TE OGH 2004/2/10 1Ob300/03d

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Veröffentlicht am 10.02.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oliver R*****, vertreten durch Mag. Michael Frick und Dr. Holger Schwarz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen 19.800 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2003, GZ 12 R 144/03i-11, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei ist Eigentümerin einer Liegenschaft im Wiener Wald. Dort liegt - allseits von Wald umgeben - eine für jedermann zugängliche Felswand, an der Personen seit vielen Jahren den Klettersport ausüben. Im Lauf der Zeit wurden "von zahlreichen Kletterern ... eine Unzahl von Aufstiegshilfen, insbesondere diverse Haken auf dem Felsgebilde, angebracht". Die Wand wird weder von einem Alpinverein, noch von der beklagten Partei "in irgendeiner Weise betreut". Letztere benützt die Wand nicht für eigene Zwecke und zieht keinen Nutzen aus der Hobbykletterei. Hinweis- und Verbotstafeln im Bereich der Felswand fehlen. In Fachbüchern und im Internet wird die Felswand allerdings als "Klettergarten" beschrieben. Die beklagte Partei ist jedoch nicht Autorin solcher Beschreibungen. Diese waren ihr vor dem Prozess gar nicht bekannt. Am 8. 6. 2002 seilte sich der Kläger, der damals über eine rund "5-jährige Kletterpraxis" verfügte, an der Wand ab und hängte sich dabei an einem in der Wand befestigten "Bohrhaken" ein. Dieser Haken riss nach voller Belastung durch das Körpergewicht des Klägers aus. Der Kläger stürzte ab und wurde schwer verletzt.

Der Kläger begehrte die Zuerkennung von 19.800 EUR sA als Schmerzengeld, Verdienstentgangs- und Pflegeaufwandersatz sowie die Feststellung, dass ihm die beklagte Partei für "sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden aus dem Kletterunfall vom 8. 6. 2002" hafte.

Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach ferner aus, dass der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die außerordentliche Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Ansicht des Klägers hätte das Berufungsgericht einen von ihm gerügten Feststellungsmangel wahrnehmen müssen; er habe zwar selbst keine Tatsache im Sinn der vermissten Feststellung behauptet, die beklagte Partei habe jedoch entsprechendes Vorbringen erstattet. Der Revisionswerber führt dazu indes in Wahrheit keine Prozessbehauptung der beklagten Partei ins Treffen, sondern die Parteiaussage deren Provinzialoberin. Die aufgeworfene Rechtsfrage nach den Grenzen der Wahrnehmbarkeit eines Feststellungsmangels wäre daher selbst dann nicht relevant, wenn die in der Revision vermisste Feststellung im Fall bestimmter Prozessbehauptungen präjudiziell wäre, wurde doch insoweit weder vom Kläger noch von der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet.

2. Der Kläger hält die Revision im Übrigen deshalb für zulässig, weil die Entscheidung nach seiner Meinung von der Auslegung des Begriffs "Wald" gemäß § 1a ForstG 1975 abhänge und weil er auf dem Boden seines Verständnisses der Ansicht des Berufungsgerichts entgegentritt, die beklagte Partei hätte als Grundeigentümerin die - auch mittels Anbringung von Bohrhaken - ausgeübte Kletterei an der Felswand nach § 33 Abs 1 ForstG 1975 gar nicht unterbinden können, weil diese Wand "Teil des sie umgebenden Waldes" sei, sich das Klettern "an sich nicht wesentlich vom Gehen und Laufen" unterscheide und die beklagte Partei, die selbst keine Gefahrenquelle geschaffen habe, daher die Tragfähigkeit der Bohrhaken nicht habe kontrollieren und nicht auch "extra darauf hinweisen" müssen, dass das "'Klettern auf eigene Gefahr'" erfolge, habe doch der Kläger nach § 176 Abs 1 und 2 ForstG 1975 selbst auf alle ihm durch den Wald drohenden Gefahren zu achten gehabt.2. Der Kläger hält die Revision im Übrigen deshalb für zulässig, weil die Entscheidung nach seiner Meinung von der Auslegung des Begriffs "Wald" gemäß Paragraph eins a, ForstG 1975 abhänge und weil er auf dem Boden seines Verständnisses der Ansicht des Berufungsgerichts entgegentritt, die beklagte Partei hätte als Grundeigentümerin die - auch mittels Anbringung von Bohrhaken - ausgeübte Kletterei an der Felswand nach Paragraph 33, Absatz eins, ForstG 1975 gar nicht unterbinden können, weil diese Wand "Teil des sie umgebenden Waldes" sei, sich das Klettern "an sich nicht wesentlich vom Gehen und Laufen" unterscheide und die beklagte Partei, die selbst keine Gefahrenquelle geschaffen habe, daher die Tragfähigkeit der Bohrhaken nicht habe kontrollieren und nicht auch "extra darauf hinweisen" müssen, dass das "'Klettern auf eigene Gefahr'" erfolge, habe doch der Kläger nach Paragraph 176, Absatz eins, und 2 ForstG 1975 selbst auf alle ihm durch den Wald drohenden Gefahren zu achten gehabt.

2. 1. Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den vom Berufungsgericht erörterten Rechtsfragen des Forstgesetzes 1975 mangelt. Er macht ferner auch zutreffend geltend, derjenige, der - auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schafft bzw die Schaffung einer solchen zulässt, habe nach Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Verkehrssicherungspflicht dafür zu sorgen, dass daraus anderen kein Schaden entstehe, und deshalb die erforderlichen Vorkehrungen gegen eine Schädigung Dritter zu treffen (6 Ob 276/98a = MietSlg 51.193; 7 Ob 631/95). Der konkrete Inhalt von Verkehrssicherungspflichten und die Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt sind indes regelmäßig nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falls zu beurteilen (9 Ob 202/02z; 9 Ob 101/01w). Deshalb sind Entscheidungen über Verkehrssicherungspflichten - angesichts der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärten Grundsätze - nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlief, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (9 Ob 101/01w).

2. 2. Hier ist zunächst von Bedeutung, dass nicht die beklagte Partei die dem Kläger zum Verhängnis gewordene Gefahrenquelle schuf. Sie könnte daher für den Kletterunfall des Klägers - selbst ungeachtet der Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 - nur dann haftbar sein, wenn ihr als Grundeigentümerin - angesichts des Fehlens von Verbots- oder Warnschildern - vorzuwerfen wäre, sie habe die Bohrhaken in der Felswand, deren Anbringung sie geduldet hatte, nicht laufend auf deren Tragfähigkeit überprüft, um sie im Falle deren Lockerung wieder ausreichend zu sichern oder aber zu entfernen.

Nach den Feststellungen wird der Klettersport an der maßgebenden Felswand bereits seit vielen Jahren ausgeübt. Die beklagte Partei nutzt die Felswand nicht für eigene Zwecke und zieht aus der Hobbykletterei auch keinen Vorteil. Sie ist ferner auch nicht die Autorin jener Publikationen, die die Felswand als Wiener "Klettergarten" beschreiben. Es bestand daher - auch für den Kläger - kein Anhaltspunkt, die beklagte Partei könnte diesen - inmitten des Waldes gelegenen - "Klettergarten" als Grundeigentümerin betreiben und betreuen. Der Kläger durfte sich somit bei seiner Kletterei von vornherein nicht darauf verlassen, er seile sich an einer von der beklagten Partei gesicherten Kletterwand ab. Deren Gestalt und Zustand sowie die bestehenden Kletterrouten samt den vorhandenen Aufstiegs- bzw Abseilhilfen sind für jeden Kletterer erkennbar. Verfügt der Kletterer über keine verlässliche Kenntnis, dass er in einen durch einen bestimmten Betreiber gesicherten und betreuten "Klettergarten" einsteige, so darf er sich auf die Tragfähigkeit der vorhandenen Bohrhaken, ohne sie einer eigenen Festigkeitsprüfung zu unterziehen, nicht verlassen, darf er doch nicht erwarten, dass der Grundeigentümer, der nur nicht gegen den Gebrauch seines Eigentums durch allenfalls Unbefugte einschreitet, schon allein deshalb Sicherheitsvorkehrungen treffen müsse, um solche Personen vor Schaden zu bewahren, ohne dass ihn aus bestimmten, für jeden Kletterer naheliegenden und verlässlich erkennbaren Gründen eine Rechtspflicht träfe, vor den durch Dritte geschaffenen Gefahren entweder zu warnen oder diese laufend zu beseitigen.

Nach diesen Erwägungen wäre dem Berufungsgericht eine krasse, zur Klageabweisung führende Fehlbeurteilung der Umstände des Anlassfalls selbst dann nicht vorwerfbar, wenn seiner eingehend begründeten Auslegung, die maßgebende Felswand sei Teil des sie umgebenden Waldes, weshalb sie nach den Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 der freien, durch den Grundeigentümer nicht beschränkbaren Ausübung des Klettersports - selbst mittels Anbringung von Bohrhaken - diene, nicht beizutreten wäre.

3. Aus allen bisherigen Ausführungen folgt, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die außerordentliche Revision ist somit zurückzuweisen.3. Aus allen bisherigen Ausführungen folgt, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO abhängt. Die außerordentliche Revision ist somit zurückzuweisen.

Textnummer

E72148

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00300.03D.0210.000

Im RIS seit

11.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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