Index
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;Norm
AHG 1949 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 9. November 2006, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2006, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tulln vom 8. August 2006 wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer ab dem 8. August 2006 Arbeitslosengeld gebühre. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bis 20. April 2006 Krankengeld bezogen und sich erst am 8. August 2006 persönlich beim Arbeitsmarktservice Tulln wieder gemeldet.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 5. Jänner 2006 einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt, das gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zur Auszahlung gelangt sei. Auf dem Antragsformular seien die wesentlichen Verpflichtungen des Arbeitslosen festgehalten. Der Beschwerdeführer habe die Kenntnisnahme dieser Verpflichtungen mit seiner Unterschrift bestätigt. Ausdrücklich sei der Hinweis angebracht, dass, wenn ein Leistungsbezug z.B. bei Krankheit unterbrochen sei, eine Weitergewährung erst dann möglich sei, wenn sich der Arbeitslose neuerlich persönlich beim Arbeitsmarktservice melde. Am 8. März 2006 habe der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice telefonisch seinen Krankenstand ab 6. März 2006 bekannt gegeben. Mit 9. März 2006 sei der Leistungsbezug eingestellt worden. Mit E-Mail vom 31. Juli 2006 habe der Beschwerdeführer gemeldet, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbestätigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erhalten habe und vom 6. März 2006 bis 20. April 2006 arbeitsunfähig gewesen sei. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe laut Aktenvermerk vom 3. August 2006 versucht, den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen (wegen persönlicher Wiedermeldung nach dem Krankenstand) und diesbezüglich eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Mit RSb-Schreiben vom 4. August 2006 sei von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Kontrolltermin für den 9. August 2006 zwecks Klärung des Krankenstandes vorgeschrieben worden. Am 8. August 2006 habe der Beschwerdeführer persönlich vorgesprochen und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. Juli 2006 vorgelegt. Im Zeitraum vom 15. März 2006 bis 31. Juli 2006 sei der Beschwerdeführer von E (Jobcoaching) in Wien, P-Gasse 15/1, betreut worden. Der Ort der Veranstaltung sei nicht mit jenem der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gleichzusetzen. Der Beschwerdeführer habe alle seine Termine bei E wahrgenommen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld habe für die Zeit des Krankengeldbezuges vom 9. März 2006 bis 20. April 2006 geruht. Der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice sei das Ende des Ruhenszeitraums im vorhinein nicht bekannt gewesen. Erst am 8. August 2006 habe der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld wieder persönlich geltend gemacht. Ab diesem Tag sei ihm das Arbeitslosengeld wiederum angewiesen worden. Der Umstand, dass die Gebietskrankenkasse möglicherweise unvollständige oder missverständliche Informationen erteilt habe, könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Die Wahrnehmung der Beratungstermine bei E könne nicht als persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle Tulln gewertet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a. während des Bezuges von Krankengeld.
Ruht der Anspruch oder ist der Bezug des Arbeitslosengeldes unterbrochen, so gebührt gemäß § 17 Abs. 1 letzter Satz AlVG das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Wiedermeldung oder neuerlichen Geltendmachung nach Maßgabe des § 46 Abs. 5 AlVG.
§ 46 Abs. 5 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:
"(5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich persönlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die regionale Geschäftsstelle kann die arbeitslose Person vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache entbinden, wenn kein Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung besteht und keine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung."
Wie sich aus § 46 Abs. 5 AlVG eindeutig ergibt, ist eine persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle erforderlich. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann eine solche Meldung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung nicht bei einem Unternehmen erfolgen, bei dem der Arbeitslose an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilnimmt.
In der Beschwerde wird ferner geltend gemacht, dass das Arbeitsmarktservice im Sinne des § 13a AVG verpflichtet gewesen wäre, den Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er sich nach Ablauf des Krankenstandes persönlich wieder zu melden habe. Das durch die Unterlassung einer solchen Manuduktion vorliegende rechtswidrige Verhalten des Arbeitsmarktservice dürfe dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden. Er habe sich auf die Richtigkeit einer Auskunft der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse verlassen, wonach er sich erst wieder beim Arbeitsmarktservice melden müsse, wenn er über eine schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Gebietskrankenkasse verfüge. Das Antragsformular habe der Beschwerdeführer zwar gelesen und unterzeichnet, er habe es aber in der Folge beim Arbeitsmarktservice abgegeben, sodass er während seines Krankenstandes die Hinweise nicht habe nachlesen können. Auch die Mitarbeiter des Unternehmens E wären verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten. Er habe davon ausgehen dürfen, dass eine regelmäßige Teilnahme an den Wiedereingliederungsmaßnahmen bei E seiner Verpflichtung zur persönlichen Wiedermeldung genüge. Das Arbeitsmarktservice hätte außerdem den Beschwerdeführer darauf hinweisen müssen, dass allenfalls ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 46 Abs. 5 iVm § 16 und § 17 AlVG notwendig wäre. Davon sei er auch am 8. August 2006 nicht in Kenntnis gesetzt worden. Der Beschwerdeführer erachtet sich darüber hinaus auch in seinem Recht auf Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz verletzt.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Auskunftspflicht beruft, geht sein Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil er kein Auskunftsbegehren gestellt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0041).
§ 46 AlVG nimmt im Übrigen eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter Antragstellungen vor. Diese abschließende Normierung lässt es - selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst in jenen Fällen, in denen ein Arbeitsloser auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, dieser auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist und die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung keine gesetzliche Grundlage findet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, Zl. 2002/08/0274, mwN).
Die formalisierte Antragstellung im Sinne des § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthält, schließt also eine Bedachtnahme auf Fälle unverschuldet unterbliebener Antragstellung aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/08/0238).
Aus den vorigen Ausführungen ist abzuleiten, dass selbst dann, wenn eine Verletzung einer Manuduktionspflicht erfolgt wäre, dies die Beschwerde nicht zum Erfolg führen könnte. Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die Belehrung im Antragsformular ausreicht und keine weitere Manuduktion erforderlich ist (vgl. die zitierten hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2002 und vom 26. Jänner 2005).
Im übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Arbeitsloser, der auf Grund einer unrichtigen Rechtsauskunft des Arbeitsmarktservice die Antragstellung unterlässt, auf die Geltendmachung eines Schadens im Amtshaftungsweg verwiesen ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002). Auch dann, wenn ein Schaden auf die Auskunft eines anderen Rechtsträgers als des Arbeitsmarktservice zurückzuführen sein sollte, könnte dieser nur diesem anderen Rechtsträger gegenüber im Wege des Schadenersatzes geltend gemacht werden. Die Bestimmungen des § 46 AlVG sehen eine Berücksichtigung auch eines solchen Falles nicht vor.
Eine Wiedereinsetzung scheidet schließlich schon deshalb aus, weil die vom Beschwerdeführer "versäumte" Frist keine verfahrensrechtliche ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 1548 unter E 22 ff. zitierte hg. Judikatur).
Soweit sich der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 95/08/0302, beruft, ist er darauf hinzuweisen, dass dieses Erkenntnis nicht zu § 46 AlVG sondern zur Regelung des § 49 AlVG betreffend Kontrolltermine ergangen ist, deren Nichteinhaltung zum Verlust von Arbeitslosengeld führen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat dort ausgeführt, dass unter der Voraussetzung, dass dem Arbeitslosen in den vergangenen Jahren keine Kontrollmeldungen vorgeschrieben worden sind, die bloße Übergabe einer Terminkarte, in der auf die Bestimmung des § 49 Abs. 2 AlVG hingewiesen wird, keine ausreichende Rechtsbelehrung im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG darzustellen vermöge, sondern es in diesem Fall, dem § 13a AVG entsprechend, einer zusätzlichen mündlichen oder schriftlichen Belehrung bedürfe. Die im dortigen Fall relevante Bestimmung des § 49 Abs. 2 AlVG sah eine Belehrung über die Rechtsfolgen einer Kontrollmeldung ausdrücklich vor. Sie kann im vorliegenden Fall nicht vergleichsweise herangezogen werden, weil einerseits § 46 AlVG keine derartige ausdrückliche Regelung enthält, die eine über das Antragsformular hinausgehende Belehrung erfordern würde und es andererseits um Fälle geht, in denen der Bezug von Arbeitslosengeld im allgemeinen schon eingestellt ist und es daher auch ohne ausdrückliche Belehrung naheliegt, dass sich Anspruchsberechtigte unmittelbar nach dem Wegfall der anderen Leistung (hier: des Krankengeldes) wieder um die Auszahlung des Arbeitslosengeldes bemühen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Im vorliegenden Fall war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Mai 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080330.X00Im RIS seit
20.06.2007