Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef S*****, 2. Martha S*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Alois B*****, vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Friedl KEG in Gamlitz, wegen Feststellung, Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert EUR 6.000) infolge ordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2003, GZ 7 R 120/03y-14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Stainz vom 31. Juli 2003, GZ 1 C 623/02d-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 549,32 (darin EUR 91,55 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Nachdem ein über eine landwirtschaftlich genutzte Liegenschaft der Kläger führender "Wiesenweg", an dem der Beklagte eine Wegeservitut zugunsten einer in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft beansprucht hatte, von dem die Grundstücke bewirtschaftenden Pächter der Kläger durch Umackern zerstört worden war, begründeten die Streitteile in einem vor dem Erstgericht am 9. 1. 2002 geschlossenen Vergleich eine neue Wegedienstbarkeit in einer im Einzelnen konkretisierten Ausgestaltung. Vereinbart wurde, dass zugunsten des nunmehrigen Beklagten und dessen Rechtsnachfolgern im Eigentum bestimmter Grundstücke das dingliche Recht eingeräumt werde, auf dem in einem Lageplan eingezeichneten Weg in einer Breite von 3 m über bestimmte Grundstücke der nunmehrigen Kläger zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren. Im Zusammenhang damit wurde im Vergleich ausdrücklich festgehalten, dass "der Weg als Wiesenweg mit zwei Fahrstreifen und einem mittigen Wiesenstreifen ausgebildet war" und vom nunmehrigen Erstkläger bis spätestens 15. 5. 2002 als solcher wieder auszubilden sein werde.
Vor dem Vergleichsabschluss war der Weg, der mehrfach verlegt worden war, immer ein nicht eigens befestigter "Wiesenweg" gewesen. Nachdem der Pächter des Grundstücks im April 2002 die Fläche geeggt hatte, befuhr der Erstkläger zur Herstellung und Verdichtung der Fahrstreifen den (herzustellenden) Weg mit seinem 5,3 t schweren Traktor und säte dann mehrmals Gras aus. Der Weg war im Mai 2002 in dieser Form ausgebildet; der Pächter konnte ihn Mitte Mai 2002 mit einem PKW mit beladenem Anhänger befahren. Die ersten 6 m des Wegs, ausgehend von der Gemeindestraße, hatte der Erstkläger im Mai 2002 mit Schotter aufgeschüttet, weil dort ein Gefälle zum angrenzenden Feld bestand und man ansonsten mit einem PKW in diesem Bereich vermutlich "aufgesessen" wäre.
Da der Beklagte mit dem vom Erstkläger hergestellten Zustand des Wegs nicht zufrieden war, erwirkte er im Exekutionsweg die Ermächtigung, gegen den Erstkläger den im gerichtlichen Vergleich beschriebenen Weg (Wiesenweg mit zwei Fahrstreifen und einem mittigen Wiesenstreifen in einer Gesamtbreite von 3 m) auf Kosten des Erstklägers durch ein Erdbauunternehmen herstellen zu lassen. Nach Zustellung der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts veranlasste der Beklagte am 31. 10. 2002 die Einschotterung der beiden Fahrstreifen des Wegs in einer Länge von ca 150 m. Anschließend an diesen Bereich verläuft der Weg als "Wiesenweg" von etwa 3 m Breite, wobei die Fahrspuren ersichtlich, aber nicht geschottert sind, sondern sich lediglich als verdichtet bzw verfestigt darstellen, und in der Mitte ein sich von diesem Fahrstreifen deutlich abhebender Wiesenstreifen zu sehen ist.
Die Kläger begehrten nun die Feststellung, dass der Beklagte durch Einschottern der Fahrstreifen die ihm zustehende Dienstbarkeit, über diesen Weg zu gehen und zu fahren, unzulässig erweitert habe; darüber hinaus sei der Beklagte schuldig zu erkennen, in Hinkunft Änderungen der Befestigungsart der Fahrstreifen des Wiesenwegs durch Einschottern zu unterlassen sowie den ursprünglichen Zustand durch Entfernung des Schotters wiederherzustellen. Sie brachten dazu im Wesentlichen vor, der Wiesenweg sei im Sinne des gerichtlichen Vergleichs ausgebildet worden. Das Einschottern der Fahrstreifen sei vereinbarungswidrig erfolgt. Der hergestellte Weg sei als Wiesenweg mit PKW befahrbar gewesen; die eingeschränkte Benutzbarkeit im Falle längerdauernder Regenfälle ergebe sich schon aus der Natur eines Wiesenwegs. Durch das Einschottern hätte der Beklagte die ihm eingeräumte Dienstbarkeit unzulässig erweitert.
Der Beklagte wendete dagegen im Wesentlichen ein, er habe eine Befestigung der Fahrstreifen nur in einem solchen Ausmaß vornehmen lassen, dass das Befahren mit einem PKW möglich sei. Es sei keine Grundierung erfolgt. Die beiden Fahrstreifen seien nur in jener Form befestigt worden, wie das bei einem Wiesenweg üblich sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bedürfe keiner weiteren Begründung, dass ein Wiesenweg gerade nicht ein eingeschotterter (oder asphaltierter oder betonierter oder sonst mit einer Oberfläche versehener) Weg sei. Ebenso offenkundig sei, dass es angesichts der ausdrücklichen Vereinbarung der klare Wille der Vergleichschließenden gewesen sei, gerade einen solchen - und nicht einen mit einer anderen Oberfläche versehenen - Weg entstehen zu lassen. Für den Beklagten wäre nicht einmal dann etwas gewonnen, hätte sich herausgestellt, dass der Weg vor der Schotterung zum Befahren nicht getaugt hätte, finde doch die grundsätzlich vereinbarte Bestimmung des Weges zum Gehen und Fahren mit Fahrzeugen aller Art dort ihre Grenzen, wo sich diese aus der Natur der ausdrücklich vereinbarten Art der Ausgestaltung des Wegs ergäben. Dass der Erstkläger selbst eine Aufschüttung im Bereich der ersten 6 m des Wegs vorgenommen habe, sei insofern unerheblich, als die vertragliche Bestimmung der Ausgestaltung des Wegs jedenfalls die Grenze dessen darstelle, was der Beklagte im Sinne des Grundsatzes der schonenden Ausübung von Servituten fordern könne; es sei den Klägern aber nicht verboten, den Weg in einer Weise zu gestalten, die den Bedürfnissen des Wegeberechtigten weiter entgegenkomme als die im Vergleich vorgesehene Ausgestaltung des Wegs.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision letztlich zu. Ausgehend davon, dass zum Zeitpunkt des Vergleichs in der Natur kein Weg vorhanden gewesen sei, sondern nur ein ungepflügter Acker, stelle sich primär die Frage, ob das Einschottern des Wegs im abgeschlossenen Vertrag Deckung findet, nicht aber jene, inwieweit eine Änderung der Befestigung des Wegs durch das Einschottern erfolgt sei. Soweit der gerichtliche Vergleich als Vertrag anzusehen sei, kämen die Regeln für die Auslegung von Verträgen zur Anwendung. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass die Kläger dem Beklagten zur Beilegung eines nachbarrechtlichen Streits das Recht des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art (somit die umfassendste Wegeservitut) über ihre Grundstücke eingeräumt haben; der Erstkläger habe sich weiters verpflichtet, einen Wiesenweg mit zwei Fahrstreifen und einem mittigen Wiesenstreifen herzustellen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei der Vertragstext nicht so deutlich, dass kein Raum für eine Vertragsauslegung übrig bleibe. Gerade im Hinblick darauf, dass dem Beklagten die umfassendste Wegeservitut eingeräumt wurde, komme dem Ausdruck "Wiesenweg" besondere Bedeutung zu. Dass die Fahrspur selbst in keiner Weise befestigt werden dürfe, lasse sich aus diesem allgemein gehaltenen Begriff nicht schließen. Sei dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt worden, über die Grundstücke des Klägers mit Fahrzeugen "aller Art" (somit auch mit Schwer-LKW) zuzufahren, so sei davon auszugehen, dass bei einem neu zu errichtenden Wiesenweg eine Beschotterung der Fahrspuren (stillschweigend) der Vereinbarung zugrunde gelegt worden sei, was notwendig sei, um den Vertragszweck nicht zu vereiteln. Es liege in der Natur der Sache, dass das Befahren eines gerade eingeebneten Ackers mit Fahrzeugen aller Art ohne jegliche Befestigung der Fahrspuren auch bei trockenem Wetter nur in ganz eingeschränktem Ausmaß möglich sei. Durch den Vergleich sei dem Beklagten eine ungemessene Servitut eingeräumt worden, wobei der Grundsatz, dass derartige Dienstbarkeiten auf den Zweck ihrer Bestellung einzuschränken sind, bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigen sei. Da zum Zeitpunkt des Vergleichs nur ein ungepflügter Acker vorhanden war, gehe es nicht um die Frage, inwieweit eine Änderung der Befestigung des Wegs durch das Einschottern erfolgt ist, sondern darum, welche Maßnahmen überhaupt notwendig waren, um in der Natur einen "Wiesenweg" mit zwei Fahrspuren so herzustellen, dass zumindest bei trockenem Wetter das Befahren mit Fahrzeugen aller Art möglich ist. Auch wenn festgestellt wurde, dass der Weg bereits mit einem PKW befahren wurde, habe beiden Parteien im Hinblick auf den Zustand des Bodens bei Vergleichsabschluss klar sein müssen, dass ein Befahren mit Fahrzeugen aller Art - zumindest bei trockenem Wetter - in einer Weise möglich sein müsse, dass dadurch der erst herzustellende Weg nicht gleich wieder zerstört wird. In diesem Sinne habe der Oberste Gerichtshof auch die Beschotterung eines bereits vorhandenen Servitutswegs gebilligt, soweit die Beschotterung erforderlich war, um den Weg mit dem Betrieb der Landwirtschaft dienenden Fahrzeugen befahren zu können. Eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks durch die vom Beklagten einmalig vorgenommene Beschotterung der Fahrspuren könne vom Berufungsgericht nicht erkannt werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es durchaus denkbar sei, dass das Aufbringen von Schotter einem Weg den Charakter eines Wiesenwegs nehme, selbst wenn diese Maßnahme bei der Herstellung des Wegs vorgenommen werde; das Berufungsgericht habe sich zwar an der in EvBl 1968/230 publizierten Entscheidung orientiert, es käme jedoch auch in Betracht, jegliche Beschotterung eines als Wiesenweg auszubildenden Fahrwegs als unzulässig zu betrachten.
Die Revision der Kläger erweist sich mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig, worauf der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend verweist.
Rechtliche Beurteilung
Ganz zu Recht hat das Berufungsgericht die Frage der Auslegung des Vergleichs, in dem die Verpflichtung des Erstklägers zur Errichtung des "Wiesenwegs" vereinbart und dem Beklagten eine Wegeservitut im Bereich des zu errichtenden Wegs eingeräumt wurde, als entscheidend angesehen. Es entspricht nun ganz herrschender Judikatur, dass Fragen der Vertragsauslegung regelmäßig keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt, sofern keine krasse Abweichung von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung vorliegt (RZ 1994/45; Arb 11.603; MietSlg 50.093, 51.116 uva). Eine solche Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung vor allem berücksichtigt, dass der vom Erstkläger herzustellende Weg nach dem insoweit eindeutigen Vergleichswortlaut den Ersatz eines früher vorhandenen "Wiesenwegs" darstellen sollte, der durch ein der Sphäre der klagenden Parteien zuzuordnendes Ereignis zerstört (umgepflügt) worden war. Ebenso hat das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben, dass die Fahrstreifen eines bereits längere Zeit bestehenden "Wiesenwegs" aufgrund der laufenden Benützung typischerweise eine erheblich größere Festigkeit und Verdichtung aufweisen als eine vorher gepflügte Bodenfläche, mag sie auch von einem schweren Traktor einige Male befahren worden sein. Wenn daraus der Schluss gezogen wurde, die vom Erstkläger hergestellten Fahrspuren stellten nicht jenen Zustand dar, der dem Beklagten vertraglich geschuldet war, so kann darin eine bedenkliche Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. War der Erstkläger nun aber nach Auffassung des Berufungsgerichts gehalten, für eine stärkere Verfestigung der Fahrspuren des herzustellenden "Wiesenwegs" zu sorgen (vgl dazu auch EvBl 1968/230, 1 Ob 829/82 ua), so kann dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, in unzulässiger Weise in die Rechte der klagenden Parteien eingegriffen zu haben, wenn er selbst für eine ausreichende Festigkeit der Fahrspuren gesorgt hat. Dass dies vernünftigerweise auf andere Art als durch das Aufbringen von Schotter möglich gewesen wäre, behaupten die klagenden Parteien gar nicht.Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung vor allem berücksichtigt, dass der vom Erstkläger herzustellende Weg nach dem insoweit eindeutigen Vergleichswortlaut den Ersatz eines früher vorhandenen "Wiesenwegs" darstellen sollte, der durch ein der Sphäre der klagenden Parteien zuzuordnendes Ereignis zerstört (umgepflügt) worden war. Ebenso hat das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben, dass die Fahrstreifen eines bereits längere Zeit bestehenden "Wiesenwegs" aufgrund der laufenden Benützung typischerweise eine erheblich größere Festigkeit und Verdichtung aufweisen als eine vorher gepflügte Bodenfläche, mag sie auch von einem schweren Traktor einige Male befahren worden sein. Wenn daraus der Schluss gezogen wurde, die vom Erstkläger hergestellten Fahrspuren stellten nicht jenen Zustand dar, der dem Beklagten vertraglich geschuldet war, so kann darin eine bedenkliche Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. War der Erstkläger nun aber nach Auffassung des Berufungsgerichts gehalten, für eine stärkere Verfestigung der Fahrspuren des herzustellenden "Wiesenwegs" zu sorgen vergleiche dazu auch EvBl 1968/230, 1 Ob 829/82 ua), so kann dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, in unzulässiger Weise in die Rechte der klagenden Parteien eingegriffen zu haben, wenn er selbst für eine ausreichende Festigkeit der Fahrspuren gesorgt hat. Dass dies vernünftigerweise auf andere Art als durch das Aufbringen von Schotter möglich gewesen wäre, behaupten die klagenden Parteien gar nicht.
Hat nun aber der Beklagte nur jene Maßnahmen zur Herstellung des vorgesehenen Wegs getroffen, zu denen sich der Erstkläger verpflichtet hatte - und zu denen auch die Zweitklägerin durch Einräumung der Servitut ihr Einverständnis erklärt hatte -, so kann dem Beklagten weder eine unzulässige "Erweiterung" der Dienstbarkeit noch sonst ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum der Kläger vorgeworfen werden. Damit erübrigen sich auch Erörterungen zur Frage eines - über das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren hinausgehenden - Feststellungsinteresses der Kläger.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1, 46 Abs 2 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt.
Textnummer
E72357European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00015.04V.0210.000Im RIS seit
11.03.2004Zuletzt aktualisiert am
12.01.2011