehe X eine monatliche Pension von EUR 1.079,94. Angesichts von "Kosten der Wohnung in Wien" (des X) von EUR 290,-- monatlich erweise sich die Verpflichtungserklärung insgesamt als ausreichend. Ebenso bestehe kein Grund zur Annahme, dass er das Bundesgebiet nicht verlassen werde, weil er das Flugticket für den Rückflug nach Thailand schon bestellt habe und sich in diesem Staat seine Familie und seine Freunde aufhielten.
Die vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Erledigung vom 1. Februar 2006 lautet:
"Eine Prüfung hat ergeben, dass ihr Antrag aufgrund der folgenden Bestimmung(en) des Österreichischen Fremdenpolizeigesetzes (FPG 2005) abgelehnt werden musste:
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag nur dann erteilt werden, wenn
2. die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;"
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorweg ist klarzustellen, dass keine Bedenken gegen die Bescheidqualität der in Beschwerde gezogenen Erledigung der Österreichischen Botschaft bestehen (vgl. zu ähnlichen Botschaftsschreiben etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2005/21/0313, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, B 1701/02, jeweils mwN). Im Übrigen geht auch die Beschwerde ausdrücklich von der wirksamen Erlassung eines Bescheides aus, was in der Gegenschrift unwidersprochen geblieben ist.
§ 21 Abs. 1 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, lautet auszugsweise:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
...
2. die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;
..."
§ 11 FPG lautet auszugsweise wie folgt:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Über schriftlichen oder niederschriftlichen Antrag der Partei ist die Entscheidung gemäß Abs. 1 auch schriftlich auszufertigen; hiebei sind außer der getroffenen Entscheidung die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht.
(3) ..."
Der angefochtene Bescheid enthält zwar, wie dargestellt, die Begründung, die Wiederausreise des Beschwerdeführers sei nicht gesichert. Diese Begründung ist jedoch ohne weitere Ausführungen über den zu Grunde gelegten Sachverhalt auch unter Einbeziehung der Aktenlage nicht schlüssig nachvollziehbar:
Nach der auch auf den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 FPG übertragbaren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 93 Abs. 2 FrG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. November 2003, Zl. 2001/21/0001, und vom 17. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0291, mwN) erfordern die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens, dass der für eine Entscheidung maßgebliche Sachverhalt, wenn er schon nicht in der Begründung des Bescheides darzulegen ist, zumindest im Akt nachvollziehbar sein muss. Auch der Verfassungsgerichtshof hat im bereits zitierten Erkenntnis, B 1701/02, im Zusammenhang mit den Minimalanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren ausgesprochen, dass es selbst bei Bedachtnahme auf die Vorschriften des § 93 FrG (dessen Abs. 2 entspricht dem nunmehrigen § 11 Abs. 2 FPG) für den Rechtsschutz - gerade noch - hinreiche, wenn (u.a.) der maßgebliche Sachverhalt im Akt nachvollziehbar ist.
Diese Mindestanforderungen sind im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt, fehlt doch jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Wiederausreise des Fremden nicht gesichert erscheine (so der im angefochtenen Bescheid allein herangezogene Versagungsgrund des § 21 Abs. 1 Z. 2 FPG). Im vorgelegten
Verwaltungsakt scheinen nämlich die Vermerke: "vorgelegte
Unterlagen: Krankenversicherung ... Rückreiseticket ... Verpflichtungserklärung inkl. Beilagen (tragfähig: ja)" auf. Aus welchen Gründen der Erwerb eines Rückreisetickets durch den Beschwerdeführer sowie seine behauptete familiäre und soziale Verankerung im Heimatstaat zu keiner anderen Entscheidung führen könnten, ist weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Akteninhalt zu entnehmen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. Mai 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210117.X00Im RIS seit
12.06.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009