TE OGH 2004/2/19 6Ob7/03b

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Veröffentlicht am 19.02.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stefanie R*****, vertreten durch Dr. Karl Mandl, Rechtsanwalt in Altheim, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen 14.679,91 EUR samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2002, GZ 4 R 186/02d-54, womit das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 25. Juli 2002, GZ 5 Cg 7/01h-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 875,34 EUR (davon 145,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Ärztin öffnete am 1. 8. 2000 eine 1,5 l Flasche eines landläufig als Kindersekt bezeichneten von der beklagten deutschen Gesellschaft hergestellten und abgefüllten alkoholfreien kohlensäurehaltigen Pfirsich-Fruchtsaftgetränks. Ihre Tochter hatte die Flasche zum Geburtstag bekommen. Nach teilweisem Lösen des Drahtkorbes entwich der Plastikkorken schlagartig und traf die Klägerin am rechten Auge. Sie erlitt dadurch eine Augapfelprellung mit Einblutung in der Vorderkammer.

Die Flasche ist graphisch kindergerecht durch bunte Farben und entsprechende Bilder gekennzeichnet. Das Etikett enthält unter anderem den drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis: "Vorsicht, Flasche steht unter Druck! Kühl servieren!". Die Temperatur des Getränks betrug beim Öffnen durch die Klägerin über 20 °C. Ein Fehler bei der Produktion und Abfüllung lag nicht vor. Um den zum spontanen Austreiben des Plastikkorken mindestnotwendigen Überdruck von 6,9 Bar zu erreichen, muss die Flasche eine Temperatur von über 20 °C aufweisen. Der Drahtkorb muss Transporttemperaturen von bis zu 45 °C und damit einen Innendruck von 13 bis 14 Bar standhalten.

Die Klägerin begehrte - gestützt auf das PHG - die Zahlung von 14.679,91 EUR samt Anhang als Ersatz für durch den Unfall erlittene Schäden (je 7.262,28 EUR an Verdientsentgang und Schmerzengeld, 145,35 EUR Spesen).

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 1.489,83 EUR samt Anhang und wies das Mehrbegehren ab. Es bejahte einen der beklagten Partei anzulastenden Instruktionsfehler. Der allgemein gehaltene Hinweis, dass die Flasche unter Druck stehe und das Getränk gekühlt zu servieren sei, sei für den Normalverbraucher unzureichend. Diesem sei nämlich das Verhältnis von Innendruck und Temperatur nicht ausreichend geläufig. Er denke, kühlt serviert schmecke das Getränk eben besser. Der Klägerin sei ein Mitverschulden im Ausmaß von 50 % anzulasten, weil sie die Flasche beim Öffnen von sich und von anderen hätte weghalten müssen. Da die Betriebsunterbrechungsversicherung den Verdienstentgang der Klägerin abgegolten habe, habe sie aus diesem Titel von der beklagten Partei nichts mehr zu fordern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und änderte in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es vertrat die Auffassung, ein Produktfehler im Sinn des § 5 PHG liege nicht vor. Es sei allgemein bekannt, dass Sektflaschen einen gewissen Innendruck aufwiesen, Sektpfropfen beim Öffnen knallen (gemäß der Publikumserwartung sogar knallen sollen), der Innendruck einer Sektflasche unter Temperatur steige und Sekt daher vor dem Öffnen ausreichend gekühlt sein müsse. Vor allgemein Bekanntem brauche der Hersteller eines Produktes in der Regel nicht zu warnen. In Bezug auf alkoholfreien "Kindersekt" möge die Bekanntheit des temperaturabhängigen Innendrucks der Flasche nicht im gleichen Ausmaß gegeben sein wie bei alkoholischem Sekt. Der für Sektflaschen typische Verschluss - der Stoppel werde erst nach Öffnen eines Drahtkorbes frei - signalisiere jedoch, dass der "Kindersekt" hinsichtlich des Innendrucks der Flasche einem normalen Sekt gleichzuhalten und wie ein solcher zu öffnen sei. Der Warnhinweis auf der Flasche "Vorsicht, Flasche steht unter Druck! Kühl servieren!" bedürfe in seinem zweiten Teil keiner erklärenden Begründung durch den Hersteller, weil schon der erste Teil des Hinweises für sich allein ausreiche, um den Leser des Warnhinweises eine Gefahr durch hohen Innendruck anzuzeigen. Zudem sei die Aufschrift auf der Flasche für eine wirksame Warnung ohnedies zu klein gedruckt und zu unauffällig. Eine wirksame Warnung müsste, wenn überhaupt, groß gedruckt auf der Vorderseite der Flasche ersichtlich sein. Dies zu verlangen, wäre jedoch eine Übertreibung der Instruktionspflicht des Herstellers. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Produkthaftung des Herstellers von Sekt (hier: "Kindersekt") fehle und Verletzungen durch ausfahrende Sektpfropfen nicht nur vereinzelt vorkämen.Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und änderte in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es vertrat die Auffassung, ein Produktfehler im Sinn des Paragraph 5, PHG liege nicht vor. Es sei allgemein bekannt, dass Sektflaschen einen gewissen Innendruck aufwiesen, Sektpfropfen beim Öffnen knallen (gemäß der Publikumserwartung sogar knallen sollen), der Innendruck einer Sektflasche unter Temperatur steige und Sekt daher vor dem Öffnen ausreichend gekühlt sein müsse. Vor allgemein Bekanntem brauche der Hersteller eines Produktes in der Regel nicht zu warnen. In Bezug auf alkoholfreien "Kindersekt" möge die Bekanntheit des temperaturabhängigen Innendrucks der Flasche nicht im gleichen Ausmaß gegeben sein wie bei alkoholischem Sekt. Der für Sektflaschen typische Verschluss - der Stoppel werde erst nach Öffnen eines Drahtkorbes frei - signalisiere jedoch, dass der "Kindersekt" hinsichtlich des Innendrucks der Flasche einem normalen Sekt gleichzuhalten und wie ein solcher zu öffnen sei. Der Warnhinweis auf der Flasche "Vorsicht, Flasche steht unter Druck! Kühl servieren!" bedürfe in seinem zweiten Teil keiner erklärenden Begründung durch den Hersteller, weil schon der erste Teil des Hinweises für sich allein ausreiche, um den Leser des Warnhinweises eine Gefahr durch hohen Innendruck anzuzeigen. Zudem sei die Aufschrift auf der Flasche für eine wirksame Warnung ohnedies zu klein gedruckt und zu unauffällig. Eine wirksame Warnung müsste, wenn überhaupt, groß gedruckt auf der Vorderseite der Flasche ersichtlich sein. Dies zu verlangen, wäre jedoch eine Übertreibung der Instruktionspflicht des Herstellers. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Produkthaftung des Herstellers von Sekt (hier: "Kindersekt") fehle und Verletzungen durch ausfahrende Sektpfropfen nicht nur vereinzelt vorkämen.

Die gegen diese Entscheidung aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache erhobene Revision der klagenden Partei ist mangels einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig, worauf die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist.Die gegen diese Entscheidung aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache erhobene Revision der klagenden Partei ist mangels einer im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig, worauf die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 5 Abs 1 PHG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts 1. der Darbietung des Produkts, 2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, 3. des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.Gemäß Paragraph 5, Absatz eins, PHG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts 1. der Darbietung des Produkts, 2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, 3. des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

Unter der "Darbietung" des Produkts ist die Art und Weise der Produktpräsentation in der Öffentlichkeit zu verstehen (SZ 65/149). Zur - von den Vorinstanzen kontroversell beantworteten - Frage der Instruktionspflicht bzw eines Instruktionsfehlers, bei dem die unzureichende Darbietung das Produkt im Sinn des § 5 PHG fehlerhaft macht (SZ 70/61; 7 Ob 245/02h mwN) hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass es zu den Instruktionspflichten des Herstellers gehört, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produktes hinzuweisen und ihn unter Umständen selbst vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen (SZ 65/149; SZ 67/105; 7 Ob 245/02h mwN). Die Pflichtvorwarnung vor gefährlichen Eigenschaften des Produkts besteht aber nur bei einem Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Ein solches ist nur dann gegeben, wenn der Hersteller/Importeur damit rechnen muss, dass ein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (SZ 65/149; 7 Ob 245/02h mwN). Beurteilungsmaßstab ist dabei der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers (SZ 67/105; 7 Ob 245/02h mwN). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten (7 Ob 49/01h = SZ 74/62 = ecolex 2001, 671/238 [Rabl]; 7 Ob 245/02h = ecolex 2003, 515/199 [Rabl]). Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in Betracht kommenden Abnehmer und Benützer liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht zu werden (SZ 65/149; SZ 67/105; 7 Ob 49/01h7 Ob 245/02h). Die nach § 5 PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen sind nur berechtigt, wenn der Benutzer den Anforderungen an seine Eigenverantwortung gerecht wird, spricht auch § 5 Abs 1 Z 2 PHG vom Gebrauch des Produktes, mit dem billigerweise gerechnet werden könne (SZ 70/61 ua).Unter der "Darbietung" des Produkts ist die Art und Weise der Produktpräsentation in der Öffentlichkeit zu verstehen (SZ 65/149). Zur - von den Vorinstanzen kontroversell beantworteten - Frage der Instruktionspflicht bzw eines Instruktionsfehlers, bei dem die unzureichende Darbietung das Produkt im Sinn des Paragraph 5, PHG fehlerhaft macht (SZ 70/61; 7 Ob 245/02h mwN) hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass es zu den Instruktionspflichten des Herstellers gehört, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produktes hinzuweisen und ihn unter Umständen selbst vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen (SZ 65/149; SZ 67/105; 7 Ob 245/02h mwN). Die Pflichtvorwarnung vor gefährlichen Eigenschaften des Produkts besteht aber nur bei einem Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Ein solches ist nur dann gegeben, wenn der Hersteller/Importeur damit rechnen muss, dass ein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (SZ 65/149; 7 Ob 245/02h mwN). Beurteilungsmaßstab ist dabei der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers (SZ 67/105; 7 Ob 245/02h mwN). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten (7 Ob 49/01h = SZ 74/62 = ecolex 2001, 671/238 [Rabl]; 7 Ob 245/02h = ecolex 2003, 515/199 [Rabl]). Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in Betracht kommenden Abnehmer und Benützer liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht zu werden (SZ 65/149; SZ 67/105; 7 Ob 49/01h7 Ob 245/02h). Die nach Paragraph 5, PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen sind nur berechtigt, wenn der Benutzer den Anforderungen an seine Eigenverantwortung gerecht wird, spricht auch Paragraph 5, Absatz eins, Ziffer 2, PHG vom Gebrauch des Produktes, mit dem billigerweise gerechnet werden könne (SZ 70/61 ua).

Mit diesen Grundsätzen steht die Verneinung eines Instruktionsfehlers durch das Berufungsgericht - ein Produktions- oder die Konstruktionsfehler besteht nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht, im Einklang. Ob derartige Produktinstruktionen erforderlich sind, entscheidet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls. Aufgrund dieser Einzelfallbezogenheit läge ein Grund, die Revision zuzulassen, dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 50, Absatz eins,, 41 ZPO.

Textnummer

E72385

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0060OB00007.03B.0219.000

Im RIS seit

20.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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