Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde der H GmbH in W, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Rechtsanwälte OEG in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, vom 13. November 2006, Zl. MA 63 - 100463B17/0005/006, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Gewerberechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 wurde die Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin zur Ausübung des Gewerbes "Baumeister" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 iVm § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 entzogen. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 4. August 2006 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 30. August 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung gegen den genannten Entziehungsbescheid. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete sie damit, dass ihr Rechtsvertreter den Entziehungsbescheid am 4. August 2006 per Telefax an die Beschwerdeführerin weitergeleitet und dafür eine Telefax-Empfangsbestätigung erhalten habe. Ihr Rechtsanwalt, der Rechtsmittel nur über ausdrücklichen Auftrag der Beschwerdeführerin erheben dürfe, habe auf Grund dieser Telefax-Empfangsbestätigung keinen Anlass zu Zweifeln gehabt, dass die Beschwerdeführerin den Entziehungsbescheid erhalten habe. Zum Zeitpunkt des Einlangens des Telefaxes sei bei der Beschwerdeführerin jedoch Betriebsurlaub gewesen, der vom 31. Juli bis 28. August 2006 gedauert habe. Von diesem Betriebsurlaub sei der Rechtsanwalt durch ein Versehen der Sekretärin der Beschwerdeführerin, die den Auftrag gehabt habe, den Betriebsurlaub u.a. auch dem Rechtsanwalt mitzuteilen, nicht informiert worden. Die Sekretärin habe dies deshalb verabsäumt, weil sie durch die "betrieblichen und privaten Urlaubsvorbereitungen überlastet" gewesen sei und daher eine Besprechung und Auftragserteilung "infolge des Berichtschreibens des Rechtsanwaltes" nicht veranlasst habe. Dieses Versehen der Sekretärin habe bewirkt, dass der Rechtsvertreter mangels eines ausdrücklichen Auftrages zur Erhebung einer Berufung angenommen habe, ein Rechtsmittel gegen den Entziehungsbescheid sei nicht zu erheben. Erst nach dem Ende der Betriebsferien sei dieser Fehler bemerkt worden.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Sie begründete diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass ein geeigneter Wiedereinsetzungsgrund fehle, weil das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin in sich widersprüchlich sei. So sei der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages einerseits zu entnehmen, dass die Sekretärin der Beschwerdeführerin das Berichtschreiben des Rechtsanwaltes (betreffend den Entziehungsbescheid) während der Betriebsferien übernommen habe, andererseits gehe der Wiedereinsetzungsantrag jedoch davon aus, dass die Beschwerdeführerin während des Betriebsurlaubes keine Kenntnis vom Entziehungsbescheid erlangt habe und daher keinen Auftrag zur Erhebung eines Rechtsmittels habe erteilen können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin die angenommene Widersprüchlichkeit des vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrundes und bringt - hier auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, dass die belangte Behörde bei Erfüllung ihrer amtswegigen Ermittlungspflichten zum Ergebnis eines entschuldbaren Versehens der Sekretärin und damit der Beschwerdeführerin gelangt wäre und dass der Rechtsvertreter daher vor dem Ende des Betriebsurlaubes keine Berufung gegen den genannten Entziehungsbescheid habe erheben können.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist (u.a.) gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Es trifft zu, dass der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund - zumindest nach dem Wortlaut des Wiedereinsetzungsantrages - nicht eindeutig ist. Das Vorbringen, die Sekretärin sei auf Grund der Urlaubsvorbereitungen überlastet gewesen und habe eine Besprechung bzw. Auftragserteilung zur Erhebung eines Rechtsmittels "infolge" des Berichtschreibens des Rechtsanwaltes nicht veranlasst, kann im gegebenen Zusammenhang dahin verstanden werden, dass das Berichtschreiben des Rechtsanwaltes betreffend den Entziehungsbescheid bei der Beschwerdeführerin noch vor dem Betriebsurlaub eingelangt sei.
Aber auch dann, wenn man bei verständiger Gesamtwürdigung des Wiedereinsetzungsantrages einen Widerspruch im Vorbringen nicht erblickt und davon ausgeht, dass die maßgeblichen Organe der Beschwerdeführerin erst nach dem Ende des Betriebsurlaubes von dem am 4. August 2006 eingelangten Entziehungsbescheid Kenntnis erlangt haben, ist die Beschwerde nicht zielführend:
Als Grund für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, ihre Sekretärin hätte den Rechtsanwalt vom Betriebsurlaub verständigen sollen. Die Sekretärin habe die Weitergabe dieser Information verabsäumt, was als "entschuldbarer, geringfügiger Fehler" zu qualifizieren sei. Im Wiedereinsetzungsantrag hat die Beschwerdeführerin aber weder behauptet noch bescheinigt, dass und gegebenenfalls wie sie die Erfüllung des Auftrages der Sekretärin, die gegenständlich als Bote gegenüber dem Rechtsanwalt hätte tätig werden sollen, überwacht hat. Sie hat daher im Wiedereinsetzungsantrag nicht glaubhaft gemacht, dass sie am Versäumnis der Sekretärin kein Überwachungsverschulden trifft (vgl. zur Überwachungspflicht gegenüber dem Boten die in Walter/Thienel, Verwaltungsverwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 91 zu § 71 AVG zitierte Rechtsprechung und aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0126).
Ungeachtet dessen liegt ein bloß minderer Grad des Versehens gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG aber auch deshalb nicht vor, weil es der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nach der Übermittlung des Bescheides an die Beschwerdeführerin - umso mehr, weil ein Bescheid über die Entziehung der Gewerbeberechtigung in der Regel von grundlegender Bedeutung für den Betrieb eines Unternehmens ist - nicht dabei bewenden lassen durfte, die Erteilung eines Auftrages zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen diesen Bescheid abzuwarten. Dass und durch welche Maßnahmen der Rechtsvertreter aber versucht hat, mit den maßgeblichen Entscheidungsträgern der Beschwerdeführerin während ihres Betriebsurlaubes in Kontakt zu treten, um noch vor Ablauf der Berufungsfrist Klarheit über einen Auftrag zur Erhebung des Rechtsmittels zu erlangen, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt. Dieses Versäumnis des Rechtsvertreters ist der Beschwerdeführerin ebenfalls zuzurechnen (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 22ff zu § 71 AVG referierte hg. Judikatur).
Da die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag somit im Ergebnis zu Recht keine Folge gegeben hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 23. Mai 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007040014.X00Im RIS seit
14.08.2007