TE OGH 2004/2/10 1Ob292/03b

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Veröffentlicht am 10.02.2004
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea K*****, vertreten durch Hoffmann-Ostenhof Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei ***** Gebietskrankenkasse, ***** vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 4.133,85 sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. September 2003, GZ 4 R 110/03d-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 8. April 2003, GZ 31 Cg 19/02h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin hatte als Dienstgeberin geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer gemäß § 53a Abs 1 Z 2 ASVG idF der 55. ASVG-Novelle Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte zu zahlen. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde vom VfGH schließlich als verfassungswidrig aufgehoben; die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 7. März 2002. Um sich die Rückerstattung der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge im Wege des Art 140 Abs 7 B-VG und der hiezu ergangenen "Anlassfalljudikatur" des VfGH zu sichern, hatte die Klägerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Telefax vom 12. 2. 2002 die Rückzahlung beantragt.Die Klägerin hatte als Dienstgeberin geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer gemäß § 53a Abs 1 Z 2 ASVG in der Fassung der 55. ASVG-Novelle Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte zu zahlen. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde vom VfGH schließlich als verfassungswidrig aufgehoben; die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 7. März 2002. Um sich die Rückerstattung der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge im Wege des Art 140 Abs 7 B-VG und der hiezu ergangenen "Anlassfalljudikatur" des VfGH zu sichern, hatte die Klägerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Telefax vom 12. 2. 2002 die Rückzahlung beantragt.

Bei der beklagten Partei waren ab Mitte Jänner 2002 vermehrt, und zwar insgesamt etwa 200 Anträge auf Rückerstattung oder auf bescheidmäßige Absprache über die Entrichtung pauschalierter Dienstgeberbeiträge eingelangt. Bei der Beklagten war für die Bearbeitung dieser Anträge ein Verwaltungsjurist zuständig, der dies neben seiner sonstigen Tätigkeit fast zur Gänze allein erledigte. Grundsätzlich wurden bei der beklagten Partei Anträge in der Reihenfolge ihres Einlangens behandelt. Bei einigen Anträgen, die um den 25. 1. 2002 eingelangt waren, war im Sinne einer bevorzugten Erledigung laufend interveniert worden; diese Anträge wurden vom zuständigen Mitarbeiter etwa binnen zwei Wochen ohne nähere Prüfung der behaupteten Zahlungen erledigt. Auch für die Klägerin intervenierte ein Mitarbeiter ihres steuerlichen Vertreters am 15. 2. 2002 telefonisch, ersuchte um rasche Entscheidung und legte dabei dar, dass der Antrag ohnehin abgewiesen werden müsse. Von dieser Intervention wurde der Bearbeiter jedoch nicht informiert. Der Antrag der Klägerin wurde auch nicht bevorzugt behandelt, sondern erst durch Erlassung eines Bescheids am 10. 5. 2002 erledigt. Die Klägerin hätte - in Anbetracht des notwendigen Instanzenzugs - realistischerweise nur dann eine Chance gehabt, in den Genuss der "Anlassfalljudikatur" - und damit einer Beitragsrückerstattung - zu gelangen, wenn die beklagte Partei den erstinstanzlichen Bescheid spätestens am 27. 2. 2002 erlassen hätte.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten aus dem Grunde der Amtshaftung den Ersatz des ihr entstandenen Schadens in Höhe des Klagebetrags. Die beklagte Partei sei mit der Bescheiderlassung schuldhaft säumig gewesen. Der Aufwand für die Erlassung des Bescheids hätte nur etwa 10 Minuten betragen, weil die Beklagte aufgrund der Gesetzeslage ohnehin nur einen abweisenden Bescheid hätte erlassen können.

Die beklagte Partei wendete dagegen im Wesentlichen ein, eine schuldhafte Säumnis liege nicht vor. Die gesetzliche Höchstfrist des § 410 Abs 2 ASVG von sechs Monaten für die Erlassung eines Bescheids sei ohnedies um die Hälfte unterschritten worden. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung, besondere Wünsche des Antragstellers auf beschleunigte Erledigung zu erfüllen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden wäre nur dann vermeidbar gewesen, wenn die beklagte Partei innerhalb von 14 Tagen entschieden hätte. In der Nichterlassung des Bescheids in diesem Zeitraum könne kein grundloses Zuwarten erblickt werden, weil dies angesichts des laufenden Arbeitsanfalls eine Überspannung der Sorgfaltspflicht wäre. Die Klägerin hätte den Antrag überdies schon früher stellen können, nachdem ihrem steuerlichen Vertreter die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit des § 53a ASVG schon längere Zeit bekannt gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Eine Verpflichtung der beklagten Partei, den aussichtslosen Antrag der Klägerin in einem Zeitraum von längstens zwei Wochen mit Bescheid abzuweisen, habe nicht bestanden. Ein derartiges Verlangen stellte eine Überspannung der Sorgfaltspflicht dar. Selbst die Abweisung eines schon auf den ersten Blick als aussichtslos erkennbaren Antrags erfordere einen gewissen Begründungs- und Schreibaufwand. Im vorliegenden Fall sei die Ermittlung der vollständigen Entscheidungsgrundlagen durch Überprüfung der tatsächlich geleisteten Zahlungen zwar nicht unbedingt notwendig, aber doch sinnvoll gewesen. Es liege auch kein Organisationsverschulden vor. Es sei keine vordringliche Aufgabe einer Behörde, aussichtslose Anträge abzuweisen, sodass in Zeiten des im öffentlichen Dienst vorherrschenden Spargedankens eine Personalaufstockung in der betreffenden Abteilung nicht zu fordern gewesen wäre. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu einem hinreichend vergleichbaren Sachverhalt nicht aufzufinden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, die Zulässigkeit der ordentlichen Revision sei mangels Maßgeblichkeit einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu verneinen. Innerhalb welcher Frist eine Behörde über einen bestimmten Antrag zu entscheiden hat, ist regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (idS auch VwGH 2313/63), sodass sich insoweit grundsätzliche Rechtsfragen nicht stellen. Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

Wie die Revisionswerberin richtig darstellt, ist gemäß § 410 Abs 2 ASVG über einen Antrag "ohne unnötigen Aufschub", spätestens aber sechs Monate nach Einlangen des Antrags, der Bescheid zu erlassen. Von dieser Bestimmung ist das Berufungsgericht auch erkennbar ausgegangen und hat die Auffassung vertreten, das Verlangen nach einer Entscheidung innerhalb von 14 Tagen wäre unter den gegebenen Umständen als Überspannung der Entscheidungspflicht (in zeitlicher Hinsicht) anzusehen. Warum die Auffassung des Berufungsgerichts, auch die Abweisung eines aussichtslosen Bescheids erfordere einen gewissen Schreib- und Begründungsaufwand, unrichtig sein sollte, vermag die Revisionswerberin nicht zu erklären. Sie übersieht dabei offenbar auch, dass nicht nur vor Erlassung eines Bescheids jeder einzelne der zahlreich eingelangten Anträge gelesen werden musste, sondern auch die Ausfertigung des Bescheids einen gewissen Zeitaufwand in Anspruch nimmt.

Der Umstand, dass einzelne Anträge anderer Antragsteller früher erledigt wurden, vermag Rechtswidrigkeit nicht zu begründen, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern diese anderen Antragsteller einen Rechtsanspruch auf eine derartige bevorzugte Behandlung gehabt haben sollten (vgl VwGH 93/07/0089). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen lag der Fall der Klägerin eben insoweit anders, als der zuständige Bearbeiter der beklagten Partei von ihrem Wunsch, den Antrag möglichst rasch zu behandeln, nicht informiert wurde. Selbst wenn für die Behörde erkennbar ist, dass dem einzelnen Antragsteller wegen eines anhängigen Verfahrens vor dem VfGH an einer besonders raschen Erledigung der Sache gelegen ist, kann die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, auch dann bestehe keine Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb von 14 Tagen über alle gleichgelagerten Anträge, nicht als bedenklich angesehen werden. Dies gilt auch für die Ansicht, die Behörde sei in vergleichbaren Fällen nicht verpflichtet, die für die Bearbeitung dieser Anträge zuständige Abteilung personell aufzustocken bzw den dort eingesetzten Mitarbeiter von anderen Agenden zu entlasten.Der Umstand, dass einzelne Anträge anderer Antragsteller früher erledigt wurden, vermag Rechtswidrigkeit nicht zu begründen, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern diese anderen Antragsteller einen Rechtsanspruch auf eine derartige bevorzugte Behandlung gehabt haben sollten vergleiche VwGH 93/07/0089). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen lag der Fall der Klägerin eben insoweit anders, als der zuständige Bearbeiter der beklagten Partei von ihrem Wunsch, den Antrag möglichst rasch zu behandeln, nicht informiert wurde. Selbst wenn für die Behörde erkennbar ist, dass dem einzelnen Antragsteller wegen eines anhängigen Verfahrens vor dem VfGH an einer besonders raschen Erledigung der Sache gelegen ist, kann die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, auch dann bestehe keine Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb von 14 Tagen über alle gleichgelagerten Anträge, nicht als bedenklich angesehen werden. Dies gilt auch für die Ansicht, die Behörde sei in vergleichbaren Fällen nicht verpflichtet, die für die Bearbeitung dieser Anträge zuständige Abteilung personell aufzustocken bzw den dort eingesetzten Mitarbeiter von anderen Agenden zu entlasten.

Die Behauptung der Revisionswerberin, die Erledigung ihres Antrags sei bewusst verschleppt worden, ist durch die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen in keiner Weise gedeckt. Sie behauptet auch nicht etwa, dass der beklagten Partei bekannt gewesen sei, ab welchem Erledigungszeitpunkt die betroffenen Antragsteller keine Möglichkeit mehr haben würden, rechtzeitig den VfGH anzurufen, um in den Genuss der "Anlassfallwirkung" zu kommen. Der weitere Vorwurf, die beklagte Partei habe den Antrag "einfach nicht bearbeitet", widerspricht eindeutig dem festgestellten Sachverhalt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E72327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00292.03B.0210.000

Im RIS seit

11.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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