TE OGH 2004/2/17 6Bs45/04

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Veröffentlicht am 17.02.2004
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Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 6. Senat in der Strafsache gegen Ulas C***** wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Aufsichtsbeschwerde des Alexander H***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2003, 23 Hv 104/03f-45, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 6. Senat in der Strafsache gegen Ulas C***** wegen Vergehens der Körperverletzung nach Paragraph 83, Absatz eins, StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Aufsichtsbeschwerde des Alexander H***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2003, 23 Hv 104/03f-45, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

In Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes gemäß § 15 StPO wird der Beschluss über die Verhängung einer Ordnungsstrafe ersatzlos aufgehoben.In Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes gemäß Paragraph 15, StPO wird der Beschluss über die Verhängung einer Ordnungsstrafe ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Im einzelrichterlichen Verfahren gegen Ulas C***** fand am 16.12.2003 eine Hauptverhandlung statt. Der Kriminalbeamte Alexander H***** führte im Auftrag des Gerichtes die Zeugin Susanne S***** vor. Beim Betreten des Verhandlungssaales trug er zur Zivilkleidung eine Häkelmütze und verneinte die Frage des Richters, ob er diese aus gesundheitlichen Gründen tragen müsse. Der Einzelrichter belehrte den Kriminalbeamten daraufhin im Sinne des § 233 StPO und forderte ihn auf, die Häkelmütze während der Vorführung im Verhandlungssaal abzunehmen. Der Kriminalbeamte weigerte sich mit der Begründung, dass er eine Glatze habe und ihm draußen zu kalt gewesen sei. Der Richter wies ihn darauf hin, dass die Weigerung den der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstand im Gerichtssaal verletze und den Ablauf der Verhandlung störe. Nachdem sich der Kriminalbeamte weiterhin weigerte, verkündete der Richter den Beschluss auf Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von EUR 50,--. Sodann ergänzte der Kriminalbeamte, dass er stark verkühlt sei und die Mütze deshalb nicht abnehme. Der Richter bestätigte ihm die Vorführung, worauf sich der Kriminalbeamte anscheinend aus dem Verhandlungssaal entfernte. In der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses legte der Einzelrichter im Rahmen einer ausführlichen Begründung § 233 StPO dar, bezeichnete § 178 des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und § 199 Abs 1 der österreichischen ZPO als vergleichbar, zitierte hauptsächlich deutsche Rechtsprechung und ging davon aus, der Kriminalbeamte habe der richterlichen Aufforderung ohne nachvollziehbaren Grund offensichtlich zum Zwecke der Provokation auch nach Abmahnung nicht entsprochen und hiedurch den der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstand in einer die Hauptverhandlung störenden Weise verletzt.Im einzelrichterlichen Verfahren gegen Ulas C***** fand am 16.12.2003 eine Hauptverhandlung statt. Der Kriminalbeamte Alexander H***** führte im Auftrag des Gerichtes die Zeugin Susanne S***** vor. Beim Betreten des Verhandlungssaales trug er zur Zivilkleidung eine Häkelmütze und verneinte die Frage des Richters, ob er diese aus gesundheitlichen Gründen tragen müsse. Der Einzelrichter belehrte den Kriminalbeamten daraufhin im Sinne des Paragraph 233, StPO und forderte ihn auf, die Häkelmütze während der Vorführung im Verhandlungssaal abzunehmen. Der Kriminalbeamte weigerte sich mit der Begründung, dass er eine Glatze habe und ihm draußen zu kalt gewesen sei. Der Richter wies ihn darauf hin, dass die Weigerung den der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstand im Gerichtssaal verletze und den Ablauf der Verhandlung störe. Nachdem sich der Kriminalbeamte weiterhin weigerte, verkündete der Richter den Beschluss auf Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von EUR 50,--. Sodann ergänzte der Kriminalbeamte, dass er stark verkühlt sei und die Mütze deshalb nicht abnehme. Der Richter bestätigte ihm die Vorführung, worauf sich der Kriminalbeamte anscheinend aus dem Verhandlungssaal entfernte. In der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses legte der Einzelrichter im Rahmen einer ausführlichen Begründung Paragraph 233, StPO dar, bezeichnete Paragraph 178, des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und Paragraph 199, Absatz eins, der österreichischen ZPO als vergleichbar, zitierte hauptsächlich deutsche Rechtsprechung und ging davon aus, der Kriminalbeamte habe der richterlichen Aufforderung ohne nachvollziehbaren Grund offensichtlich zum Zwecke der Provokation auch nach Abmahnung nicht entsprochen und hiedurch den der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstand in einer die Hauptverhandlung störenden Weise verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die Aufsichtsbeschwerde des Alexander H***** erweist sich als berechtigt.

Gemäß § 233 Abs 1 StPO obliegt dem Vorsitzenden (also gemäß § 488 StPO auch dem Einzelrichter) die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal. Gemäß § 233 Abs 3 StPO sind Zeichen des Beifalles oder der Missbilligung untersagt. Nach dem weiteren Wortlaut dieser Bestimmung ist der Vorsitzende berechtigt, Personen, die die Sitzung durch solche Zeichen oder auf andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen.Widersetzt sich jemand oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende über die Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zu EUR 726,--, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerlässlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu 8 Tagen verhängen.Gemäß Paragraph 233, Absatz eins, StPO obliegt dem Vorsitzenden (also gemäß Paragraph 488, StPO auch dem Einzelrichter) die Erhaltung der Ruhe und Ordnung und des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal. Gemäß Paragraph 233, Absatz 3, StPO sind Zeichen des Beifalles oder der Missbilligung untersagt. Nach dem weiteren Wortlaut dieser Bestimmung ist der Vorsitzende berechtigt, Personen, die die Sitzung durch solche Zeichen oder auf andere Weise stören, zur Ordnung zu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen.Widersetzt sich jemand oder werden die Störungen wiederholt, so kann der Vorsitzende über die Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zu EUR 726,--, wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerlässlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu 8 Tagen verhängen.

Das Disziplinarmittel der Ermahnung kann der Vorsitzende gegen jede im Verhandlungssaal anwesende Person anwenden. Hingegen ist der Personenkreis, über den der Vorsitzende Ordnungsstrafen verhängen darf, beschränkt (Lohsing/Serini Strafprozessrecht4 S 330; Mayer Commentar zur StPO § 233 Rz 40 f). So ergibt sich aus § 236a StPO eine Ausnahme betreffend Parteienvertreter, die der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegen. Personen, die an der Verhandlung amtlich mitwirken (beisitzender Richter, Schriftführer, Staatsanwalt) darf der Vorsitzende ebenfalls nicht mit Ordnungsstrafen belegen; betreffend die Staatsanwaltschaft wird dies unter anderem mit der öffentlich-rechtlichen Stellung ihrer Organe begründet (Mayer aaO Rz 44).Das Disziplinarmittel der Ermahnung kann der Vorsitzende gegen jede im Verhandlungssaal anwesende Person anwenden. Hingegen ist der Personenkreis, über den der Vorsitzende Ordnungsstrafen verhängen darf, beschränkt (Lohsing/Serini Strafprozessrecht4 S 330; Mayer Commentar zur StPO Paragraph 233, Rz 40 f). So ergibt sich aus Paragraph 236 a, StPO eine Ausnahme betreffend Parteienvertreter, die der Disziplinargewalt einer Standesbehörde unterliegen. Personen, die an der Verhandlung amtlich mitwirken (beisitzender Richter, Schriftführer, Staatsanwalt) darf der Vorsitzende ebenfalls nicht mit Ordnungsstrafen belegen; betreffend die Staatsanwaltschaft wird dies unter anderem mit der öffentlich-rechtlichen Stellung ihrer Organe begründet (Mayer aaO Rz 44).

Ein Polizei- oder Gendarmeriebeamter, der in gerichtlichem Auftrag jemanden vorführt, nimmt ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Stellung ein und übt sogar staatliche Befehls- und Zwangsgewalt aus. Der Gesetzgeber, der die notwendigen Einschränkungen der Strafgewalt in § 233 Abs 3 StPO nicht aufgezählt hat, kann nicht gewollt haben, dass ein Richter einen anderen Vertreter der Staatsgewalt während der Vollziehung von dessen Aufgaben öffentlich straft, weil dies möglicherweise zur Belustigung des Angeklagten sowie der Zuhörer führt und dem Ansehen der ersuchten Behörde schadet. Die Gesetzesinterpretation führt also dazu, dass vorführende Polizei- oder Gendarmeriebeamte ebenso wie vorführende Justizwachebeamte und Beamte des polizeilichen Saalschutzes zwar den Anordnungen und Ermahnungen des Richters unterliegen, jedoch nicht mit Ordnungsstrafen belegt werden dürfen. Ein sanktionsfreier Raum entsteht dadurch insoferne nicht, als der Richter ein allfälliges Fehlverhalten der Beamten ihrer Behörde zur dienstrechtlichen Verfolgung anzeigen kann.Ein Polizei- oder Gendarmeriebeamter, der in gerichtlichem Auftrag jemanden vorführt, nimmt ebenfalls eine öffentlich-rechtliche Stellung ein und übt sogar staatliche Befehls- und Zwangsgewalt aus. Der Gesetzgeber, der die notwendigen Einschränkungen der Strafgewalt in Paragraph 233, Absatz 3, StPO nicht aufgezählt hat, kann nicht gewollt haben, dass ein Richter einen anderen Vertreter der Staatsgewalt während der Vollziehung von dessen Aufgaben öffentlich straft, weil dies möglicherweise zur Belustigung des Angeklagten sowie der Zuhörer führt und dem Ansehen der ersuchten Behörde schadet. Die Gesetzesinterpretation führt also dazu, dass vorführende Polizei- oder Gendarmeriebeamte ebenso wie vorführende Justizwachebeamte und Beamte des polizeilichen Saalschutzes zwar den Anordnungen und Ermahnungen des Richters unterliegen, jedoch nicht mit Ordnungsstrafen belegt werden dürfen. Ein sanktionsfreier Raum entsteht dadurch insoferne nicht, als der Richter ein allfälliges Fehlverhalten der Beamten ihrer Behörde zur dienstrechtlichen Verfolgung anzeigen kann.

Die Verhängung einer Ordnungsstrafe in einem Bereich, der dem Vorsitzenden nicht zusteht, verpflichtet das Oberlandesgericht zur Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes nach § 15 StPO (15 Os 125/91 = RIS-Justiz E 28504). Dementsprechend war der Beschluss ersatzlos aufzuheben.Die Verhängung einer Ordnungsstrafe in einem Bereich, der dem Vorsitzenden nicht zusteht, verpflichtet das Oberlandesgericht zur Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes nach Paragraph 15, StPO (15 Os 125/91 = RIS-Justiz E 28504). Dementsprechend war der Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Anmerkung

EI00122 6Bs4504

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2004:0060BS00045.04.0217.000

Dokumentnummer

JJT_20040217_OLG0819_0060BS00045_0400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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