TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/23 2005/08/0071

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Veröffentlicht am 23.05.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §101;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in P, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1d, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. April 2005, Zl. 61-26m207/6-2004, betreffend rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. August 1980 eine vorläufige und mit Bescheid vom 25. August 1981 ab 1. Oktober 1981 eine Dauerrente von 20% der Vollrente zuerkannt. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer am 29. November 1979 einen Arbeitsunfall erlitten, dessen Folge eine Greifbehinderung der rechten Hand durch Bewegungseinschränkung des Zeige-, Mittel-, Ring- und Kleinfingers nach Verletzung an einer Rohrmaschine sei.

Mit Bescheid vom 6. Juni 1984 wurde dem Beschwerdeführer die Versehrtenrente zur Gänze abgefunden.

Am 20. März 1991 gab der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt zu Protokoll, er könne seine rechte Hand überhaupt nicht mehr gebrauchen und er ersuche um Gewährung einer Rente. Eine am selben Tag bei der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt durchgeführte Untersuchung ergab eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % als Folge des Unfalls vom 29. November 1979.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1991 hat die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Rente ab dem 20. März 1991, das sei ab dem Tage der Verschlimmerungsmeldung, abgewiesen. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung seien im Zustand der Unfallfolgen keine wesentlichen Änderungen eingetreten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 11. Juni 1991 Klage und stellte gleichzeitig einen Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG. Nach der Begründung habe sich die Behörde bei der Zuerkennung der Dauerrente im Jahre 1980 bei der Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit geirrt, weil der Verlust der Haupthand mit einer um 60 % geminderten Erwerbsfähigkeit zu bewerten gewesen wäre.

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat mit Urteil vom 19. Dezember 1991 den Antrag des Beschwerdeführers auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG zurückgewiesen und das Klagebegehren, aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 29. November 1979 eine 20 % übersteigende Versehrtenrente ab Antragstag zu gewähren, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils wurde festgehalten, dass eine Änderung in den Verhältnissen der Unfallfolgen gegenüber dem für die Gewährung der Dauerrente maßgebenden Zustandsbild nicht eingetreten sei, wobei eine Neueinschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vorgenommen werden könne. Der Antrag gemäß § 101 ASVG sei zurückzuweisen gewesen, weil darüber die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt noch keinen Bescheid erlassen habe.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1992 hat die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt den vom Arbeits- und Sozialgericht Wien zurückgewiesenen Antrag des Beschwerdeführers ebenfalls zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 8. Jänner 2002, eingelangt am 14. Jänner 2002, teilte der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt mit, er beantrage neuerlich die Zuerkennung der Unfallrente, weil bei völligem Ausfall der Haupthand eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 % eintrete.

Auf Grund einer Nachuntersuchung des Beschwerdeführers heißt im unfallchirurgischen Gutachten vom 19. April 2002 auf die Frage "Um wie viel % setzen die Verletzungsfolgen ab 14.1.2002, d.i. ab dem Tage des Einlangens der Verschlimmerungsmeldung, die Erwerbsfähigkeit noch herab?" die Antwort: "20 v.H. "

Mit Bescheid der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt vom 7. Mai 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Jänner 2002 abgewiesen, weil im Zustand der Unfallfolgen keine wesentliche Änderung eingetreten sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Arbeits- und Sozialgericht Wien mit Urteil vom 1. Oktober 2002 abgewiesen. Ein im Verfahren eingeholtes unfallchirurgisches Sachverständigengutachten kommt zum Ergebnis:

"Unfallchirurgischerseits ist ab Antragstellung, das ist der 14.1.2002, unverändert eine 20 %-ige MdE gegeben."

Mit Schreiben vom 29. April 2004, eingelangt bei der mitbeteiligten Partei am 11. Mai 2004, stellte der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt einen Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG.

Diesen Antrag hat die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt mit Bescheid vom 30. August 2004 zurückgewiesen.

Folgendes Schreiben des Beschwerdeführers vom 16. September 2004 werteten die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt und die belangte Behörde als Einspruch (Großschreibung im Original):

"Sehr geehrte Damen und Herren, es handelt sich wohl um ein Missverständnis. Sie haben wahrscheinlich nicht gemerkt, dass es sich bei meinem Antrag vom 29.04.2004 um einen Antrag auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes hinsichtlich des ERSTBESCHEIDES handelt! Bis dahin ging es immer um spätere Entscheidungen, bis ich eigentlich verstanden habe wo das Problem liegt.

Nämlich darin, dass die ERSTENTSCHEIDUNG nicht in Ordnung war. Da bei dem ERSTBESCHEID der Grad der Invalidität nicht wahrheitsentsprechend festgestellt ist (und alle späteren Entscheidungen gehen nur von dieser Beurteilung ab (gemeint wohl: aus)) ist der gesetzliche Zustand hinsichtlich des Erstbescheides festzustellen in dem der wahre Grad der Invalidität festgestellt und mir die Versehrtenrente zuerkannt wird.

Mit der Bitte um möglichst baldiges Verfahren und mit Dank für Ihr Verständnis. ..."

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 teilte der Beschwerdeführer im Rahmen des Einspruchsverfahrens dem Landeshauptmann der Steiermark im Wesentlichen mit, das der Versehrtenrente zu Grunde gelegte unfallchirurgische Gutachten vom 30. Juli 1981 sei falsch. Handle es sich um den Ausfall der Haupthand, entstünden nicht 20%, sondern 60 % Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wie der Gutachter zu einer 20 %-igen Minderung gekommen sei. Er habe sich damals jedoch nicht zu helfen gewusst. Es sei darüber ein neues Gutachten zu erstellen. Es ginge nicht darum, dass sich sein Zustand verschlimmert hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen.

Begründend verwies die belangte Behörde auf das erstinstanzliche Verfahren und den Einspruch und führte nach Darstellung einschlägiger Rechtsvorschriften aus, der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Juni 1991 auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes der mit Bescheid vom 26. August 1980 ab 16. Mai 1980 zuerkannten Versehrtenrente von 20 % der Vollrente sei mit Bescheid vom 28. Juli 1992 zurückgewiesen worden. Die Behinderung des Beschwerdeführers betrage nach wie vor 20 %, weshalb keine neuerliche Veranlassung gesehen werde, das Verfahren wieder aufzunehmen. Bereits mit Bescheid vom 7. Mai 2002 sei der Antrag des Beschwerdeführers auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG abgewiesen worden, weshalb der hier gegenständliche Antrag nunmehr wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen sei, "da sich im Zustand der Unfallfolgen keine wesentlichen Änderungen ergeben haben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 101 ASVG hat folgenden Wortlaut:

"Ergibt sich nachträglich, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen."

Wurde bereits über einen ausdrücklich auf § 101 ASVG gestützten Antrag (über solche Anträge) mit einem rechtskräftigen Bescheid (mit rechtskräftigen Bescheiden) ganz oder teilweise abweislich abgesprochen und ist in den für die seinerzeitige (seinerzeitigen) Beurteilung (Beurteilungen) nach § 101 ASVG maßgebenden tatsächlichen Umständen sowie in der Rechtslage keine Änderung eingetreten, so steht dem Erfolg eines neuerlichen Antrages gemäß § 101 ASVG, der sich aus denselben Gründen gegen denselben früheren Bescheid richtet, das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 93/08/0212, auf dessen weitere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer schon im Antrag vom 11. Juni 1991 - gestützt auf § 101 ASVG - unter Hinweis auf den Verlust der Haupthand eine um 60% geminderte Erwerbsfähigkeit geltend gemacht. Der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt standen damals keine anderen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung als im vorliegenden Verfahren. Der Beschwerdeführer hat auch keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet erschienen, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen. Sämtliche in diesem Verfahren vorgebrachten Tatsachen waren bereits vor Erlassung des zuletzt gemäß § 101 ASVG ergangenen Bescheides vom 28. Juli 1992 bekannt.

Der Hinweis in der Beschwerde auf das von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid angefügte Beiblatt, wodurch der Beschwerdeführer erst von der unrichtigen Berechnungsmethode seine Rente betreffend erfahren habe, ist nicht zielführend, weil das Vorbringen keine Änderung der durch mehrere medizinische Gutachten festgestellten Sachlage aufzeigt.

Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf diese Umstände zum Ergebnis gelangte, es stehe einer neuerlichen sachlichen Behandlung des vorliegenden Antrages des Beschwerdeführers das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen, so ist dies vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Mai 2007

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005080071.X00

Im RIS seit

20.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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