TE OGH 2004/2/19 15Os2/04

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Veröffentlicht am 19.02.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gernot H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Salzburg vom 30. September 2003, GZ 35 Hv 67/03w-68, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 498 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den BeschlussDer Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gernot H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach Paragraph 75, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Salzburg vom 30. September 2003, GZ 35 Hv 67/03w-68, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß Paragraph 498, StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Gernot H***** des Verbrechens des Mordes schuldig erkannt. Danach hat er am 7. Februar 2003 in Saalfelden Peter T***** durch Versetzen mehrerer Stiche und Schnitte gegen den Hals mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 10,5 cm vorsätzlich getötet. Die Geschworenen bejahten stimmeneinhellig die anklagekonform gestellte Hauptfrage und verneinten die in Richtung Notwehr, Notwehrüberscheitung, Putativnotwehr und Putativnotwehrüberschreitung gestellten Zusatzfragen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf Paragraph 345, Absatz eins, Ziffer 4,, 5 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge nach Z 4 behauptet, die im Vorverfahren abgelegten Aussagen der Zeugen Markus und Andrea P***** seien zu Unrecht verlesen worden, weil diese Zeugen in der Hauptverhandlung zwar vernommen worden seien, sich aber - ebenso wie im Vorverfahren - ständig widersprochen hätten und ihnen ihre früheren Angaben im Zuge der Vernehmungen ohnehin vorgehalten worden seien. Die zusätzliche Verlesung der früheren Angaben sei daher nicht notwendig gewesen. Gemäß § 252 Abs 1 Z 2 StPO dürfen Protokolle über Vernehmungen von Zeugen dann verlesen werden, wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen - wie hier - in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen. Die von der Beschwerde behaupteten Einschränkungen sind dem Gesetz nicht zu entnehmen; eine "Notwendigkeitsprüfung" ist nicht vorzunehmen. Im Übrigen liegt sogar dann kein nichtigkeitsbegründendes Unmittelbarkeitssurrogat iSd § 252 Abs 1 StPO vor, wenn sich ein Zeuge bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung auf seine frühere Aussage beruft, oder diese, ohne dass ein Fall der Abweichung nach § 252 Abs 1 Z 2 StPO vorliegt, bloß ergänzend verlesen wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 230; EvBl 2000/83 = RZ 2000/29; 11 Os 72/03).Die Verfahrensrüge nach Ziffer 4, behauptet, die im Vorverfahren abgelegten Aussagen der Zeugen Markus und Andrea P***** seien zu Unrecht verlesen worden, weil diese Zeugen in der Hauptverhandlung zwar vernommen worden seien, sich aber - ebenso wie im Vorverfahren - ständig widersprochen hätten und ihnen ihre früheren Angaben im Zuge der Vernehmungen ohnehin vorgehalten worden seien. Die zusätzliche Verlesung der früheren Angaben sei daher nicht notwendig gewesen. Gemäß Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 2, StPO dürfen Protokolle über Vernehmungen von Zeugen dann verlesen werden, wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen - wie hier - in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen. Die von der Beschwerde behaupteten Einschränkungen sind dem Gesetz nicht zu entnehmen; eine "Notwendigkeitsprüfung" ist nicht vorzunehmen. Im Übrigen liegt sogar dann kein nichtigkeitsbegründendes Unmittelbarkeitssurrogat iSd Paragraph 252, Absatz eins, StPO vor, wenn sich ein Zeuge bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung auf seine frühere Aussage beruft, oder diese, ohne dass ein Fall der Abweichung nach Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 2, StPO vorliegt, bloß ergänzend verlesen wird (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 230; EvBl 2000/83 = RZ 2000/29; 11 Os 72/03).

Die Verfahrensrüge nach Z 5 kritisiert die Ablehnung des unter Bezugnahme auf den vom kriminalpsychologischen Sachverständigen Dr. Müller verwendeten Begriff "Overkill" gestellten Antrags auf Einholung eines zweiten neuropsychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war und dass von ihm zukünftig keine Gefahr gleichartiger Handlungen ausgehe. Der Schwurgerichtshof durfte diesen Antrag jedoch zu Recht verwerfen. Denn der Antrag vermochte Mängel (iSd §§ 125, 126 StPO) des erstellten Gutachten des Sachverständigen Dr. Mitterauer, der auch zur vom Verteidiger (unter Verwendung der Begriffe "Blutrausch" und "Overkill") relevierten Frage - der Beschwerde zuwider - ausführlich inhaltlich Stellung genommen hat (S 423 ff/II), nicht aufzuzeigen. Beide Sachverständige haben übereinstimmend den Begriff "Overkill" als dem Fachgebiet der Kriminalpsychologie (und nicht der Neuropsychiatrie) zugehörig bezeichnet, wobei auch der vom Sachverständigen Dr. Müller gegebenen Definition für den Ausdruck keine Anhaltspunkte in Richtung Zurechnungsunfähigkeit zu entnehmen sind (S 445/II). Widersprüche der beiden Gutachten zueinander liegen daher nicht vor. Der Beschwerde zuwider sind der Entscheidung 11 Os 4/00 keine Rechtsausführungen dahin zu entnehmen, dass die Frage des "Vorliegens eines Overkills" und der "damit einhergehenden Dispositionsunfähigkeit" dem Fachgebiet eines neuropsychiatrischen Sachverständigen zuzuzählen sei. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof im bezeichneten Verfahren die Ausführungen des im dortigen erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen zum Thema "Overkill" wertungslos referiert und ausgeführt, warum der Beschwerde selbst bei Zutreffen der "Hypothese" des Experten keine Berechtigung zukommt. Ohne Bedeutung ist es somit auch, welche der mehreren (von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen nicht zahlenmäßig genannten) Messerstiche tödlich waren und welche nicht.Die Verfahrensrüge nach Ziffer 5, kritisiert die Ablehnung des unter Bezugnahme auf den vom kriminalpsychologischen Sachverständigen Dr. Müller verwendeten Begriff "Overkill" gestellten Antrags auf Einholung eines zweiten neuropsychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war und dass von ihm zukünftig keine Gefahr gleichartiger Handlungen ausgehe. Der Schwurgerichtshof durfte diesen Antrag jedoch zu Recht verwerfen. Denn der Antrag vermochte Mängel (iSd Paragraphen 125,, 126 StPO) des erstellten Gutachten des Sachverständigen Dr. Mitterauer, der auch zur vom Verteidiger (unter Verwendung der Begriffe "Blutrausch" und "Overkill") relevierten Frage - der Beschwerde zuwider - ausführlich inhaltlich Stellung genommen hat (S 423 ff/II), nicht aufzuzeigen. Beide Sachverständige haben übereinstimmend den Begriff "Overkill" als dem Fachgebiet der Kriminalpsychologie (und nicht der Neuropsychiatrie) zugehörig bezeichnet, wobei auch der vom Sachverständigen Dr. Müller gegebenen Definition für den Ausdruck keine Anhaltspunkte in Richtung Zurechnungsunfähigkeit zu entnehmen sind (S 445/II). Widersprüche der beiden Gutachten zueinander liegen daher nicht vor. Der Beschwerde zuwider sind der Entscheidung 11 Os 4/00 keine Rechtsausführungen dahin zu entnehmen, dass die Frage des "Vorliegens eines Overkills" und der "damit einhergehenden Dispositionsunfähigkeit" dem Fachgebiet eines neuropsychiatrischen Sachverständigen zuzuzählen sei. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof im bezeichneten Verfahren die Ausführungen des im dortigen erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen zum Thema "Overkill" wertungslos referiert und ausgeführt, warum der Beschwerde selbst bei Zutreffen der "Hypothese" des Experten keine Berechtigung zukommt. Ohne Bedeutung ist es somit auch, welche der mehreren (von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen nicht zahlenmäßig genannten) Messerstiche tödlich waren und welche nicht.

Die Fragenrüge (Z 6) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit sie die Stellung einer Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB reklamiert, nennt sie mit dem pauschalen Zitat des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Müller "bezüglich Overkills" kein bestimmtes Verfahrensergebnis, welches eine Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten indizieren würde (zu den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen vgl erneut S 445/II), und argumentiert mit der Behauptung, der Angeklagte habe sich in all seinen Aussagen "nur an wenige Stiche" (ersichtlich gemeint: an weniger als die von ihm tatsächlich geführten) erinnern können, insofern aktenwidrig, als der Angeklagte in der Hauptverhandlung zugestand, "ungefähr öfter als fünfmal zugestochen" zu haben (S 284/II), und die gerichtsmedizinische Sachverständige die Zahl der tatsächlich geführten Stiche nicht nennen konnte.Die Fragenrüge (Ziffer 6,) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit sie die Stellung einer Zusatzfrage in Richtung Paragraph 11, StGB reklamiert, nennt sie mit dem pauschalen Zitat des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Müller "bezüglich Overkills" kein bestimmtes Verfahrensergebnis, welches eine Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten indizieren würde (zu den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen vergleiche erneut S 445/II), und argumentiert mit der Behauptung, der Angeklagte habe sich in all seinen Aussagen "nur an wenige Stiche" (ersichtlich gemeint: an weniger als die von ihm tatsächlich geführten) erinnern können, insofern aktenwidrig, als der Angeklagte in der Hauptverhandlung zugestand, "ungefähr öfter als fünfmal zugestochen" zu haben (S 284/II), und die gerichtsmedizinische Sachverständige die Zahl der tatsächlich geführten Stiche nicht nennen konnte.

Doch auch die Kritik an der Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage in Richtung Totschlag (§ 76 StGB) ist nicht prozessordnungsgemäß dargestellt. Denn sie nennt zum einen keine konkreten in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen für die von ihr behaupteten - angeblich eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung begründenden - Umstände. Zum anderen behauptet sie, folgende drei Umstände in ihrer Gesamtheit würden zur begehrten Privilegierung führen:Doch auch die Kritik an der Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage in Richtung Totschlag (Paragraph 76, StGB) ist nicht prozessordnungsgemäß dargestellt. Denn sie nennt zum einen keine konkreten in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen für die von ihr behaupteten - angeblich eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung begründenden - Umstände. Zum anderen behauptet sie, folgende drei Umstände in ihrer Gesamtheit würden zur begehrten Privilegierung führen:

  1. 1)Ziffer eins
    homosexuelle Annäherungsversuche des Opfers,
  2. 2)Ziffer 2
    Drohungen des Opfers, den Angeklagten und seine schwangere Freundin "auf die Straße zu setzen", sowie
                  3)              ärgste Beschimpfungen des Opfers gegenüber dem Angeklagten und dessen Freundin.
Dabei vernachlässigt die Beschwerde neuerlich den Prozessgesetzen zuwider ohne Bezug auf in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatschen zu 1), dass die relevierten homosexuellen Avancen T*****s nach der Verantwortung des Angeklagten zeitlich bereits vor der Körperverletzung erfolgt und nicht einmal Motiv für diese gewesen sein sollen (S 276 ff/II). Soweit sie zu 2) behauptet, T***** habe dem Angeklagten gedroht, ihn und seine schwangere Freundin "auf die Straße zu setzen", entspricht dies nicht einmal der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung (vgl S 279/II), der überdies sogar zugestand, dass sein Opfer (wegen der vorangegangenen Körperverletzung) "schon das Recht gehabt" hätte, "zur Polizei zu gehen", was der Angeklagte aber "halt vermeiden wollte" (S 286/II). Zu 3) ist es nach der Darstellung des Angeklagten zu gegenseitigen (S 279 f/II) Beschimpfungen von Täter und Opfer gekommen, was die Beschwerde unberücksichtigt lässt.Dabei vernachlässigt die Beschwerde neuerlich den Prozessgesetzen zuwider ohne Bezug auf in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatschen zu 1), dass die relevierten homosexuellen Avancen T*****s nach der Verantwortung des Angeklagten zeitlich bereits vor der Körperverletzung erfolgt und nicht einmal Motiv für diese gewesen sein sollen (S 276 ff/II). Soweit sie zu 2) behauptet, T***** habe dem Angeklagten gedroht, ihn und seine schwangere Freundin "auf die Straße zu setzen", entspricht dies nicht einmal der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vergleiche S 279/II), der überdies sogar zugestand, dass sein Opfer (wegen der vorangegangenen Körperverletzung) "schon das Recht gehabt" hätte, "zur Polizei zu gehen", was der Angeklagte aber "halt vermeiden wollte" (S 286/II). Zu 3) ist es nach der Darstellung des Angeklagten zu gegenseitigen (S 279 f/II) Beschimpfungen von Täter und Opfer gekommen, was die Beschwerde unberücksichtigt lässt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (Paragraphen 285 d, Absatz eins,, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (Paragraphen 285 i,, 344, 498 Absatz 3, StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 390 a, StPO.

Anmerkung

E72313 15Os2.04

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0150OS00002.04.0219.000

Dokumentnummer

JJT_20040219_OGH0002_0150OS00002_0400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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