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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §16 Abs1 litk;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. November 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2006-10465, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 24. April 2006 begehrte die Beschwerdeführerin Zuerkennung von Arbeitslosengeld.
Nach der im Akt liegenden Arbeitsbescheinigung vom 11. Mai 2006 wurde das letzte Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin durch Austritt gemäß § 25 KO beendet. Die Beschwerdeführerin habe einen Anspruch auf Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung im Ausmaß von 46 Arbeitstagen, welche wegen der Insolvenz der Dienstgeberin nicht bezahlt worden sei. Gleiches gelte für eine Kündigungsentschädigung hinsichtlich des Zeitraumes vom 21. April 2006 bis 30. Juni 2006. Einer weiteren Arbeitsbescheinigung vom 13. Juni 2006 ist zu entnehmen, dass der Urlaubsanspruch im Ausmaß von 51 Arbeitstagen gebührte.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2006, gerichtet an den Masseverwalter der Dienstgeberin der Beschwerdeführerin, meldete das Arbeitsmarktservice den Forderungsübergang hinsichtlich des Rückersatzes des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 Abs. 2 und 4 AlVG für die Zeit der Kündigungsentschädigung und der Ersatzleistung für Urlaubsentgelt an.
Mit Schreiben vom 12. September 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Feststellungsbescheides über die Anspruchshöhe und die Berechnung der Anspruchdauer unter Berufung auf die "Mitteilung" vom 22. Mai 2006.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 21. September 2006 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld ab dem 24. April 2006 im Ausmaß von täglich EUR 21,42 für die Dauer von 30 Wochen (210 Tage) gebühre.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie legte dar, dass sie sich zwar am 24. April 2006 arbeitslos gemeldet habe, was bewirkt habe, dass der Anspruchsberechnung die Beitragsgrundlage des Jahres 2004 zu Grunde gelegt worden sei. Für den Zeitraum vom 21. April 2006 bis 11. September 2006 habe sie aber Anspruch auf Insolvenzausfallsgeld. In diesem Zeitraum bezöge sie vom Arbeitsmarktservice Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung, welcher mit dem Insolvenzfonds gegengerechnet werde. Auf Grund des § 16 AlVG verschiebe sich in diesem Fall der Anfallstag auf den Tag nach Ende des Kündigungsentschädigungszeitraumes. Die Beschwerdeführerin sei daher so zu stellen, als hätte sie das Arbeitslosengeld in der zweiten Jahreshälfte beantragt. Als Bemessungsgrundlage wäre daher das höhere Entgelt des Jahres 2005 heranzuziehen. Außerdem ergäbe sich eine längere Bezugsdauer.
Von der IAF-Service GmbH wurde dem Arbeitsmarktservice mit Schreiben vom 12. Oktober 2006 mitgeteilt, dass der Beschwerdeführerin Insolvenzausfallsgeld für Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 21. April 2006 bis 30. Juni 2006 und eine Urlaubsersatzleistung für 51 Arbeitstage zuerkannt werden werde. Das Arbeitsmarktservice teilte der IAF-Service GmbH daraufhin mit, dass die Beschwerdeführerin Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz gemäß § 16 Abs. 2 und 4 AlVG in der Höhe von EUR 2.977,38 bezogen habe.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 24. April 2006 einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Sie sei vom 1. Dezember 2003 bis 20. April 2006 in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis bei der S GmbH gestanden. Das Unternehmen sei insolvent, das Dienstverhältnis sei durch Austritt gemäß § 25 KO beendet worden. Die Beschwerdeführerin habe bis 30. Juni 2006 Anspruch auf Kündigungsentschädigung und im Anschluss daran für weitere 46 Werktage Anspruch auf Urlaubsersatzleistung, jeweils in Form von Schadenersatz nach den Bestimmungen des § 25 KO. Der Anspruch ende mit 11. September 2006. Diese Tatsachen hätte die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice ordnungsgemäß gemeldet. Sie habe daher Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung als Vorschuss auf die zu erwartende Kündigungsentschädigung bzw. Urlaubsersatzleistung erhalten. Zwischenzeitig seien die Forderungen der Beschwerdeführerin seitens der IAF-Service GmbH befriedigt worden. Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes sei bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni sei das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung am 24. April 2006, also in der ersten Jahreshälfte, geltend gemacht. Die Tatsache, dass sie bis 11. September 2006 Arbeitslosengeld in Form einer Vorschussleistung auf die Kündigungsentschädigung bzw. Urlaubsersatzleistung bezogen habe, vermöge am Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruches nichts zu verändern. Der Bezug einer Kündigungsentschädigung oder Urlaubsersatzleistung bewirke lediglich ein Ruhen des Leistungsanspruches, was eine vorherige erfolgreiche Geltendmachung des Leistungsanspruches voraussetze. Daher seien sowohl Höhe als auch Dauer des Arbeitslosengeldes nach dem Tag der Geltendmachung am 24. April 2006 zu bemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 21 Abs. 1 AlVG ist für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes bei Geltendmachung bis zum 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen.
Gemäß § 18 Abs. 1 AlVG wird das Arbeitslosengeld für 20 Wochen gewährt. Die Bezugsdauer erhöht sich in bestimmten Fällen, wenn in einem bestimmten Zeitraum vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen bestimmter längerer Dauer nachgewiesen werden (näher § 18 Abs. 1 und 2 AlVG).
§ 16 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2004 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Ruhen des Arbeitslosengeldes
§ 16. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während
...
d) des Zeitraumes, für den Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 der Konkursordnung (KO), RGBl. Nr. 337/1914, gebührt,
...
k)
des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt,
l)
des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) nach dem Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, in der jeweils geltenden Fassung besteht oder eine Urlaubsabfindung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung gewährt wird, nach Maßgabe des Abs. 4,
...
(2) Ist der Anspruch auf Kündigungsentschädigung strittig oder wird Kündigungsentschädigung aus sonstigen Gründen nicht bezahlt, wird das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für diesen Zeitraum als Vorschuß auf die Kündigungsentschädigung gewährt. Wird der Arbeitgeber von der Gewährung des Vorschusses verständigt, so geht der Anspruch des Arbeitslosen auf die fällige Kündigungsentschädigung für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung in der Höhe des als Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) gewährten Vorschusses über und ist vom Arbeitgeber unbeschadet von Übertragungen, Verpfändungen oder Pfändungen der Kündigungsentschädigung vorrangig zu befriedigen. Das Recht auf gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches verbleibt jedoch beim Arbeitnehmer. Wird Insolvenz-Ausfallgeld nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977, für die Kündigungsentschädigung beantragt, so gilt das Gleiche hinsichtlich dieses Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld, und der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds tritt an die Stelle des Arbeitgebers. Findet der Übergang statt, so ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Bedachtnahme auf Abs. 1 lit. k neu zu bemessen. Dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung steht der Anspruch auf Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 KO bzw. nach § 20d AO gleich, wobei der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Bedachtnahme auf Abs. 1 lit. d bzw. Abs. 1 lit. e neu zu bemessen ist.
...
(4) Besteht Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) im Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses, besteht jedoch auch Anspruch auf Kündigungsentschädigung, mit dem Ende des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt. Ist der Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) strittig oder wird eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) aus sonstigen Gründen (zB Konkurs des Arbeitgebers) nicht bezahlt, so ist Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. Wird hingegen eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Ansprüche auf Tagesteile bleiben immer außer Betracht.
..."
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob sich die Dauer und die Höhe des Arbeitslosengeldes trotz faktischer Antragstellung in der ersten Jahreshälfte im Hinblick auf die Kündigungsentschädigung und die Ersatzleistung für Urlaubsentgelt so bemessen, als hätte die Beschwerdeführerin den Antrag erst in der zweiten Jahreshälfte gestellt.
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Anspruch auf Ersatzleistung auf Urlaubsentgelt. Beides wurde wegen des Konkurses der Dienstgeberin der Beschwerdeführerin nicht bezahlt. Der Beschwerdeführerin wurde daher im Sinne des § 16 Abs. 2 und Abs. 4 iVm Abs. 2 AlVG ein Vorschuss gewährt. Davon wurde der Arbeitgeber (im vorliegenden Fall der Masseverwalter der Dienstgeberin der Beschwerdeführerin) verständigt. Dies hatte die Konsequenz, dass auf Grund des § 16 Abs. 2 bzw. Abs. 4 iVm Abs. 2 AlVG der Anspruch auf die beiden Geldleistungen auf den Bund in der Höhe des gewährten Vorschusses übergegangen ist. Daran änderte es auch nichts, wenn Insolvenzausfallsgeld beansprucht wurde, wie § 16 Abs. 2 AlVG normiert. Das Stattfinden des Übergangs ist auslösendes Moment dafür, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld "neu zu bemessen" ist, wobei dies "unter Bedachtnahme" auf § 16 Abs. 1 lit. k bzw. lit. l AlVG zu geschehen hat. Entsprechendes gilt, wenn ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 KO besteht.
Wie sich aus § 16 Abs. 2 und Abs. 4 iVm Abs. 2 AlVG somit ergibt, ist im Falle des Überganges der Anspruch auf Arbeitslosengeld neu zu bemessen, wobei auf bestimmte Zeiträume im Sinne des § 16 Abs. 1 AlVG "Bedacht" zu nehmen ist. Dieser Begriff der Neubemessung bedeutet nicht, dass das Arbeitslosengeld der Höhe nach neu berechnet werden muss; dies würde nämlich dazu führen, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes davon abhängen könnte, ob die Kündigungsentschädigung bzw. die Urlaubsersatzleistungen bei Beendigung des Dienstverhältnisses bezahlt werden (und zum Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld führen) oder ob sie strittig sind oder ob sich die Auszahlung aus welchen Gründen immer verzögert (und ein Vorschuss gewährt wird). Ein derartiges Ergebnis wäre nämlich gleichheits- und damit verfassungswidrig, weil die genannten Umstände keine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Höhe des Arbeitslosengeldes darstellen können. Der belangten Behörde ist daher Recht zu geben, dass die Anordnung der Neubemessung wegen der Wendung "unter Bedachtnahme auf lit. k" im gegebenen Zusammenhang nur bedeutet, dass jene Zeiten des vorschussweisen Arbeitslosengeldbezuges, hinsichtlich derer ein Übergang stattgefunden hat, nicht auf die Anspruchsdauer angerechnet werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Mai 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080334.X00Im RIS seit
25.06.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011