TE OGH 2004/2/12 2Ob7/04z

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Veröffentlicht am 12.02.2004
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf Z*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Elisabeth Messner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 70.568,21 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2003, GZ 16 R 86/03i-10, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Jänner 2003, GZ 12 Cg 137/02h-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 10. 12. 1977 kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten haftpflichtversicherten PKW und einem vom Kläger gelenkten Moped. Der 1961 geborene Kläger war zum Unfallszeitpunkt noch minderjährig. Er war damals als Kellnerlehrling beschäftigt. Über Auftrag der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattete ein Facharzt für Orthopädie am 14. 6. 1978 ein Gutachten über die beim Kläger eingetretenen Unfallsfolgen. Darin hielt er unter anderem fest, dass sich der Kläger neben einer leichteren Gehirnerschütterung und mehrfachen Hautabschürfungen eine Oberschenkelfraktur rechts zugezogen habe. Die klinische Untersuchung habe nach der Gehirnerschütterung wie auch nach den Abschürfungen und mehrfachen Prellungen keine Verletzungsfolgen gezeigt. Nach der Oberschenkelfraktur bestehe eine endlagige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes von etwa 10 Grad in der Beugung, sowie die endlagige Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes ebenfalls in der Beugung. Dauerfolgen seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Zukunft nicht zu erwarten. Die minimale Muskelathrophie wie auch die Bewegungseinschränkung würden sich nach der noch erfolgenden operativen Marknagelentfernung weitgehend normalisieren.

Auf Basis dieses Gutachtens schlossen der mj Kläger (durch seine Mutter vertreten) und die Rechtsvorgängerin der Beklagten 1978 einen Abfindungsvergleich, der nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde. Inhalt dieses Abfindungsvergleiches war, dass auch damals noch nicht vorhersehbare Schäden einbezogen wurden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bezahlte für Schmerzengeld, Schäden am Moped und Sonstiges ca S 70.000,-- bis S 80.000,-- an den Kläger. Dieser Geldbetrag ist ihm zugekommen. Nach Eintritt seiner Volljährigkeit am 3. 9. 1980 behielt er sich diesen Betrag. Für ihn war die Angelegenheit damit zunächst abgeschlossen. Ende 1978 war dem Kläger der Marknagel in seinem rechten Bein operativ entfernt worden, danach hatte er keine gesundheitlichen Probleme mehr.

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre tauchten beim Kläger wiederum gesundheitliche Probleme auf. Er klagte über leichte Belastungsschmerzen im Bereich der Wirbelsäule und seines rechten Beines und begab sich in ärztliche Behandlung. Ein Orthopäde teilte dem Kläger Anfang 1990 mit, dass er eine Beinverkürzung habe, die wahrscheinlich vom Unfall herstamme. Ein Radiologe hielt in einem Schreiben vom 27. 9. 1991 gegenüber dem Kläger fest, dass bei ihm eine knöchern konsolidierte Femurschaftfraktur rechts mit Verkürzung (der linke Femurkopf ist 2 cm höher als der rechte stehend) vorliege. Weiters gab der Radiologe dem Kläger bekannt, dass keine Arthrosezeichen der Hüftgelenke vorliegen. Ein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chriurgie hielt in seinem Befund vom 31. 8. 1991 gegenüber dem Kläger fest, dass bei ihm ein Beckenschiefstand und eine ausgeprägte Fehlfunktion der unteren Wirbelsäule selbst bei exaktem Höhenausgleich vorliege. Im Bereich der Wirbelsäule hatte der Kläger Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre belastungsmäßige Probleme. Ihm bereitete sehr langes Stehen und sehr langes Gehen Schmerzen an der Wirbelsäule.

1991 strengte der Kläger gegen die AUVA zu 13 Cgs 114/91 des ASG Wien ein Verfahren wegen Gewährung einer Versehrtenrente an. In der Klage hielt er fest, dass vor etwa einem Jahr bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt wurde, dass Spätfolgen des Verkehrsunfalles vom 10. 12. 1977 aufgetreten seien. Ein Facharzt für Unfallchirurgie führte in seinen im Verfahren erstellten unfallchirurgischen Sachverständigengutachten vom 18. 12. 1991, 27. 1. 1992 und 20. 5. 1992 aus, dass sich am rechten Oberschenkel des Klägers in Schaftmitte eine knöcherne Auftreibung des Schaftes, entsprechend einer kallös überbrückten Fraktur ohne Achsenfehlstellung befindet. Die Beckenübersicht des Klägers im Stehen zeigt einen deutlichen Beckenschiefstand, links höher als rechts. Dementsprechend findet sich in der Lendenwirbelsäule eine rechtskonvexe Skoliose, welche im Gehen ohne Längenausgleich vermehrt scheint (15 Grad). Nach Osteosynthese resultiert beim Kläger eine Beinverkürzung rechts von über 2 cm, welche einen Längenausgleich erfordert. Es liegt ein kompensatorischer Haltungsschaden der Lendenwirbelsäule vor, welcher durch Beinlängenausgleich kompensiert werden soll.

Auf der Basis dieses Gutachtens wurde dem Kläger mit Urteil des ASG Wien vom 20. 5. 1992, bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. 5. 1993, 34 Rs 7/93, aus Anlass des Verkehrsunfalles vom 10. 12. 1977 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente als Dauerrente seit dem 1. 9. 1990 gegenüber der AUVA zuerkannt.

Der Kläger erhielt 1991 einen Schuhausgleich (Absatz von 2 cm) am rechten Bein. Nach einigen Monaten besserten sich seine Leidenszustände. Die Schmerzzustände wurden langsam besser. Von 1994 bis Ende 1999 war der Kläger "nicht ganz schmerzfrei, aber doch". Er hatte in diesem Zeitraum gelegentliche Rückenbeschwerden.

Mit seiner am 20. 11. 2002 bei Gericht eingelangten Klage begehrte der Kläger insgesamt EUR 70.568,21 samt Anhang an Schmerzengeld, Verdienstentgang und Heilungskosten ab dem Jahr 2000; er erhob auch ein Feststellungsbegehren, wonach die Beklagte für alle Gesundheitsschäden und die Abgeltung aller finanziellen Schäden auf Grund des Unfalls vom 10. 12. 1977 limitiert mit der vertraglichen Deckungssumme hafte.

Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall habe die Lenkerin des bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten haftpflichtversicherten PKW getroffen. Der Abfindungsvergleich, aus welchem die Haftpflichtversicherung sämtliche Leistungen erbracht habe, sei auf Grund des von dieser eingeholten orthopädischen Gutachtens geschlossen worden. In der Folge habe sich der Kläger um den Polizeidienst beworben und sei jeweils nach ärztlichen Untersuchungen, aufgenommen, ausgebildet und pragmatisiert worden. Erst ab Herbst 2000 habe er dann starke Schmerzen verspürt, weswegen er 2000 cirka 85 Tage, 2001 92 Tage und bis einschließlich Juni 2002 48 Tage im Krankenstand gewesen sei. Ursache dieser Schmerzzustände seien Beschwerden in der Wirbelsäule im Bereich der Lendenwirbelsäule gewesen, die in das rechte Bein ausgestrahlt haben. Es seien ein Beckenschiefstand und eine Wirbelsäulenrechtsneigung festgestellt worden. Am 17. 11. 2000 seien von Amts wegen ein polizeiärztlicher Befund und ein Gutachten für den Exekutivdienst erstellt worden. Hiebei sei auch festgestellt worden, dass eine Beinverkürzung rechts von 2 cm erfolgt sei. Es sei eine nunmehr eingeschränkte Diensttauglichkeit, beschränkt auf den Innendienst, festgestellt worden. Durch die Einschränkung auf Innendienstfähigkeit und den Verlust der vollen Exekutivtauglichkeit habe der Kläger bis einschließlich 30. 6. 2002 an Verdienstentgang EUR 12.064,71 erlitten. Der Eintritt weiterer Verschlechterungen in finanzieller Hinsicht sei zu befürchten, bei Verlust von Überstunden und Zulagen durch Versetzung in den Tagdienst und Entzug der Gefahrenzulage und Wachdienstzulage. Bei dauernder Exekutivdienstuntauglichkeit bestehe die Gefahr der Pensionierung. Es sei daher auch das Feststellungsbegehren gerechtfertigt. Verjährung der Ansprüche sei nicht eingetreten, weil dem Kläger erst seit dem Jahr 2000 bewusst geworden und bekannt gegeben worden sei, dass sich sein gesundheitlicher Zustand wesentlich verschlimmert habe.

Die Beklagte wendete ein zumindest 50 %iges Mitverschulden ein und erhob weiters die Einwendungen der verglichenen Rechtssache, des Verzichtes auf weitere Ansprüche und der Verjährung. Die Unfallfolgen seien dem Kläger bereits in dem von ihm angestrengten Verfahren 15 Cgs 114/91 bekannt geworden. Auch die Höhe des Anspruches wurde bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Es ging hiebei von folgenden weiteren, über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehenden Feststellungen aus:

Ab ca Mitte Dezember 1999 verstärkten sich die Schmerzen des Klägers wieder. Diese Schmerzen waren im Bereich des rechten Beines ein Ziehen von oben nach unten bis zu den Zehenspitzen und auch ein Schweregefühl. Auch die Wirbelsäulenschmerzen wurden größer. Zwischen September und Dezember 2000 begannen beim Kläger Depressionen, die einerseits aus den chronischen Schmerzen und andererseits aus den dienstlichen Sorgen des Klägers resultierten. Die letzten Medikamente gegen diese Depressionen nahm der Kläger Ende 2001. Seit Mitte Dezember 1999 stellte sich beim Kläger ein verstärkter Bewegungsschmerz und verstärkter Ruhe- und Nachtschmerz ein. In den Jahren 2000 bis April 2002 wurden von der Polizeidirektion Wien mehrere polizeichefärztliche Befunde und Gutachten erstellt. In diesen wird festgehalten, dass auf Grund der Oberschenkelfraktur rechts aus dem Jahr 1977 eine Beinverkürzung von ca 2 cm resultiert. Aus der Beinlängendifferenz resultiert eine Verdrehung der Brust- und Lendenwirbelsäule. Dem Kläger wird die Dienstfähigkeit mit folgenden Einschränkungen attestiert: Laufen; Überwinden von Hindernissen; Anwendung von Körperkraft; Fußstreifentätigkeiten, welche längeres Stehen und Gehen erfordern; Ordnungsdienst und Anwendung von Körperkraft bei Veranstaltungen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte im Wesentlichen folgendes aus:

Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass für nicht vorhersehbare neue schädigende Wirkungen eines Schadensfalles die Verjährungsfrist vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme an zu laufen beginne. Es werde nicht in Frage gestellt, dass der Eintritt der Beinverkürzung und die daraus resultierende Wirbelsäulenproblematik einen für den Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleiches unvorhersehbaren Nachteil darstelle und die Verjährung somit nicht mit dem Eintritt des Primärschadens (Körperverletzung am Unfallstag) beginnen konnte. Die Verjährungsfrist beginne vielmehr mit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der zunächst nicht vorhergesehenen neuen schädigenden Wirkungen der 1977 erlittenen Verletzung.

Die positive Kenntnis der weiteren Schadensfolgen habe allerdings spätestens 1992 mit dem Vorliegen der unfallchirurgischen Gutachten vorgelegen. Immerhin sei der Kläger schon bei Klagserhebung vor dem ASG Wien davon ausgegangen, dass bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt worden sei, es seien Spätfolgen des Unfalles aufgetreten, sodass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit und eine teilweise Invalidität vorliege. Die Art der Spätfolgen sei durch das im Verfahren eingeholte Gutachten explizit dargestellt worden und habe zur Zuerkennung einer Versehrtenrente als Dauerrente geführt. Die vom Kläger erlittenen Schmerzzustände seien Gegenstand des Verfahrens gewesen. Es sei daher zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung vorhersehbar gewesen, dass es zu weiteren Schmerzzuständen, zu Krankenständen und zu allfälligem Verdienstentgang kommen könnte, zumal auch für Laien evident sei, dass aus Fehlstellungen der Wirbelsäule mit fortschreitendem Alter zunehmende Beschwerden resultieren könnten. Dass dem Kläger ein drohender Verdienstentgang bewusst gewesen sei, habe dazu geführt, dass er eine Versehrtenrente geltend gemacht habe, zumal diese ja dem Ausgleich des durch die Schadenszufügung verminderten oder nur erschwert erzielbaren Erwerbseinkommens diene und somit den gleichen Zweck habe, wie der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang (sachliche Kongruenz von Versehrtenrente und Verdienstentgangsanspruch). Unerheblich sei, ob der Kläger seine Ansprüche im Zeitraum 1992 bis 1995 der Höhe nach hätte beziffern können. Bei vorhersehbaren Teilfolgeschäden sei nach ständiger Rechtsprechung der drohenden Verjährung mit einer Feststellungsklage zu begegnen. Das gelte auch, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern könne, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt seien bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten seien. Die Berücksichtigung leitender, insbesondere der Prozessökonomie dienender Zwecke des Verjährungsrechtes verbiete es, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen.

In Anbetracht dieser Judikatur sei das Argument der Berufung, dass eine Klagsführung vor Dezember 1999 mangels neuen klagbaren Anspruches keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe, zumal bis dahin weder Schmerzengeldansprüche noch Verdienstentgangsansprüche von außergewöhnlichem Umfang der Höhe nach entstanden seien, nicht geeignet, die Rechtsansicht zu widerlegen, dass eine Feststellungsklage zur Abwendung der Verjährung zu erheben gewesen wäre. Insoferne bestehe nämlich (auch unter Einbeziehung des noch 1977 geschlossenen Abfindungsvergleiches) nach Eintritt der Kenntnis der weiteren schädigenden Wirkungen des früheren Schadensfalles kein Grund, die Sache anders zu behandeln, als sonst im Falle vorhersehbarer Folgeschäden. In Anbetracht der gutachterlichen Grundlagen (hinsichtlich des Abfindungsvergleiches einerseits und der Zuerkennung der Versehrtenrente andererseits) sei nämlich schon 1991 evident gewesen, dass ein krasses Missverhältnis zwischen den dem Abfindungsvergleich zugrunde gelegten Folgen und den dann 1992 als eingetreten diagnostizierten Folgen gegeben gewesen sei. Das Gutachten aus den 70-er Jahren habe einen folgenlosen Ausheilungszustand zugrundegelegt, während sich im ASG-Verfahren dokumentiert habe, dass bleibende Schäden derart eingetreten gewesen seien, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers vorgelegen habe.

Darauf, wann dann tatsächlich ein krasses Missverhältnis zwischen der Vergleichssumme und der Höhe nach bezifferter Ansprüche aus Verdienstentgang und Schmerzengeld eingetreten sei, könne es hingegen nicht ankommen, zumal eine geringe Vergleichssumme auch darauf zurückzuführen sein könne, dass der Geschädigte hinsichtlich der ihm bekannten Schadensfolgen ein wirtschaftlich schlechtes Verhandlungsergebnis erzielt habe. Dies könne im Rahmen der nachträglichen Bemessung des Ersatzes zunächst nicht vorhersehbarer Teilfolgeschäden nicht korrigiert werden. Die nachträgliche Geltendmachung könne nur jene Folgen umfassen, die nicht bereits Gegenstand der geschlossenen Vereinbarung gewesen seien. Entscheidend könne daher nicht das krasse Missverhältnis der Ersatzbeträge sein, sondern das krasse Missverhältnis zwischen den zugrunde gelegten Schadensfolgen und den dann unvorhersehbar tatsächlich eingetretenen.

Auch wenn die Rechtsprechung die Wirksamkeit von Abfindungsvergleichen bejaht habe, die ausdrücklich auch die bei Vergleichsabschluss noch nicht vorhersehbaren Unfallsfolgen einbezogen hätten, und die Zulässigkeit des Verzichtes erst damit begründet worden sei, dass der Geschädigte auf ihm zustehende Schadenersatzansprüche auch zur Gänze verzichten könne, so habe schon die Entscheidung ZVR 1959/26 immerhin eine Einschränkung für den Fall gemacht, dass wesentliche weitere Unfallsfolgen erst nach dem Vergleichsabschluss bekannt geworden seien. Im Übrigen komme es für das Verstreichen der Verjährungsfrist auch nicht darauf an, dass der Geschädigte zur richtigen rechtlichen Qualifikation des an sich ihm vollständig bekannten Sachverhaltes gefunden habe. Auch im vorliegenden Fall sei die Verjährung daher nicht so lange hinausgeschoben worden, bis eine andere Partei auf Grund eines vergleichbaren Sachverhaltes eine auch für den Standpunkt des Klägers dienliche oberstgerichtliche Entscheidung erwirkt habe.

Ausgehend von der zutreffend angenommenen Verjährung der Klagsansprüche habe es keiner Feststellungen über deren Höhe bedurft. Ebenso komme es nicht auf die im Rahmen der Berufungsbeantwortung gerügten Feststellungen über den Gesundheitszustand des Klägers ab 1999 und die Auswirkungen dieses Gesundheitszustandes auf die Berufsausübung des Klägers an.

Die ordentliche Revision sei im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Verjährung von zum Abschlusszeitpunkt eines auch zukünftige Schäden umfassenden Abfindungsvergleiches nicht vorhersehbaren Folgeschäden bisher keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.Die ordentliche Revision sei im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Verjährung von zum Abschlusszeitpunkt eines auch zukünftige Schäden umfassenden Abfindungsvergleiches nicht vorhersehbaren Folgeschäden bisher keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisisonsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht zusammengefasst geltend, nach dem Abfindungsvergleich 1978 seien zwar 1990/91 weitere Unfallsfolgen hervorgekommen, krasse Folgen aber erst im Dezember 1999; erst damals habe sich in Bezug auf die Abfindung ein krasses Missverhältnis ergeben.

Hiezu wurde erwogen:

Der Kläger hat vorgebracht, der Abfindungsvergleich, zu dessen Zeitpunkt er minderjährig war, sei nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Die Beklagte hat entgegnet, ein allfälliger Mangel sei durch den Eintritt der Volljährigkeit des Klägers geheilt worden. Das Erstgericht hat die Rechtswirksamkeit des Abfindungsvergleiches bejaht, weil der volljährig gewordene Kläger (schlüssig) genehmigt habe. Dem tritt der Kläger nicht mehr entgegen, vielmehr argumentiert er selbst mit dem Vergleichsabschluss. Es ist daher von der Rechtswirksamkeit des Abfindungsvergleiches auszugehen, zumal § 154 Abs 4 ABGB damals noch nicht in Geltung stand.Der Kläger hat vorgebracht, der Abfindungsvergleich, zu dessen Zeitpunkt er minderjährig war, sei nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt worden. Die Beklagte hat entgegnet, ein allfälliger Mangel sei durch den Eintritt der Volljährigkeit des Klägers geheilt worden. Das Erstgericht hat die Rechtswirksamkeit des Abfindungsvergleiches bejaht, weil der volljährig gewordene Kläger (schlüssig) genehmigt habe. Dem tritt der Kläger nicht mehr entgegen, vielmehr argumentiert er selbst mit dem Vergleichsabschluss. Es ist daher von der Rechtswirksamkeit des Abfindungsvergleiches auszugehen, zumal Paragraph 154, Absatz 4, ABGB damals noch nicht in Geltung stand.

In 2 Ob 130/97z = SZ 70/139 = RIS-Justiz RS0108259 hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass eine Abfindungsklausel sittenwidrig ist, soweit sie auch das nachträgliche Hervorkommen subjektiv zunächst nicht vorhersehbarer Unfallsfolgen von außergewöhnlichem Umfang erfasst. Jedenfalls dann, wenn der Eintritt nicht vorhergesehener Folgen zu einem ganz krassen und dem Geschädigten völlig unzumutbaren Missverhältnis zwischen Schaden und der bloß auf Basis der bekannten Folgen errechneten Abfindungssumme führt, kann sich der Schädiger bzw dessen Versicherer wegen Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB auf eine solche Klausel nicht mit Erfolg berufen.In 2 Ob 130/97z = SZ 70/139 = RIS-Justiz RS0108259 hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass eine Abfindungsklausel sittenwidrig ist, soweit sie auch das nachträgliche Hervorkommen subjektiv zunächst nicht vorhersehbarer Unfallsfolgen von außergewöhnlichem Umfang erfasst. Jedenfalls dann, wenn der Eintritt nicht vorhergesehener Folgen zu einem ganz krassen und dem Geschädigten völlig unzumutbaren Missverhältnis zwischen Schaden und der bloß auf Basis der bekannten Folgen errechneten Abfindungssumme führt, kann sich der Schädiger bzw dessen Versicherer wegen Sittenwidrigkeit im Sinne des Paragraph 879, Absatz eins, ABGB auf eine solche Klausel nicht mit Erfolg berufen.

Was nun die Verjährungsfrage anlangt, ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass mit der Kenntnis von den bei Vergleichsabschluss unvorhersehbaren neuen Unfallsfolgen (Beinverkürzung, Wirbelsäulenprobleme) spätestens 1992 die Verjährungsfrist grundsätzlich neu zu laufen begonnen hätte (RIS-Justiz RS0034527; M. Bydlinski in Rummel3 § 1489 ABGB Rz 3 S 622 mwN). Allerdings ist auch zu bedenken, dass der Geschädigte den Schaden für den Beginn des Fristenlaufes soweit kennen muss, dass eine (Leistungs- oder Feststellungs-)Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; M. Bydlinski aaO S 618 mwN). Anfang der 90-er Jahre hatte der Kläger aber nur leichte Beschwerden, die sich in der Folge sogar besserten. Es bestand für ihn daher damals auch im Lichte der (allerdings erst 1997 ergangenen) Entscheidung SZ 70/139 keine Aussicht, mit Erfolg trotz Abfindungsvergleiches weitere Ansprüche durchzusetzen. Diese Aussichten ergaben sich nach dem Klagsvorbringen erst ab Herbst 2000, nach den (von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpften) Feststellungen des Erstgerichtes frühestens ab Mitte Dezember 1999, als sich die Schmerzen des Klägers verstärkten.Was nun die Verjährungsfrage anlangt, ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass mit der Kenntnis von den bei Vergleichsabschluss unvorhersehbaren neuen Unfallsfolgen (Beinverkürzung, Wirbelsäulenprobleme) spätestens 1992 die Verjährungsfrist grundsätzlich neu zu laufen begonnen hätte (RIS-Justiz RS0034527; M. Bydlinski in Rummel3 Paragraph 1489, ABGB Rz 3 S 622 mwN). Allerdings ist auch zu bedenken, dass der Geschädigte den Schaden für den Beginn des Fristenlaufes soweit kennen muss, dass eine (Leistungs- oder Feststellungs-)Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; M. Bydlinski aaO S 618 mwN). Anfang der 90-er Jahre hatte der Kläger aber nur leichte Beschwerden, die sich in der Folge sogar besserten. Es bestand für ihn daher damals auch im Lichte der (allerdings erst 1997 ergangenen) Entscheidung SZ 70/139 keine Aussicht, mit Erfolg trotz Abfindungsvergleiches weitere Ansprüche durchzusetzen. Diese Aussichten ergaben sich nach dem Klagsvorbringen erst ab Herbst 2000, nach den (von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpften) Feststellungen des Erstgerichtes frühestens ab Mitte Dezember 1999, als sich die Schmerzen des Klägers verstärkten.

Richtig ist, dass eine Nachforderung nicht zur Korrektur eines ursprünglich wirtschaftlich schlechten Verhandlungsergebnisses erhoben werden kann; es müssen vielmehr neue Unfallsfolgen vorliegen, die außergewöhnlichen Umfang haben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kommt es nach der zitierten Rechtsprechung (SZ 70/139) aber nicht auf das Missverhältnis zwischen den dem Abfindungsvergleich 1978 zugrundegelegten Folgen und den 1992 als eingetreten diagnostizierten Folgen an, sondern auf das Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen (in Geld ausgedrückten) Schaden und der (regelmäßig als damals angemessen zu unterstellenden) Abfindungssumme. Dieses Missverhältnis war 1992 auf Grund der damals geringen Beschwerden noch keineswegs evident; frühestens Mitte Dezember 1999 konnte sich der Kläger nach den erstgerichtlichen Feststellungen Chancen ausrechnen, mit einer neuen Klage trotz Abfindungsvergleiches Erfolg zu haben. Begann die dreijährige Verjährungsfrist aber erst damals zu laufen, war bei Klagseinbringung am 20. 11. 2002 noch keine Verjährung eingetreten.

In ihrer Revisionsbeantwortung führt die Beklagte aus, es wäre nicht einzusehen, warum der Kläger unter Berufung auf die Abfindungserklärung verjährungsmäßig besser gestellt sein sollte, als ein Geschädigter, der niemals eine Abfindungserklärung unterfertigt hat. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beklagte die Abfindungserklärung selbst verlangt hat und diese bei geringeren neuen Unfallsfolgen für sie vorteilhaft ist; sie muss dann aber in Kauf nehmen, dass sich bei außergewöhnlichen neuen Unfallsfolgen im Bezug auf die Verjährung für sie Nachteile ergeben können.

Es kommt somit entscheidungswesentlich auf den Gesundheitszustand des Klägers ab 1999 an, weshalb die Erledigung der diesbezüglichen in der Berufungsbeantwortung erhobenen Beweisrüge der Beklagten unerlässlich ist. Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der Berufungsentscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass diese Beweisrüge unberechtigt ist, so wären (allenfalls vom Erstgericht) Feststellungen insbesondere über die Anspruchshöhe zu treffen, damit beurteilt werden kann, ob ein krasses Missverhältnis zwischen Schaden und Abfindungssumme im Sinne von SZ 70/139 vorliegt. Sollte sich hingegen ergeben, dass ab 1999 keine gravierenden weiteren Unfallsfolgen aufgetreten sind, hätte es schon mangels der in der zitierten Entscheidung genannten Voraussetzungen im Hinblick auf den dann insoweit keinesfalls sittenwidrigen Abfindungsvergleich bei der Klagsabweisung zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E72366

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00007.04Z.0212.000

Im RIS seit

13.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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