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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ArbVG §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Moritschstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 17. Oktober 2005, Zl. 14-SV- 3127/3/2005, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzten. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse führte beim Beschwerdeführer, der ein Erdbewegungsunternehmen betreibt, eine Beitragsprüfung für die Zeit vom 1. Jänner 2001 bis zum 31. Dezember 2003 durch. Mit Bescheid vom 21. März 2005 hat sie den Beschwerdeführer zur Zahlung von Beiträgen, Fondsbeiträgen und Umlagen in der Höhe von EUR 2.520,33 sowie Verzugszinsen in der Höhe von EUR 342,84 verpflichtet.
Begründend führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, der Beschwerdeführer habe als Dienstgeber mit sechs namentlich genannten Dienstnehmern, die zum überwiegenden Teil Arbeitertätigkeiten verrichtet hätten, einen Dienstvertrag für Angestellte abgeschlossen. Im Dienstvertrag sei die Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte vereinbart worden. Nach dem Dienstvertrag sei die Einstufung nach dem "Kollektivvertrag Baugewerbe Angestellte" erfolgt. Es ergebe sich eine einvernehmliche Einstufung in die "Gehilfe- Verwendungsgruppe, A1 Berufsjahr." Die Übernahme eines Arbeiters in ein Angestelltenverhältnis und die Anwendung des branchenzuständigen Angestelltenkollektivvertrages seien trotz Fortdauer der Arbeitertätigkeit möglich, soweit dadurch dem Dienstnehmer nicht günstigere Arbeiterrechte genommen würden. Im vorliegenden Fall würde die Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte auf die einzelnen Dienstnehmer gegenüber einer Anwendung des Kollektivvertrages für Arbeiter zu einer ungünstigeren Entlohnung führen. Es sei daher der "Kollektivvertrag Bauhilfsgewerbe für Arbeiter" anzuwenden; dies führe zu einer günstigeren Entlohnung für die einzelnen Dienstnehmer. Für die höhere (Anspruchs)Entlohnung seien Beiträge nachzuzahlen.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen, als Berufung bezeichneten Einspruch brachte der Beschwerdeführer vor, die im Bescheid angeführten Dienstnehmer seien keine Fachkräfte, die einer Fachgruppe unterstünden. Es handle sich um angelernte Hilfskräfte, die saisonal beschäftigt würden. Der Beschwerdeführer betreibe auch einen Baustoffhandel, in dem die Mitarbeiter als angestellte Hilfskräfte beschäftigt würden. Die Einstufung als Hilfskräfte sei richtig. Ein "Angestellter-Hilfskraft" sei gegenüber einem "Arbeiter-Hilfskraft" besser gestellt, weil er ein
13. und 14. Monatsgehalt erhalte und es zu keinen Gehaltsschmälerungen kommen könne; Vorteile gebe es auch beim Arbeitslosengeldbezug.
Im Schreiben vom 6. Juni 2005 an die belangte Behörde hob der Beschwerdeführer neuerlich hervor, dass die in Rede stehenden Dienstnehmer keine Qualifikation hätten, sondern angelernte Angestellte gewesen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben.
In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder, stellte die Rechtslage dar und führte wörtlich aus:
"Unbestritten ist, dass (der Beschwerdeführer) als Dienstgeber mit den Dienstnehmern ... Dienstverträge abgeschlossen und darin die Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte auf das Dienstverhältnis vereinbart hat, im Konkreten die Einstufung in die Gehilfe-Verwendungsgruppe, A1 Berufsjahr des Kollektivvertrages Baugewerbe Angestellte. ... Feststeht, dass die betroffenen Dienstnehmer im Baugewerbe zum Einsatz gekommen sind, wobei sich der Tätigkeitsbereich laut Dienstvertrag auf die Tätigkeiten im Hoch- und Tiefbau beschränkt hat. Laut Dienstvertrag ist es dem Dienstgeber vorbehalten geblieben, die Dienstnehmer zu verschiedenen Verwendungen heranzuziehen, insbesondere sind die Dienstnehmer damit einverstanden gewesen, auch zu Arbeitertätigkeiten herangezogen zu werden."
Grundsätzlich - so die belangte Behörde weiter - sei die vertragliche Vereinbarung der Anwendung des Angestelltenkollektivvertrages einvernehmlich möglich, soweit die Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe unwiderruflich vereinbart worden sei. Die Übernahme eines Arbeiters in das Angestelltenverhältnis und die Anwendung des branchenzuständigen Angestelltenkollektivvertrages sei jedoch trotz Fortdauer der Arbeitertätigkeit nur dann möglich, soweit dadurch den Dienstnehmern nicht günstigere Arbeiterrechte genommen würden. Wenn die Einstufung in das Gehaltsschema des Angestelltenkollektivvertrages ausdrücklich und unwiderruflich vereinbart worden sei, dürfe jedoch der Vertragsangestellte dadurch nicht ungünstiger entlohnt werden, als nach seinem Arbeiterkollektivvertrag. Die Entlohnung für die sechs betroffenen Dienstnehmer sei jedoch zweifelsfrei wesentlich ungünstiger nach dem "Kollektivvertrag Baugewerbe Angestellte (Gehilfe)" gegenüber dem "Kollektivvertrag Bau-Hilfsgewerbe-Arbeiter für Kärnten". Für die Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses seien ausschließlich die tatsächlichen Gegebenheiten zu betrachten. Danach sei eindeutig, dass die Dienstnehmer zu Hilfstätigkeiten im Hoch- und Tiefbau herangezogen worden seien, die keine Angestelltentätigkeiten darstellten, sondern eindeutig Arbeitertätigkeiten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall strittige Frage nach der Einordnung der Tätigkeit der in Rede stehenden Mitarbeiter des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde unter die Bestimmungen des Kollektivvertrages Bauhilfsgewerbe für Arbeiter wird vom Beschwerdeführer mit dem Argument verneint, diese Mitarbeiter seien niemals im Baugewerbe beschäftigt gewesen, weshalb auch der von belangten Behörde herangezogene Kollektivvertrag nicht zur Anwendung gelange. Die Feststellung, dass die in Rede stehenden Dienstnehmer im Baugewerbe zum Einsatz gekommen seien, bestreitet der Beschwerdeführer in der Beschwerde unter Hinweis auf den von ihm auch betriebenen Baustoffhandel. Zudem sei der Angestelltenkollektivvertrag für die Mitarbeiter günstiger.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer in zweifacher Hinsicht im Recht:
Bereits in seinem Einspruch hat der Beschwerdeführer vorgebracht, er beschäftige seine Mitarbeiter auch in seinem Baustoffhandel als Hilfskräfte. Die belangte Behörde hat sich mit dieser Behauptung nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich festgestellt, "dass die betroffenen Dienstnehmer im Baugewerbe zum Einsatz gekommen sind" bzw. "dass die Dienstnehmer zu Hilfstätigkeiten im Hoch- und Tiefbau herangezogen wurden". Aus diesen Feststellungen kann aber die Kollektivvertragszugehörigkeit des Beschwerdeführers nicht ermittelt werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 18. Dezember 2003, Zl. 2001/08/0204 und Zl. 99/08/0121). Darüber hinaus ist damit noch nichts darüber gesagt, welche Tätigkeit sie tatsächlich ausgeübt haben, sodass die Einordnung der Tätigkeiten anhand kollektivvertraglicher Beschäftigungsmerkmale schon deshalb nicht möglich ist.
Andererseits kann diese Einordnung wegen des Fehlens von Feststellungen über die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen der von der belangten Behörde heranzuziehenden Kollektivverträge nicht vorgenommen und so die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht geprüft werden. Die belangte Behörde hätte - neben konkreten Feststellungen zur ausgeübten Tätigkeit - auch die erforderlichen Tatsachenfeststellungen über den Inhalt der Kollektivverträge zu treffen gehabt (vgl. das Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 97/08/0078). Auch der von der belangten Behörde vorgenommene Günstigkeitsvergleich ist ohne Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen der Kollektivverträge nicht nachvollziehbar. Sollte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen, dass die in Rede stehenden Dienstnehmer in mehreren Verwendungen tätig gewesen sind, wird sie ferner zu untersuchen haben, ob auch für die Verwendung im Baustoffhandel ein Kollektivvertrag in Betracht kommt und welcher der danach in Betracht kommenden Kollektivverträge auf die Dienstnehmer nach den Regeln der §§ 9, 10 ArbVG anzuwenden ist.
Da dem Verwaltungsgerichtshof somit im Ergebnis die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachverrechnung nicht möglich ist, bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war das auf Ersatz der Eingabegebühr gerichtete Begehren abzuweisen.
Wien, am 23. Mai 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005080202.X00Im RIS seit
20.06.2007